26) Ich muss dich unbedingt sehen!

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Am nächsten Morgen bin ich schon zeitig wach - es ist Samstag. Ich muss heut nicht arbeiten und fühl mich total gerädert. Ich dreh mich nochmal um, kann aber nicht mehr einschlafen. Plötzlich fällt mir ein, dass ich gestern Abend eigentlich noch auf eine Nachricht von Samu warten wollte. Wie verrückt krame ich nach meinem Handy. Als ich es gefunden habe, löse ich die Tastensperre und hab tatsächlich eine Nachricht.

Ich muss dich unbedingt sehen!

Samu. Auf meine Fragen ist er gar nicht eingegangen. Mein Herz klopft wie wild. Warum will er mich so dringend sehen? Er hat sich die ganze Zeit nicht gemeldet. Vielleicht will er mir auch einfach nur sagen, dass ich mir keine Hoffnungen machen soll, weil er vielleicht sogar eine Freundin hat. Doch diesen Gedanken versuche ich schnell zu verdrängen. Stattdessen schreib ich zurück: Heute? Ich hab frei.

Kaum hab ich die Nachricht abgeschickt, kommt auch schon eine Antwort: Sehr gut. In einer halben Stunde bei dir und dann Frühstück bei mir?

Erst dann gucke ich auf die Zeitanzeige meines Handys - 6.48 Uhr. Warum ist er so zeitig wach? Ich antworte nur: Ok und spring dann wie von der Tarantel gestochen auf um zu duschen. Anschließend putze ich mir schnell die Zähne, lege ein bisschen Make-Up auf und kämme meine Haare. Das dürfte eine neue Rekordzeit gewesen sein.

Pünktlich eine halbe Stunde später stehe ich vor der Haustür und Samu kommt genau in diesem Moment vorgefahren. Von innen öffnet er mir die Beifahrertür. Im Auto duftet es herrlich nach frischen Brötchen und Samu. Diesmal keine Umarmung. Er wirkt Angespannt und mein Herz schlägt immer schneller.

"Gut geschlafen?", fragt er mich. "Ja, du? Bist ganz schön zeitig wach.", stelle ich fest. "Ich konnte nicht gut schlafen." Das Gespräch hatte sich damit bis zu ihm nach Hause geklärt. Einfacher Smalltalk. Ich werde immer nervöser und ahne, dass unser Gespräch nicht gut enden wird. Bei ihm angekommen, gehen wir gleich in die Küche, wo der Tisch bereits gedeckt ist. In die Tasse, die auf seinem Platz steht, gießt er Kaffee. In meine Tee. Das scheint er sich gemerkt zu haben.

"Setz dich.", fordert er mich auf. Als wir beide sitzen, reicht er mir ein Brötchen und als er seins aufschneiden will, scheint es so, als ob er es sich doch anders überlegt hat und lässt Messer und Brötchen auf seinen Teller fallen. Dann sieht er mich an und sagt: "Anni, wegen dem Kuss..." Ich blicke von meinem Teller hoch, weil ich ihm erst nicht in die Augen sehe konnte oder wollte. "Ist schon ok." Ich lächle ihn gespielt an um ihn zu beruhigen und widme mich danach wieder meinem Brötchen. Ich hab auch einfach zu viel Angst, dass er jetzt etwas sagt, das mich verletzt. "Nein, nichts ist ok. Hör zu... Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll... Ich hab mich in den letzten paar Monaten nie so gut gefühlt wie in den Momenten, an denen ich mit dir zusammen war. Ich weiß nicht, was los ist. Ich kann es mir einfach nicht erklären." Er steht auf und ich lasse ihn nicht aus den Augen. Ich glaub, ich hab mich grade verhört. Er rennt quer durch die Küche, während er spricht und hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt.

"Die letzte Zeit war ziemlich anstrengend. Wir waren auf Tour und ich war die meiste Zeit einfach nur fertig. Also vor Müdigkeit... Ein Konzert zu spielen  ist das Beste, was dir als Musiker passieren kann und ich genieße jeden Moment auf der Bühne. Aber Hotels und Tourbus sind über einen so langen Zeitraum auch nicht unbedingt mein Ding. Ich hab mich einsam gefühlt... manchmal. Ok, ich hab die Jungs. Aber das ist nicht das, was ich meine. Es wäre einfach nur schöner und ich könnte es wahrscheinlich noch mehr genießen, wenn ich wüsste, dass zuhause eine Freundin auf mich wartet. In meiner Lage ist es aber einfach nur schwierig die Richtige zu finden. Ich weiß nie, warum jemand mit mir abhängen will... Weil ich 'berühmt' bin, wegen dem Geld oder meint er es wirklich ernst mit mir. Und bei dir war das anders. Du kanntest mich nicht. Mit dir fühl ich mich immer so richtig wohl... Und als es dann zu dem Kuss kam - Das geht mir einfach nicht aus dem Kopf."

Ich glaube meinen Ohren nicht. Das hat er grad nicht wirklich gesagt! Er steht gerade so, dass er mich nicht sehen kann. Ich stehe auf und lege meine Arme von hinten um ihn. Ich drücke ihn ganz fest an mich, atme seinen Geruch ein und bin einfach nur glücklich. Er dreht sich zu mir um und guckt mich verwundert an. Scheinbar hat er damit nicht gerechnet. "Ich bin so froh, dass du das grad gesagt hast.", sage ich leise. Das typische Samu-Grinsen erscheint auf seinem Gesicht und er ist sichtbar erleichtert.

Seine warmen Hände schließen sich um mein Gesicht und er beugt sich runter um mich küssen zu können. Mit meinen Armen drücke ich ihn immer noch fest an mich. Dieses warme Gefühl, dass ich auch schon bei unserem 1. Kuss hatte, macht sich wieder breit. Und dieses Mal flattern auch gefühlte hunderttausend Schmetterlinge in meinem Bauch.

Als wir uns von einander lösen sehen wir uns glücklich an und ich wiederhole noch einmal: "Ich bin wirklich froh, dass du das gesagt hast. Ich hatte Angst, dass du deshalb nichts mehr mit mir zu tun haben willst." "Mich kriegst du so schnell nicht los.", grinst er mich an und drückt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er fragt: "Frühstück?" Ich nicke und wir setzen uns um unser Frühstück fortzusetzen. Das Kribbeln in meinem Bauch hörte nicht mehr auf. Ich war einfach nur froh, dass er DAS gesagt hat und nicht "Sorry, Anni, eigentlich wollte ich das so nicht. Wir können uns nicht mehr sehen." Während des Essens lächelten wir uns immer wieder an. Ein Gespräch kam aber immer noch nicht wirklich zu Stande. Das fand ich jetzt aber nicht so bedrückend wie vorhin; jetzt war es gut. Irgendwas Simples hätte den Moment gerade vielleicht zerstört.

Wir räumen gemeinsam den Tisch ab. Samu macht leise Musik an und nimmt mich dann an die Hand um mich hinter sich her zum Sofa zu ziehen. Er setzt sich in die Ecke des L-förmigen Sitzmöbels und legt die Beine hoch. Ich setzte mich im Schneidersitz neben ihn.

"Ich dachte, du hast vielleicht eine Freundin und hast dich deshalb nicht mehr gemeldet.", platzt es aus mir heraus. Er sieht mich erschrocken an. "Ich würde meine Freundin niemals betrügen - heißt, ich hätte dich nicht geküsst." Dass ich nach seiner potenziellen Freundin gegoogelt hab, verschweige ich ihm lieber. Er lächelt mich versöhnlich an. "Ich wusste nicht, wie ich dir sagen soll, dass wir uns jetzt paar Tage nicht sehen können. Ich wusste ja auch nicht, wie du darauf reagiert hättest. Hätte dir ja auch total egal sein können. Ich hab's extra bis zum Schluss rausgeschoben, weil mich das schon traurig gemacht hat."

"Aber warum hast du dich nicht mal zwischendurch gemeldet?" Bei meinen Fragen komme ich mir etwas wie die eifersüchtige Ehefrau vor, aber wo ich jetzt schon einmal dabei bin. "Ich wollte ja wirklich, aber wir waren jeden Tag unterwegs. Interviews und so Zeug. Naja, und Riku - unser Gitarrist und mein bester Freund - hat grad ziemlich Stress mit seiner Frau. Und da Sami und Raul beide ebenfalls Beziehungen haben, hingen die schon ständig an Handy und Laptop um sich bei ihren Mädels zu melden, worüber Riku sich tierisch aufgeregt hat. Und wenn der einmal in Rage ist, sollte man ihn nicht provozieren. Ich wollte dann einfach für ihn da sein."

Er legt seine Hand auf mein Knie. "Tut mir leid." Doch statt einer Antwort beuge ich mich nach vorne und küsse ihn kurz auf die Lippen. Meine Fragerei war ja auch unangebracht.

Finnisch für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt