Aberforth zitterte vor Hass. „Ich mein'... ich vermöbel ihn nich' einfach nur, näch? Neee ich ... ich mach das mit ihm, was er mit diesen Muggeln getan hat!"

In Mould-on-the-Wood hatte es einen mysteriösen und grauenhaften Mord gegeben, der die Muggel-Polizei in helle Aufregung versetzt hatte. Die Leichen dreier junger Männer waren vor dem Stadttor drapiert worden, aufgepfählt wie groteske Vogelscheuchen, und über ihren Köpfen hatte das Zeichen der Heiligtümer des Todes geprangt. Gellert hatte Arianas Peiniger gefunden und sie gerichtet.

Albus erinnerte sich an das grauenhafte Titelbild des Tagespropheten und auch an die kleine Nachricht weiter unterhalb auf derselben Seite: Ein Kopfgeld war in ganz Europa auf den unbekannten Dieb ausgesetzt worden, der einen Zauberstabmacher namens Gregorowitsch in Deutschland beklaut hatte. Die Zeitung sprach von einem Zauberstab von „unermesslichem Wert" – und Albus wusste, dass Gellert es geschafft hatte: Er hatte den Elderstab! Er hatte sich von allen Ketten losgerissen, wie ein tollwütiger Hund, bereit, jeden zu töten, der sich ihm in den Weg stellte. Das Streben nach dem Größeren Wohl war zu einem Blutbad geworden, und Albus wusste, dass es seine Schuld war.

„Du bist nicht der Mann, Gellert Grindelwald aufzuhalten, Abe", sagte er leise.

„Ach? Soll ich ihn vielleich' dir überlassen? Na, dann gute Nacht! Fällst ihm doch bei der nächsten Gelegenheit um den Hals, wennde ihn siehst!"

„Ich ... würde ... niemals ..."

„Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz", hörte Albus die vertrauten Worte der Predigt, während der Sarg ins Grab hinabgelassen wurde. Er hatte nach den falschen Schätzen gesucht ...

‚Na, weißt', wo dein Herz ist, Albus?'

Gellerts Stimme durchzuckte ihn wie ein giftiger Pfeil. Er konnte beinahe spüren, wie sich die schlanken blassen Hände um seine Taille legten und Gellerts Atem in seinem Nacken kitzelte, während er die Worte sprach. Ein schmerzliches Keuchen drang aus Albus' Kehle, und eine Träne rollte über seine Wange.

„Oh, das ja vielleicht rührend", blaffte Aberforth neben ihm. „Für wen sin' die denn? Für dich? Für sie? Oder für ihn?"

Albus presste die Lippen aufeinander und schwieg. Teils, weil er Aberforth nicht reizen wollte, teils ... weil er die Antwort nicht wusste.

Doch Aberforths Gedanken zeterten weiter: „Wetten, das hier is' dir alles scheißegal? Du bist nur traurig, dasste kein' Trost-Fick bekommen wirst, wenn das Gefasel hier vorbei ist!"

Albus' Hände ballten sich zu Fäusten.

„Der brillante Albus Dumbledore ... was is' er nich' clever, was is' er nich' begabt ... die ganze Hogwarts-Schule hat er im Duell geschlagen ... wenn die ma gewusst hätt'n, dass der Weg, ihn zu besiegen, einfach durch die Hintertür geht!"

Albus schloss die Augen und atmete scharf die Luft ein. Wie lange konnte er diese Erniedrigungen noch aushalten? Er hörte Gellerts Lachen in seinem Ohr.

„Aberforth, du solltest wissen, dass ich deine Gedanken hören kann."

„Ach ja?", fragte sein Bruder. „Dann hoff' ich, du schreibst mit! Hast ja zuvor nich' auf mich hör'n woll'n."

„Ich ... war verliebt ..."

„In 'nen scheiß Schwarzmagier?"

„Ich ... Abe, achte auf deine Wortwahl."

„DAS MACHT SIE AUCH NICH' WIEDER LEBENDIG!", schrie Aberforth und ein überraschtes Raunen ging durch die Menge.

„Leise", herrschte Albus, „zeig doch ein wenig Respekt!" Er starrte auf den Grabstein, wo nun unter dem Namen seiner Mutter auch Arianas hinzugefügt wurde.

Respekt?", zischte Aberforth und drehte sich nun direkt zu ihm. „Glaubsde, du kanns' mir was erzählen von RESPEKT? Ich zeig dir mein' Respekt, du dreckige, kleine Schwarzmagier-Hure!"

Albus fiel der Hut vom Kopf, als ihm sein Bruder an die Kehle ging. Entsetzte Aufschreie waren aus der Menge zu hören.

Er stieß Aberforths Hände weg und versuchte, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen – doch sein Bruder war nicht mehr der kleine zeternde Junge, den er in diesem Griff halten konnte. Er war nun größer als Albus, stärker und sehr, sehr wütend.

Aberforth bäumte sich auf und schleuderte Albus zu Boden, wo er platt auf dem Rücken landete. Er japste nach Luft und wollte sich aufrappeln, doch da war Aberforth bereits über ihm. Albus spürte, wie die Luft aus seinem Brustkorb gepresst wurde, und blickte in das hasserfüllte Gesicht seines Bruders.

Es ist meine Schuld ... alles meine Schuld.

„MÖRDER!", schrie Aberforth und rammte ihm die Faust ins Gesicht. Es knirschte, und Albus schrie auf. „NUR DEINETWEGEN IS' SIE TOT!" Ein weiterer Schlag fuhr herab und Blitze zuckten vor seinen Augen.

Albus blinzelte. Ein hoher Pfeifton in seinem Kopf vernebelte alle Geräusche. Beim letzten Schlag musste er kurz das Bewusstsein verloren haben. Mehrere Hände hielten Aberforth nun am Umhang gepackt und zerrten ihn fort, doch er wehrte sich verbissen gegen sie und schrie aus Leibeskräften. Albus drehte sich zur Seite, hustete und spuckte Blut auf die feuchte Erde vor dem Grab.

Der Schmerz strahlte von seiner Nase in den Kopf, als habe jemand dort einen Explosionszauber gewirkt. Er stöhnte und weinte lautlos, denn jede Bewegung seines Kiefers ließ neue Funken vor seinen Augen tanzen.

„Lasst mich durch!", hörte er eine vertraute Stimme, und gleich darauf spürte er Hände an seiner Schulter, die ihn behutsam abtasteten. Feste, sonnengebräunte Hände, übersäht mit Drachenpocken-Narben. Konnte das wirklich sein?

„Da haste ja ganz schön eingesteckt, alter Junge", sagte Elphias Doge und half Albus, sich aufzusetzen. „'Schuldige, dass ich so spät dran bin."

Albus starrte ihn an, starrte in dieses bärtige, wettergegerbte Gesicht, das dem Mann aus jener Vision nun schon erschreckend ähnlich sah.

„Elphias", keuchte er und Tränen liefen über seine Wangen. „Es tut mir – so – leid. Ich habe dich verraten ..."

„Unsinn, Al! Ich kenn' dich schon mein halbes Leben! Ich weiß, du würdest mich nie verraten."

Albus schwirrte der Kopf. Er krallte sich in den grünen Reiseumhang seines Freunds und wimmerte: „Verzeih mir ... es war nur eine Vision ... aber ich habe nicht mal gezögert ... Es ist meine Schuld ... sie ist tot ... er wollte auch dich töten ..."

„Was redet er denn da?", fragte Bathilda, die herbeigeeilt war und Albus zusammen mit Elphias nun auf die Füße half.

„Ist wohl 'n bisschen übergeschnappt, der Gute."

„Ach, das ist wirklich schrecklich. Armer Junge! Gellert hätte bestimmt gewusst, was – "

Albus heulte auf wie ein verletztes Tier.

„Meine Güte", wunderte sich Elphias. „Ich glaub', wir bringen in besser nach St. Mungos! Diesen randalierenden Brüllaffen da drüben am besten auch."

„Nein", wimmerte Albus. „Nein ... bitte ... tu ihnen nicht weh ..."

Und er spürte, wie der Wind zunahm, wie ihn Hände packten, behutsam, aber bestimmt, und vom Grab wegzogen. Er musste sie warnen! Sie waren alle ihn Gefahr ... alle, die ihm halfen oder sich um ihn sorgten, würde er finden.

„Komm, alter Junge", sagte Elphias, als er sich bereit machte, mit ihm ins Krankenhaus zu disapparieren, „ich glaub', du hast erst einmal genug."

ENDE

Summer of '99 - Die Herren des TodesWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu