Kapitel 40

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Eigentlich wollte ich heute zu Hause bleiben. Eigentlich.

Denn jetzt befand ich mich tatsächlich in der letzten Stunde vor dem Theater Kurs und meine Nervosität stieg von Minute zu Minute. Kilian und ich standen schon länger nicht mehr zusammen auf der Bühne und ich war mir sicher, dass es heute wieder dazu kommen würde.

Außerdem konnte ich den Montag noch nie leiden und hatte bis jetzt auch keine besonders gute Laune gehabt. Da ich so nett war und meinen Freunden das nicht antun wollte, hatte ich geplant zu Hause zu bleiben.

Doch meine Eltern hätten mich beinahe ausgelacht, als ich ihnen erzählte, dass ich keine Lust hatte heute zur Schule zu gehen.

Und aus diesem Grund befand ich mich jetzt im Raum und hörte, wie die Klingel ertönte. Ich packte daraufhin meine Sachen ein und machte mich auf den Weg zum Theater Kurs.

Dort begrüßte ich Janette, welche ich auch schon länger nicht mehr gesehen hatte und setzte mich neben sie. Kilian betrat wie immer zum Schluss den Raum und dann konnten die Proben auch schon starten.

„Chloe, Kilian und Janette, macht euch bitte bereit. Wir proben jetzt Szene 15", erklärte Frau Mainer, während einige Requisiten umgestellt wurden.

Ich hatte die Szene gestern erst wiederholt und ich wusste, dass Kilian und ich zuerst alleine auf die Bühne mussten. Also betraten wir sie und ich wartete darauf, dass er anfing seinen Text aufzusagen.

„Weißt du, was ich beneide?", flüsterte Kilian neben mir, welcher auf einer Mauer saß und mich anstrahlte.

„Was?", hauchte ich und versank komplett in seinen braunen Augen.

„Die Menschen, die ihre Liebe zeigen können. Denen egal ist, was andere Leute denken. Die durch ihre Liebe keinem anderen schaden."

„Sollte Liebe nicht immer so sein?"

Kilian schüttelte den Kopf. „Ich glaube manchmal ist die Liebe so unfassbar kompliziert, dass es einfach nicht gut ist. Dass es sogar schon giftig ist."

„Warum existiert sowas überhaupt?"

„Weil man nichts gegen seine Gefühle tun kann. Und manchmal entscheidet unser Herz sich sogar für den Menschen, bei dem wir es als letztes gedacht hätten. Und dagegen können wir nichts tun, denn Gefühle kann man nicht abschalten und das sollte man auch nicht."

„Und was wenn ich es selber nicht fühlen will?" Ich schaute Kilian an, welcher mich in dem Moment so sehr fesselte, dass ich es gar nicht in Worte fassen konnte. Denn alles an ihm erschien mir in dem Moment so unfassbar ehrlich, obwohl er einfach nur eine Rolle spielte.

„Dann bist du der Liebe hoffnungslos ausgeliefert", lächelte Kilian und schaute mich an. Vielleicht sogar etwas zu lang. „Du kannst zwar so oft und lange über die Person nachdenken, wie du willst, aber die Person muss das nicht unbedingt wissen. Wie du mit Gefühlen umgehst, ist von Person zu Person unterschiedlich."

„Und wenn ich es der Person sagen will?"

Kilian sah mich an. „Dann solltest du das auch tun."

Und dann sprang er von der Mauer und schaute wieder zu mir hoch. „Ich muss jetzt gehen. Ich hoffe wir werden uns noch sehen, bevor du weggehst."

„Das hoffe ich auch."

Eine Weile blieb ich auf der Mauer sitzen, bis Janette auftauchte.

„Hier bist du, ich habe dich schon überall gesucht." Sie schaute zu mir hoch. „Willst du da nicht runterkommen? Das sieht gefährlich aus."

„Wenn du jemanden liebst, würdest du es ihm dann sagen?" Ich sprang von der Mauer und sah Janette abwartend an, welche überrumpelt schien.

„Was? Wieso?"

„Ich habe mich verliebt, absolut unsterblich verliebt und ich würde es am liebsten in die ganze Welt hinausschreien."

„Dann tu das. Das Leben ist so verdammt kurz und du würdest es sicher im Nachhinein bereuen gezögert zu haben. Und wenn die Person deine Liebe nicht erwidert, dann denk daran, dass es trotzdem einen Menschen gibt, der zu dir gehört. Da draußen gibt es jemanden, der nach genau solch einem Menschen sucht, wie du einer bist. Vielleicht sogar genau jetzt?"

„Meinst du wirklich?" Fasziniert sah ich sie an.

„Ja und die Person wird in dein Leben treten, wenn du bereit dafür bist. Und vielleicht ist es ja genau die Person, die du in dem Moment so sehr begehrst? Vielleicht bist du schon bereit für eine erfüllte Liebe."

Ich seufzte. „Das wäre schön."

Die Szene endete an der Stelle und wir schauten direkt zu Frau Mainer, welche uns lächelnd zunickte. Anscheinend hatte es ihr gefallen, sonst hätte sie etwas auszusetzen gehabt.

Wir verließen also wieder die Bühne und schauten dann den anderen zu, die jetzt ebenfalls proben mussten.

Kilian stellte sich neben mich und zu zweit beobachteten wir von ganz hinten die Szene. Ich konnte seinen Duft wahrnehmen, welcher mir das Gefühl von Heimat und Wärme schenkte und am liebsten hätte ich ihn einfach umarmt.

„Du hast also wieder Kontakt zu Yannik?", hinterfragte Kilian neugierig und schaute starr auf die Bühne.

„Ja", bestätigte ich seine Frage.

„Ich verstehe", schnaubte er.

„Was verstehst du?", wollte ich verwirrt wissen.

„Egal", winkte Kilian monoton ab und ging dann wieder zu den anderen, um bei den Requisiten zu helfen.

Gott, was zur Hölle wollte dieser Typ eigentlich? Mich in den Wahnsinn treiben, oder was? Wenn ja, dann funktionierte das super.

KilianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt