26.

432 28 7
                                    

Schweigend ließ ich die weiteren Gespräche an mir vorbeiziehen.
Nach dem Gespräch in der Küche ging es mir nicht mehr so gut. Ich kenne Scamander jetzt schon seid fast zwei Monaten und er bestimmt schon viel zu oft und sehr meine Gedanken. Es ist wie eine Art Drang der mich zu ihm hinzieht und am liebsten auch da bleiben lassen würde. In seiner Nähe entspanne ich mich deutlich mehr als normal. Es ist verrückt, aber manchmal fühlt es sich an, als sei er der fehlende Teil um mich zu ergänzen, was wirklich mehr als Humbug ist!
Das meiste ist wahrscheinlich eh, da ich mich langsam an ihn gewöhne und er schon oft unschöne Momente meinerseits mitbekommen hat.
Nebenbei gesehen ist es auch rein praktisch gesehen nicht gut, wenn es eine Person gibt, mit der ich befreundet oder sonstiges bin. Diese Person wäre, da man in meiner Position nicht immer nur gemocht wird, ein ausgezeichnetes Druckmittel, um mich zu erpressen oder dafür zu sorgen, dass ich andere Dinge tu. Als Direktor oder auch als Auror ist dies nunmal eines der größten Opfer, die man bringen muss. Nicht immer nur für sich selbst.
Bei diesem Beruf hat man eine gewisse Pflicht für andere zu entscheiden. Zu derer Sicherheit und Wohlergehen. Da dürfen einem eigene Gefühle oder Empfindungen nicht die Sinne und das Urteilsvermögen trüben.
Allein das er bei mir wohnt, ist schon riskant. Keiner meiner Kollegen, nicht mal Seraphina, weiß wo ich wohne. Was nebenbei betrachtet auch eine Art Sicherheitsmaßnahme ist.
Aber ich habe es ihm versprochen. Ich habe versprochen, dass er gehen und kommen darf wie er will. Es ist wie eine Zwickmühle aus der ich nicht mehr herauskommen kann. Einerseits ist es meine Pflicht Hexen und Zauberern zu helfen, andererseits ist es gefährlich ihn bei mir wohnen zu lassen.

Seufzend fuhr ich mir, wie üblich, durch die Haare. Ich habe wirklich ein außerordentliches Talent mich in solche Situationen zu bringen! Eines der vielen Sachen, die mein Vater mir hat versucht auszutreiben, als ich noch klein war. Anscheinend ohne großen Erfolg.

Ungewollt richtete sich meine Aufmerksamkeit nun doch auf das aktuelle Gesprächsthema. Es geht um die rätselhaften Morde der Menschen mit einem Seelenzeichen.
"Ich habe davon gehört, Tina. Es ist wirklich grausam und barbarisch. Wie kann ein Mensch sowas tun? Es ist doch ein tolles Geschenk, mit einem solchen Zeichen geboren zu werden. Wobei ich kaum glaube, dass der Täter es auf den Mord dieser Leute abgesehen hat.. "
Murmelte der Mann neben mir mehr oder weniger zu sich selbst.
Nun wurde aber auch ich aufmerksamer. "Wie genau meinen Sie dass? Jedes der Opfer wurde tot aufgefunden." Schaltete auch ich mich endlich in das Gespräch ein.
"Nun.. Das mag sein, aber was wenn das nicht die Absicht des Täters ist? Wenn die Tode nur ein 'unerfreulicher Fehltritt' waren. Hätte er es wirklich darauf abgesehen, diese Menschen zu töten, hätte er dies natürlich einfach machen können. Von der Art und Weise wie, will ich garnicht reden. Was ich damit meine ist, dass er dafür doch nicht die Seelenzeichen hätte misshandeln müssen.
Bei jedem Opfer waren aber, soweit ich weiß nur diese am meisten beschädigt,worauf man schließen könnte, dass er es nur auf diese abgesehen hat. Da er bei einigen die Zeichen herausgeschnitten hatte, würde ich erahnen, dass er sie entfernen will. Wobei ich nicht mal glaube, dass es sich bei der Tatwaffe um ein Messer handelt. Die Schnitte waren dafür viel zu sauber und akkurat. Das weiß ich, da ich selber oft mit einem Messer arbeite und selbst nach Jahren  solch feine Schnitte nicht hinbekomme. Es ist vermutlich also ein Zauber, oder ein anderer Gegenstand. Ich kenne nur keinen Sinn warum man sowas abscheuliches machen sollte. "
Total überrascht sahen Tina Goldstein und ich Mr. Scamander an. MACUSA hat einfach um die falsche Ecke gedacht! Wir sind immer davon ausgegangen, dass der Täter die Opfer durch das Seelenzeichen töten wollte. Das der Tod nicht beabsichtigt war, ist uns nie in den Sinn gekommen. Das wiederum würde auch den letzten Mord erklären. Der Zauber, oder was auch immer ist noch in der Testphase und die armen Menschen müssen als Versuchsobjekte herhalten. Das ist wirklich mehr als skrupellos!
"An sowas haben wir garnicht gedacht, Newt. Aber jetzt wo du es sagst, ist es sogar beinahe offensichtlich..." Murmelte Ms. Goldstein, die rechts neben Mr. Scamander saß. Nickend stimmte ich ihr stillschweigend zu. Er hat tatsächlich alles logisch miteinander verknüpft, wofür ich sicher noch ne ganze Weile gebraucht hätte.

Leicht schmollend setzte ich mich etwas bequemer hin. Klar ich sollte ihm dafür dankbar sein und klar war es nicht böse gemeint, aber demütigend ist es schon. Wenn das weiter so geht wird er noch der neue Direktor von MACUSA. Immerhin hat er ja auch Grindelwald entlarvt, etwas wozu ich nicht im Stande war!
Beleidigt und leicht eifersüchtig biss ich mir schmollend auf die Lippe.
Ich weiß das Eifersucht nicht gerade von Stärke zeugt, schon garnicht wenn sie unbegründet ist. Ich weiß das Scamander niemals freiwillig solch eine Position annehmen würde, aber ändern kann ich diesen Stich in meinem innerem nicht.
Das hat er mir immerhin selbst gesagt. Trotzdem lässt mich der Gedanke daran bitter schlucken. Es gibt genug Auroren, die an meinen Fähigkeiten zweifeln, seitdem ich wieder zurück bin. Klar würden sie sich das nicht anmerken lassen und zeigen mir immernoch Respekt, aber manchmal sagen Blicke mehr als tausend Worte. Wenn sich dann noch herumspricht, dass Scamander wieder einmal hilfreicher war als ich und sich das wiederholt, würde ich mir wohl selbst am besten den Gefallen tun und freiwillig gehen. Keiner würde mich mehr für Ernst nehmen oder als autoritäre Person ansehen. Ich habe dem Namen 'Graves' eh schon genug Schande bereitet.
Bei der letzten Sitzung, inder mehrere wichtige Minister dabei waren, wurde mein Wort eh nicht mehr vervoll genommen, wie früher immer. Ein Mann der sich nicht gegen Grindelwald wehren konnte und ihn sogar mit seinem Gesicht hat rumlaufen lassen, sollte lieber den Mund halten und überdenken ob er an dieser Position richtig sei. Das hab ich als Antwort bekommen und es schlägt mir noch immer auf den Magen. Das ich noch immer nicht so fit wie vor dem Vorfall bin ist mir klar, aber ich gebe mein bestes. Anscheinend reicht dies nicht aus.
Manchmal frage ich mich wirklich, ob es nicht besser wäre, mir einen anderen Job außerhalb des MACUSA zu suchen oder mich komplett als arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Zustehen würde es mir nach Monate langer Folter eigentlich.
Oder ich lasse mich an eine der Außenstellen versetzen und nehme die Position als höheren Auror an. Irgendwo wo keiner den Namen 'Graves' kennt und dementsprechende Anforderungen hegt. Wo keiner von meiner peinlichen Niederlage gegen Grindelwald weiß.
Seraphina spielt die Kommentare des Ministers zwar runter, aber getroffen haben sie mich dennoch. Am meisten aber da die Aussage stimmte.
Niemand braucht einen so labilen Direktor, der noch dazu absolut unfähig ist. Da kann Seraphina noch so oft sagen, dass alles wieder wird wie vorher. Wird es nämlich nie wieder werden. Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Ob nun heute, morgen oder in ein paar Jahren.

Seufzend richtete ich meinen Blick auf die Uhr. Mittlerweile war es schon 23:21Uhr. Wahnsinn wie die Zeit vergeht, wenn man seinen Gedanken nachgibt.
Mit einem kurzen Seitenblick wurde mir klar, dass Mr. Scamander dies ebenfalls gerade bemerkt haben muss, da er seinen Blick von der Uhr zu mir gleiten ließ.

Eine Viertelstunde später verabschiedeten wir uns und apparierten zu mir nach Hause.
Viel sprachen wir dort nicht mehr und begaben uns auf unsere Zimmer.
Nachdem ich die Tür hinter mir schloss, trat ich vor den Spiegel und zog mein Hemd aus. Nachdem ich meine Statur musterte, die zum Glück schon deutlich besser als noch vor ein paar Wochen aussah, betrachtete ich mein Seelenzeichen. Gedankenverloren ließ ich meine Finger darüber gleiten. Es ist immernoch genauso farbenfroh und kräftig wie sonst auch.
Gerade nach der Zeit von Grindelwald, überprüfte ich dies immer wieder. Wie so eine Art Tick, der mir aber Sicherheit gab. Irgendwo da draußen ist ein Mensch der mich so sehen würde wie ich bin. Als Mensch der Fehler macht und nicht als perfekte Kopie meiner Vorfahren. Als jemand der ich wirklich bin, mit all meinen Fehlern. Jemand dem ich blind vertrauen könnte. Wobei ich mir dabei noch unsicher bin.
Ob ich diese Person je finde ist etwas anderes.
Erschöpft schloss ich kurz meine Augen und legte mich dann in mein Bett,wo ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Gramander. Love is an open book, So write it. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt