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Hugin und Munin müssen jeden Tag

Über die Erde fliegen.Ich fürchte, daß Hugin nicht nach Hause kehrt;Doch sorg ich mehr um Munin. 

-Gylfaginning


Ich sollte mich wohl erst richtig vorstellen.

Ich bin Jacques Savior. Wie man an meinem Namen schon erkennt bin ich Italiener. Wobei man nicht sagen kann, dass ich nur Italiener bin. Meine Familie ist die Vermischung vieler Nationen und Länder. Meine Mutter war Italienerin, mein Vater Ägypter. Ich sage extra war, weil sie tot sind. Ich habe sie auch nie kennen gelernt. Aber das hat mir nie etwas ausgemacht. Ich wohnte bei meinem Onkel und meiner Tante in Adria, mitten am Meer. Also, dem adriatischen Meer. Mir ging es immer gut, ich ging zur Schule, hatte ein paar Freunde in Nachbarstädten und freute mich des Lebens. Doch als mein Onkel schwer krank wurde, schickte mich meine Tante zum Arbeiten in die Tempel. Ich bekam eine schmutzige Arbeit als Tempelreiniger, keine schöne Arbeit. Jeden Abend kam ich in den Tempel des Caelum, dem Gott des Himmels, und säuberte jede goldene Fliese in dem gigantischen Tempel einzeln. Wenn ich abends nach Hause kam, musste ich entweder den Abwasch, die Wäsche oder andere Hausarbeiten machen. Zum Schlafen kam ich kaum noch. In der Schule gingen meine Leistungen stark zurück, die Lehrer wunderten sich, weil ich sonst gut in der Schule war. Und so kam eins zum anderen. Wir konnten meine Schule nicht länger bezahlen, weil uns das Geld fehlte. Und das wenige Geld, das ich im Tempel bekam, brauchten wir für meinen Onkel. Wir waren froh, wenn wir einmal in der Woche einen Fisch vom Markt kaufen konnten. Die Arbeit im Tempel war hart, Tag für Tag. Das einzige was gut an der Sache war, war der Priester. Er erzählte mir zwischendurch einmal in der Woche von den Göttern.

„Dieser Tempel, den du so sorgfältig säuberst Jacques, gehört dem obersten aller Götter", sagte er einst. „Kennst du seinen Namen?"

„Ja", antwortete ich. „Es ist der Tempel des Caelum."

Der Priester lachte. „Nenne ihn wie du willst, Jacques. Der Gott hat keinen Namen. Es ist der Gott der Herrlichkeit, der Güte und er herrscht über alles." Caelum, dachte ich. Sagte ich doch! Und doch dachte ich, dass er von einem anderen Gott sprach. Einem Gott, den es in Italien gar nicht gab.

„Jacques! Komm! Beeil dich!" Es war ein Sonntagmorgen, Kirchentag der Piccolis, so hießen meine Tante und mein Onkel. Meine Tante zerrte mich jeden Sonntag mit in den Tempel, obwohl ich überhaupt kein Interesse an dem Polytheismus Italiens hatte.

Ich glaubte nicht an die Götter, auch wenn alle, selbst in der Schule, erzählten, dass die alten griechischen Götter vor etwa dreißig Jahren auf die Erde kamen und die Giganten, Riesen, bekämpften. Sie seien kurz darauf gestorben, oder verschwunden oder was auch immer. Jedenfalls wurde dann dieser neue Glaube, der Neofides eingeleitet. Es sollten auf der ganzen Welt nur bestimmte Götter geben, nur Italien und Griechenland hatten das Recht ihre eigenen Götter anzuschaffen. Damit das Chaos aber nicht zu groß wurde, einigten sie sich auf einen gemeinsamen Götterstamm, der jetzt seit Jahrzehnten gilt. Kirchen wurden zerstört, sogar der Notre Dam de Paris wurde eingerissen, um neue Tempel zu bauen. Viele Aufstände sage ich nur. Ich fand das schon als kleines Kind Quatsch. Mehrere Götter! Wieso konnte es nicht einfach nur einen geben? Es war doch einst so, der barmherzige, gütige Gott war der einzige Gott seit etwa zweitausend Jahren, wegen dem es keine Aufstände in Europa gab- jedenfalls weitestgehend. Auf einmal tauchen andere Götter auf, aber heißt das denn, dass es den einen, an den die Menschen Jahrhunderte lang glaubten, nicht mehr gibt? Ich konnte mir das nicht vorstellen. Ich glaubte nicht an die Götter. Halbgötter waren in Italien selten, aber wenn sie geboren wurden, wurden sie hoch verehrt. Wie Könige wurden sie gekürt. Wie Götter selbst behandelt. Ich konnte nur kotzen, wenn ich daran dachte.

Die Lichtchroniken - Wenn die Dunkelheit siegtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt