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"Und wirst du mir davon erzählen?"

Lucifers Stimme unterbrach meinen Gedankengang. Verwirrt blickte ich zu ihm auf. Seine Augen waren neugierig auf mich gerichtet.
"Wovon denn?"
"Von dem Gespräch mit meinem Bruder." wiederholte er ungewohnt geduldig.

Oh, lieber nicht.
Was hätte ich ihm schon erzählen sollen? Etwa das sein eigener Bruder versucht, mir deutlich zu machen, zu welchen Dingen Lucifer in der Lage war? Nein, das wollte ich ihm definitiv nicht erzählen. Und erst recht nicht, dass es mir etwas ausmachte.

"Nicht? " fragte er stutzig, als ich nicht reagierte.
Jedoch bevorzugte ich es weiterhin, einfach vor mich hinzuschweigen. Auch wenn ich Lucifer mittlerweile etwas einschätzen konnte, so hatte ich trotzallem die Hoffnung, er würde nicht weiter bohren und es dabei belassen.

Nun aber seufzte Lucifer frustriert. Jetzt hatte ich seine Geduld wohl ausgeschöpft.
"Alba, ich denke, dass das hier" mit seinen Händen deutete er auf uns und das Sofa. "die große Aussprache werden sollte? Wenn du mir nicht alles erzählst, wieso sollte ich dir dann meine größten Geheimnisse offenbaren?"

Nervös spielte ich mit meinen Händen. Er hatte recht und ich wollte dieses Gespräch unbedingt.
"Bitte verstehe mich nicht falsch, Lucifer." begann ich vorsichtig. "Aber Raphael sprach da etwas an und ich bin mir unsicher, wie ich damit umgehen kann."

Als ich in Lucifers Gesicht blickte, war sein Gesichtsausdruck unverändert entspannt. Hätte ich mit ihm über das heutige Wetter gesprochen, so hätte es keinen Unterschied gemacht. Und selbst als er antwortete, war noch immer kein Unterschied zu erkennen.

"Ich kann es mir denken." gestand er. "Aber bitte sprich weiter."
Wieder senkte ich meinen Blick. So war es leichter für mich mit ihm zu sprechen.
Meine nächsten Worte kamen mir nur sehr schwer über die Lippen. Über meine Gefühle zu sprechen, lag mir nicht. Wahrscheinlich weil ich dies nie musste. Es hatte nie jemanden interessiert.

"Lucifer, ich denke, auszusprechen, was ich für dich empfinde, ist nicht notwendig. Du weißt es ohne hin schon." Ich spürte, wie ich rot anlief. "Aber Raphael sprach da etwas an und mir wurde bewusst, wie wenig ich dich kenne. Das macht mir Angst."

Meine Lippen fühlten sich wahnsinnig schwer an und das Herz in meiner Brust raste vor Nervosität. Angst. Ja, die hatte ich tatsächlich. Aber nicht vor Lucifer. Vielmehr vor meinen Gefühlen. Ich wusste, dass nichts auf der Welt diese ändern könnten.

"Alba" da ergriff Lucifer überraschend
meine Hand.
Seine plötzliche Berührung lies mich zu ihm aufschauen. Seine wunderschönen Augen waren auf mich gerichtet. So unglaublich intensiv war sein Blick.
Mich überkam eine wohlwollende Wärme, die so gar nicht unangenehm war.

Mein Atem beruhigte sich und sogar mein Herz fand seine gewohnte Schnelligkeit wieder. Und so fühlte ich mich sicher. So sicher, dass ich nicht länger über meine Worte nachdachte.
"Tust du Menschen weh?" kam es aus mir heraus und meine Stimme war ruhiger, wie niemals zuvor.

Lucifer brauchte nicht lange um zu antworten.
"Du kennst die Antwort." sagte er knapp, allerdings lies er mich für keine Sekunde aus den Augen.
Er war der Teufel - natürlich kannte ich die Antwort. Ich sagte nichts. Und vermutlich brauchte ich das auch nicht. Was hätte man darauf antworten können? Stattdessen entzog ich mich seiner Berührung und damit auch der Wärme. Die angenehme Ruhe war verflogen.

Ich schlang die Arme eng um meine Brust und lief einige Schritte im Zimmer auf und ab.
Schließlich erhob sich auch Lucifer. Ganz langsam lief er auf mich zu - sehr wohl auf meine Reaktion bedacht.
"Fürchtest du dich jetzt vor mir?" wollte er wissen.

"Nein, viel mehr fürchte ich mich vor mir selbst! Ich bin dem Höllenfürst verfallen! Zu welchem Menschen macht mich das wohl?" Lucifer blieb abrupt stehen und starrte mich ungläubig an. Ich hingegen fuhr unbeirrt fort.

"Und meine Adoptiveltern? Wussten sie Bescheid? Oh Lucifer, ich habe so oft, so furchtbar oft zu dir gesprochen. Hattest du mich denn nicht gehört? " Ich verstummte.
Ich konnte einfach nicht weitersprechen. Es schien fast so, als wenn ich plötzlich klar sehen konnte. All diese Gedanken hatte ich zu unterdrücken versucht.

Die Gedanken an meine Vergangenheit schmerzten tief. Ich wünschte ich könnte sie einfach ändern. All das vergessen.
Ich sah Lucifer durch Tränen hinweg an und plötzlich schien er auf eine Art und Weise ebenso hilflos zu sein, wie ich es war.
"Ich weiß es nicht." gestand er schließlich und in seinen Augen sah ich, dass es ihm aufrichtig leid tat. Er war es nicht gewohnt, so machtlos zu sein.

"Alba, ich weiß nicht, welche Absicht mein Vater verfolgt. Aber du kannst jederzeit gehen, wenn es das ist, was du möchtest."
Sprachlos starrte ich ihn an. Ich war so verblüfft, dass ich mich erst etwas sammeln musste, ehe ich ihm antworten konnte.
"Du glaubst, dein Vater wäre schuld?"

Lucifer nickte schnell.
"Selbstverständlich." meinte er, als wäre dies ganz offensichtlich.
Seine Worte verärgerten mich sehr. Dies würde bedeuten, dass meine Gefühle zu ihm nicht real wären. Nein, das war definitiv unmöglich.
"Nein, Lucifer. Das stimmt nicht." widersprach ich seinem absurden Gedanken streng. "Ich entscheide noch immer selbst."

Lucifer sah mich zerknirscht an.
"Bitte entschuldige, Alba. Das war nicht meine Absicht."
"Mhm." brummte ich leise - noch immer verärgert.
Dann ging alles ganz schnell. Ich spürte, wie Lucifers Finger mein Handgelenk umfassten und wie er mich mit einer geschickten Bewegung zu sich heran zog.
"Es tut mir wirklich leid." versicherte er mir mit Nachdruck in mein Ohr.

"Okay." piepste ich leise.
Allerdings war ich durchaus stolz, dass ich überhaupt ein Wort zustande brachte.
"So und jetzt wirst du noch einmal Platz nehmen. In Ordnung?" befahl Lucifer sanft.
Ich nickte und nahm erneut Platz.
"Bitte warte hier." Und dann war er auch schon verschwunden.

"Äh, Lucifer?" rief ich verwundert.
Doch anstelle einer Antwort, kam Lucifer mit einem Glas Wasser zurück.
"Bitte." lächelte er und hielt mir das Glas hin.
"Ich habe keinen Durst."
Erwartungsgemäß ließ er nicht locker und hob gespielt genervt eine Augenbraue.

Also nahm ich das Glas und trank einen großzügigen Schluck, um ihn zufrieden zu stellen. Er dankte es mir mit einem schiefen Lächeln, welches ich so sehr liebte. Dann schwieg Lucifer für einige Sekunden und als er schließlich wieder zu sprechen begann, war seine Stimme unglaublich ernst.

"Weißt du, wie ich zur Hölle kam?"

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Ihr Lieben!
Tausend Dank für die lieben Kommentare. ♥️

Ich hoffe es geht euch allen gut. Bleibt gesund 🍀

Eure M.

Lucifer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt