Ferne

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Das Hovercraft stand versteckt unter den Ästen der Bäume, die das Ufer des Flusses säumten. Neben der Praecursoris lag der kleine Jäger, den der Soldat und Kollins gestohlen hatten. Die Stadt konnte man von ihrer Position nicht sehen, wohl aber die dunklen Rauchsäulen die noch immer in den Himmel stiegen. Ebenso die Positionsleuchten der Hovercrafts, die über Kolrim und der näheren Umgebung kreisten. Kell und Beran waren noch nicht aufgetaucht. Der Soldat stand vor der heruntergefahrenen Rampe, die in den Frachtraum führte. In seinen Händen hielt er ein Gewehr, dieses war jedoch nicht geladen und die Sicherung war aktiv. Er tat so, als würde er Ausschau halten, in Wirklichkeit jedoch, wanderte sein Blick immer wieder in Richtung Michael. Dieser stand etwas Abseits, direkt am Ufer und starrte in den tobenden Strom. Das kalte, klare Wasser stammte aus verschiedenen Quellen, tief im Gebirge. Er streckte eine Hand aus und griff langsam durch die Oberfläche. Das Wasser umspülte seine Hand, spritzte auf und durchtränkte seinen Ärmel. Er schien wie erstarrt. Der Soldat glaubte feine Dampfschwaden aufsteigen zu sehen. Als würde das Wasser, um Michaels Arm herum kochen... Der Soldat hörte hinter sich ein Geräusch und fuhr herum. Kayena stand am oberen Ende der Rampe. Die Arme verschränkt starrte sie ihn fast Vorwurfsvoll an, sagte jedoch nichts. Stattdessen stellte sie sich neben ihn und schaute ebenfalls in Michaels Richtung. "Wie steht es mit der Prae?" "Ein paar Treffer haben wir eingesteckt, aber nichts gravierendes. Die Kiste ist zäh. Technisch sind wir jederzeit startklar." antwortete die Technikerin. "Gut. Wir sollten uns bereit halten." Beran und Kollins waren noch immer nicht aufgetaucht. Hatten sie es geschafft die Stadt zu verlassen? Die Frist verstrich in weniger als 16 Stunden. Das Tal zu durchqueren allein würde sie geschätzt 20 Stunden brauchen. Also mussten sie die Stadt bereits verlassen hatten, sonst würden sie es nicht rechtzeitig schaffen.

Beran fluchte und schlug einen Ast zur Seite, der ihm ins Gesicht geschnappt war. Dieser brach mit einem lauten Knacken. Der Wald war dicht und kein bisschen erschlossen. Er begann direkt hinter der Außenmauer der Stadt und füllte das Tal aus. In der Mitte verlief ein schmaler Fluss aus dem der Wald sein Wasser zog. Über einen Abflusskanal, der überflüssiges Regenwasser, aus der abgeschlossenen Stadt transportierte, war ihnen die Flucht gelungen. Der Kanal hatte direkt in den Fluss gemündet, der vor der Mauer eine Biegung machte und an dieser entlang floss. Kell folgte dem Zwerg mit wenigen Schritten abstand. Sein Gewehr im Anschlag sicherte er sie ab. Sie mussten sich beeilen, wenn sie die anderen Rechtzeitig erreichen wollten. Hoffentlich hatten sie es geschafft. Vor allem um die Elfe machte er sich sorgen. Sie war Solo unterwegs, auf sich allein gestellt.

Die kleine Gruppe hatte sich ins Innere der Praecursoris zurückgezogen. Die Sensoren und Kameras überwachten die Umgebung und erstellten eine Karte, die auf verschiedenen Screens im Hovercraft angezeigt wurde. Hin und wieder wies das System auf Verdächtige Vorgänge, außerhalb der Prae hin, doch waren es meist nur Tiere, die sich neugierig den beiden seltsamen Strukturen näherten. Kayena wuselte über die Decks des Hovercrafts und flickte die letzten Löcher (zum Teil wörtlich), die ihre Flucht in der Prae hinterlassen hatte. Die schweren Flacks der Stadt hatten trotz aller Maßnahmen, die sie getroffen hatten, einige saubere Durchschüsse gelandet. So führte ein gut 15 Zentimeter durchmessendes Loch, vom Rumpf, durch die Quartiere, durch die Lodge hinaus aufs Deck. Dabei hatte das Geschoss mehr als ein dutzend Kabelstränge und Leitungen erwischt. Dennoch, selbst zu Kayenas erstaunen, war das Hovercraft weiter fast uneingeschränkt flugfähig, da viele der Systeme doppelt oder gar dreifach redundant vorhanden waren. Die durchtrennten Leitungen waren automatisch deaktiviert und umgeleitet worden. Ausgerüstet mit einem Schweißgerät und Isolierschaum setzte sie sich daran, die Löcher, durch die laut der Wind pfiff, zu stopfen.

Sie hatten die Stadt weit hinter sich gelassen und langsam übertönten die Geräusche des Waldes die Sirenen von Kolrim. Das Rauschen des Winds in den Bäumen und des nahen Flusses rückten in den Vordergrund. Knackende Äste und Rascheln im Gebüsch um sie herum stammten zwar sehr wahrscheinlich von kleineren Tieren, die von ihnen aufgeschreckt worden waren, trugen aber dennoch nicht zu ihrer beruhigung bei. Auf Kells Thermalvisier erschienen sie als kleine weiße oder orangene Flecken, die um sie herum durch die Wald hoppelten, sprangen, hangelten, oder sogar flogen. Seit sie aus der Stadt heraus waren, schien es konstant kälter zu werden. Sie wussten zwar, dass es im Gebirge nachts kühl wurde, doch um die Stadt herum schien es besonders kalt zu sein. Als würden die gigantischen Wälle auch das letzte bisschen Wärme aus der Umgebung entziehen, um die Stadt zu beheizen. Vielleicht war auch genau das der Fall... Direkt hinter Kell brach ein Ast. Das Reptil wirbelte herum, den Finger am Abzug des entsicherten Gewehrs. Die Munitionsanzeige glimmte leicht. 30 Schuss, panzerbrechende Munition. Stark genug, um die Panzerung eines Hovercrafts zu durchschlagen. Ein kleines Wesen sprang auf den schmalen Pfad, die Kell und Beran hinterlassen hatten. Es schaute die beiden mit großen Glubschaugen an. Die vielleicht 50 Zentimeter lange Echse hatte sich aufgerichtet und schien die beiden Abschätzig zu betrachten. Kell starrte zurück. Dann stieß er ein lautes Zischen aus, was von dem Wesen erwidert wurde, bevor es mit schnellen schritten um Gestrüpp verschwand. "Verwandter von dir?" scherzte Beran. "Vielleicht..." erwiderte Kell nachdenklich.

War never EndsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt