Kapitel 2

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Peligro
(Gefahr)

Im Laden hinter der Kasse verfolge ich die Nachrichten, die ich am Ende des Raumes auf einem winzigen Fernseher sehe. Weil niemand gerade da ist, erhöhe ich die Lautstärke.

Korruption, Gewalt, Verbrechen. Immer wieder das gleiche. Die Welt ist sehr grausam. Nur, sollte man nicht mal etwas unternehmen, anstatt immer nur zu dokumentieren?

Aber was rede ich denn da. Zuhause kann ich auch nicht aus mir heraus gehen und meine Meinung sagen.

,,Muy buenos días."

Ich mache die Lautstärke des Fernsehers leiser, weil ein Gast gerade den Laden betritt.

,,Ah, hallo Alenia! Wie geht es dir?"

,,Hallo Alonzo. Mir geht's gut, und dir? Bist du auf dem Weg zu meiner Schwester?", frage ich Lucías Freund. Papá weiß von ihrer Beziehung nicht und ich habe es nur durch Zufall erfahren. Sie 'bat' mich es für mich zu behalten, weil Papá strikt gegen ihn war. Papá hatte nämlich schon einen Mann für meine Schwester im Kopf, doch sie weigerte sich ihn kennenzulernen.

Er soll reich gewesen sein und mit Papá gearbeitet haben, aber das weiß Lucía bis heute nicht, weil meine abuela es mir anvertraut hat. Abuela weiß alles.

,,Mir gehts auch gut. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und hatte gehofft, dich hier zu sehen.", sagt er und legt einige Dinge auf den Tresen, die er kaufen möchte.

,,Wieso das?", frage ich verwundert. ,,Ist irgendwas passiert?"

,,Na ja.. Man sagt, dass dein Vater die letzten Tage viel getrunken hat. Geht es dir gut?"

Papá ist im Dorf für seine Wutausbrüche bekannt. Weil der ganze Stress mit seiner Arbeit verbunden ist, besäuft er sich am Abend Zuhause und verliert seine Kontrolle über sich selbst.
Das hat vor etwa sechs Jahren angefangen, als unsere Schulden nicht mehr bezahlt werden konnten.

,,Uns geht es gut, du brauchst dir keine Sorgen machen.", lächle ich freundlich und packe seinen Einkauf ein. ,,Hier, bitteschön."

,,Wenn irgendetwas passieren sollte, ruf mich.", sagt er skeptisch, während er bezahlt.
Ich nicke und wechsle sein Geld.

,,Wann ist deine Schicht zuende? Ich kann dich nach Hause begleiten."

,,Nicht nötig. Musst du nicht eigentlich zur Arbeit?", versuche ich ihn abzuschütteln. Man sollte uns nicht zusammen sehen. Gerüchte sprechen sich schnell herum. Und wenn Lucía auch nur erfährt, dass wir den gleichen Sauerstoff eingeatmet haben, dann bin ich geköpft.

,,Ich verstehe. Ja, du hast recht. Wir sehen uns dann", verabschiedet er sich, nachdem er sein Wechselgeld nimmt.

Ich frage mich, ob er und Lucía vielleicht verstritten sind. Er hat nicht wie sonst immer nach ihr gefragt.
Sie muss bestimmt verletzt sein, deswegen war sie vielleicht auch heute so abwesend.

_________

18:21h

Ich räume noch einige Waren ein, bevor ich wieder nach Hause gehe. Der Besitzer des Ladens übernimmt die zweite Schicht, bis spät Abends. Und weil er schon alt ist, versuche ich ihm noch so viel wie möglich zu helfen.

,,Ach Bicho! Das kann ich doch alles selber machen. Du solltest schon längst Zuhause sein, Mädchen!", beleidigt mein Chef mich als Depp/Blödmann. Ich muss lachen. Er ist immer so grob mit mir.

,,Ich bin ja gleich fertig. Das hätten Sie doch sowieso nicht alleine geschafft!"

,,Cállate! Immer das gleiche mit dir! Nimm dein Geld und lass deine Familie sich nicht sorgen um dich machen.", befiehlt er mir die Klappe zu halten und schiebt mich raus.

,,Danke! Wir sehen uns morgen.", gebe ich nach.
Er verscheucht mich mit seinen Handbewegungen und ich winke ihm nach einigen Metern nochmal zu.

Auf dem Weg nach Hause ist die Gegend immer ganz leer. Das totale Gegenteil vom frühen Morgen. Und das, obwohl im Sommer hier erst um halb zehn die Sonne untergeht.
Vor einigen Jahren war das Dorf am Tag sowie in der Nacht sehr lebendig und sicher. Das änderte ich sich aber schnell, als verschiedene Banden uns anfingen zu bedrohen und zu berauben. Sie arbeiten für verschiedene Mafias und siedelten sich dann bei uns in der Gegend an, um uns unter 'Kontrolle' zu halten. Dabei gibt es immer Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Mafia Mitgliedern.

Das alles ist ein großes Thema hier. Zum Beispiel erzählt man, dass die Mitglieder der Mafia oft ein erkennbares Tattoo haben. Oder dass die Mitglieder jeweils ihre Eltern umbringen mussten, um dazugehören zu dürfen. Aber daran glaube ich nicht.

Man erkennt sie hier nur, weil sie es jeden Tag durch die Gegend rufen und damit angeben.
Sie hocken manchmal in einer Ecke und machen den Passanten angst. "Was guckst du so? Weißt du nicht, für wen wir arbeiten, du Stück Dreck?"

Sie leben nicht unter viel besseren Umständen als wir.

Gelegentlich kommen höher positionierte Mitglieder der Mafia, vor denen wir uns noch mehr fürchten. Sie waren lange Zeit nicht mehr hier, aber die sollen wohl wiederkommen. Sie tragen normale Kleidung und fahren normale Autos, aber laufen alle bewaffnet durch die Gegend und beuten uns aus. Bei uns Zuhause haben sie zum Glück nur einmal unseren Fernseher mitgenommen, doch bei den Nachbarn nahmen sie ihr ganzes Geld, bis auf den letzten Pfennig..

Ich seufze und sehe bereits mein Zuhause.

Vor unserer Wohnung angekommen, höre ich lautes gerümpel von Zuhause. Mein Herz pumpt. Sind das wieder die Mafia Mitglieder, die Randale machen?!

Einen Gedanken daran, die Polizei zu rufen, verschwende ich nicht. Die haben doch alle Dreck am stecken.
Lucía ist ganz alleine Zuhause! Die Polizei wird sowieso nicht kommen!
Ich renne panisch zur Tür und öffne sie.

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AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt