Vorspiel

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Wenn man Diabel fragen würde, wie gut sie sich an den Kampf erinnerte, würde sie nur zwei Wörter rausbringen können.

Eraklion und Dolche.

Dolche. Ein identisches Paar, mit einer schönen Krümmung, perfekt für das sofortige Durchschneiden. Aus hellem Metall, kalt glänzend. Eraklion holte beide raus, benutzte aber nur eins. Diabel erinnerte sich nur vage an den eigentlichen Kampf. Alles geschah zu schnell und zu verschwommen für sie, man konnte das Duell nur schwer verfolgen. Sie erinnert sich noch, wie in der nächsten Sekunde nach dem Start Delina mit einem schnellen Zug genau vor Eraklion stand und die Spitze ihrer Klinge genau vor dem Gesicht des Jungens stoppte. Am Anfang verstand Diabel nicht, was los war, dann bemerkte sie aber, wie der rothaarige einen länglichen, wellengeschwungenen Dolch in der Hand hielt, und ohne viel Mühe den Angriff blockierte. Sie sah nur kurz, wie nach ein Paar Ausfallschritten und Täuschungsangriffen Delina dem Jungen die Waffe aus der Hand schlug.

Diabel hörte nicht, wie laut es danach wurde. Die Tribünen kreischten förmlich auf, es wurde unglaublich unruhig. Sogar Rosewita, die einen Platz weiter neben Milier saß, sprang auf aber Diabel klemmte sich and die Abgrenzung zu der Arena und schaute gespannt auf die sich entwickelde Situation. Sie dachte sich schon, dass Eraklion mit seinen bloßen Händen kämpfen musste, sie hatte nicht erwartet, dass der Dolch schon wieder in seiner Hand war. Sie hatte nicht aufgepasst, wo die Waffe eigentlich davor gelandet war, konnte also nur verwirrende Vermutungen aufstellen. Als Delina Eraklion das zweite Mal den Dolch mit lautem Klirren aus der Hand schlug, sah Diabel genau, dass dieser dann im Boden hinter ihm steckte. Sie war sich sicher, dass er diesmal die Fäuste benutzen musste, musste aber nur einmal blinzeln, um danach den Dolch sofort wieder in seiner Hand zu sehen.

Was zum Himmel?!, schrie sie in dem Moment mehrmals in ihrem Kopf.

Woher kam der Dolch? Hat er etwa zwei benutzt? Es ist doch erlaubt, nur eine Waffe zu benutzen!

Ab dem Moment passte Diabel nur auf die Waffe auf. Sie verstand nicht, wie die Waffe einfach wieder in seiner Hand erscheinen konnte, Teleportzauber waren nicht machbar für Kampfmagier, also musste was anderes dahinter sein. Den zweiten Dolch hatte der Junge schon längst beiseite geschmissen, dieser steckte nach wie vor im Boden auf der anderen Seite der Arena. Ein Anziehungszauber? Sie hatte nie von so einem gehört. Und würde es überhaupt so schnell klappen? Diabel beobachtete mehrmals, wie Delina Eraklion die Waffe rausschlug und schaute immer ganau hin, wie diese den Weg zurück zu ihrem Besitzer fand. Den Jungen schien es überhaupt nicht zu stören, er demonstrierte seine Künste erst nach ein paar Minuten. Die Künste der Waffenkontrolle, würde Diabel sie nennen.

Es war ein kurzer Augenblick, indem die Sonne die Arena bedeckte. Sogar ein fröhlicher Moment. Seit Monaten erschienen die hellen Strahlen nicht mal eine einzige Ecke der Akademie und als sie plötzlich rauskam, wendeten sich alle Schüler der Wärme zu. Sie machten die Augen zu und hoben ihr Gesicht zum Himmel, wie hypnotisiert und nur Diabel konnte nicht aufhören, auf Eraklion zu blicken. Egal, wie stark sie die Sonne vermisste, nichts konnte sie ablenken und da sah sie sein Geheimnis. Es war so kurz, dass man glauben könnte, sie hätte es sich eingebildet. Aber Diabel konnte schwören, etwas gesehen zu haben. Etwas hell Aufleuchtendes, lang und extrem dünn.

Ein Faden?

Sie kniff ihre Augen zusammen und sah genauer hin. Und ja, es war ein Faden! Ein kaum bemerkbarer aber definitiv Faden!

Wie?!

Diabel hing das Kiefer hängen. Noch nie hätte sie so eine Kampfkunst gesehen. Solch dünne Fäden, die man nicht mal erkennen konnte konnten solche schweren Dolche halten?

Wie hat er sowas geschafft? Ein Faden eines Spinnenbiestes vielleicht?

Und danach konnte Diabel sich nicht mehr auf den Kampf konzentrieren. Sie kam nicht damit klar, nicht zu wissen, was sie gerade vor sich sah. Sie hasste Sachen, die sie selber nicht erklären konnte.

Sie merkte nicht, wie eintönig der Kampf verging. Sie merkte auch nicht, wie die anderen Kinder es nicht zu bemerken schienen, denn das Gejuble war vom Weiten her zu hören. Sie merkte nicht, wie sich die Schritte und Angriffe immer wieder wiederholten. Sie merkte nicht, wie viel Recht Milier hatte.

Es war für sie eine Überraschung, das Beenden des Kampfes zu verpassen. Das Mädchen hörte nicht, wie das erwartete „Unentschieden!" ertönte und die zwei Opponenten voneinander wegsprangen. Sie wachte erst auf, als Milier sich neben ihr streckte und leise aufstöhnte.

„Endlich. Ich dachte schon, ich würde gleich auf der Stelle einschlafen."

Er stand auf und schaute auf Diabel herunter. Dabei lächelte er auch so komisch. Als ob er schon wusste, was sie dachte.

„Na, wie hat der Kampf dir gefallen?"

Diabel schaute zurück und nickte langsam.

„Ja...es war schon ziemlich...informierend." Sie wusste keine Antwort darauf. Schließlich verpasste sie wirklich den größten Teil und um ehrlich zu sein, war dies nur mehr als enttäuschend.

„Aha." Milier nickte, schien es ihr aber nicht wirklich abzukaufen. „Na dann, können wir auch zurück gehen oder? Ich werde dich kurz begleiten."

Und obwohl Diabel es nicht wirklich wollte, konnte sie nur nicken und ein leises „Danke" hervorbringen. Sie stand auf und ging Milier hinterher.

Sie vergaß Rosewita komplett, die das aber nicht zu stören schien, da sie sofort zu ihren anderen Freunden lief, um mit denen den Kampf zu besprechen. Und ausnahmsweise war Diabel dankbar, dass ihre Zimmernachbarin so viele Freunde hatte. Sie wollte wirklich mit niemanden reden, besonders über das Duell. Welches sie zum größten Teil ja verträumt hatte.

„Die beiden haben wirklich nichts an der Kampfroutine geändert," sagte MIlier beiläufig.

„Wie?", fragte Diabel, während sie noch immer auf den Boden schaute. Sie passte nicht mal auf andere auf und sie störte es auch nicht, in jemanden reinzulaufen.

„Nun ja, wie du gesehen haben musstest," er betonte das „musstest" auf eine sehr komische Art und Weise. Milier schien zu wissen, dass sie nicht wirklich aufgepasst hatte. „Waren die Angriffe und sogar der ganze Kampfverlauf ziemlich gleichmäßig eintönig. Auch wenn die Angriffe mal abwechselnd aussahen, wurden sie eher aus einem anderen Winkel präsentiert, damit es als etwas Neues durchkommt. Die ersten Stufen können sowas noch nicht erkennen aber schon im zweiten Jahrgang werden euch die Grundlagen davon erklärt. Deswegen sieht man auch nicht so viele höhere Jahrgänge auf solchen Kämpfen. Ihnen ist die Eintönigkeit eher egal. Sie wollen ja alle Aktion und Abwechslung, mit Blut und herausgerissenen Gliedern," sagte Milier verspottend.

„Es ist wirklich alles nur ein Schauspiel hier. Alles, bis in die Wurzeln," erklang seine plötzlich viel zu tiefe Stimme.

Diabel erschauderte und sah weg. Sie kam sich gerade total dumm vor. Dumm und naiv.

Die beiden waren schon am Ausgang der oberen Stufe angekommen, als sich plötzlich ein adlerartiges Vogelbiest auf die Schulter von Milier setzte. Dabei konnte Diabel genau beobachten, wie sich der Gesichtsausdruck des Jungens änderte. Von genervt, zu angespannt, zu realisierend und dann zu wütend.

Sein Gesicht wurde fast grau von den Emotionen. Er hörte angespannt zu, wie der Vogel ihm leise etwas ins Ohr flüsterte und spuckte sofort ein Schimpfwort aus, als das Biest endlich abhieb. Noch immer mit der gleichen, unruhigen Miene drehte er sich zu dem Mädchen.

„Komm mit."

Diabel schaute Milier verwirrt an, ging ihm jedoch hinterher.

„Wohin?"

„In die Bibliothek."

„Wofür?", fragte sie ein wenig lauter.

„Weil du gebraucht wirst."

Diabel gefielen diese kurzen Antworten so gar nicht. Nie war Milier so...kalt. Aber noch mehr gefiel ihr die Tatsache nicht, dass sie plötzlich in die Bibliothek, durch einen Oberstüfler, dazu noch den Vizevorsitzenden, gerufen wurde.

Wer ist diese Person, die dem Vizevorsitzenden plötzlich Befehle geben kann?

Silver Heart and Grey WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt