91) Die Gala

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Den Silvestertag verbringen wir nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Couch um Kraft für den Abend zu tanken. Es wird sicher lange gehen.

"Ich geh mich mal duschen und suche meine Sachen zusammen.", sage ich zu Samu, der abwesend mit seinem Handy spielt. Als Antwort kriege ich nur ein Brummen. Er wird später noch genug Zeit haben, um sich fertig zu machen, wenn ich bei Juulia bin. Ich dusche mich also und wasche mir die Haare. Ungeschminkt und in Jogginghose packe ich danach im Schlafzimmer alle Sachen zusammen, die ich brauche: die Schuhe, Tasche, den Schmuck, den ich tragen möchte, Kosmetiktasche, Haarbürste... Was frau halt so braucht. Das Kleid hänge ich zum Schluss von außen an den Kleiderschrank, damit ich es nicht vergesse.

Langsam wird es Zeit, dass wir uns auf den Weg machen. Im Wohnzimmer liegt Samu auf dem Sofa und ist tatsächlich eingeschlafen. Ich muss schmunzeln. So sieht er richtig friedlich aus. Ich würde ihn lieber schlafen lassen, aber dann komme ich zu spät. Ich hocke mich vor ihn und wecke ihn mit vielen kleinen Küssen. Verschlafen sieht er mich an: "Müssen wir schon los?" Ich nicke. Er rappelt sich auf, wuschelt sich kurz durch die blonden Haare und streckt sich nochmal. "Na dann los."

Da der Weg nicht weit ist, sind wir schon kurz darauf am Ziel angekommen. "Danke für's Fahren, bis später!", verabschiede ich ihn und küsse ihn liebevoll. "Bis dann, macht euch hübsch.", grinst er. Ich nehme den Kleidersack und die gepackte Tasche vom Rücksitz bevor er los fährt und drücke auf die Klingel. Nach kurzem Warten öffnet mir Raul die Tür.  "Hi! Lass dir gleich mal was abnehmen.", lacht er. und nimmt mir das Kleid aus der Hand. Drinnen bekomme ich noch ein Küsschen auf die Wange zur Begrüßung. Er geht vorneweg in die Wohnküche, wo auch schon Juulia und Laura warten.

"Hallo Mädels!" "Anni, hi!" Sie kommen auf mich zu und nehmen mich nacheinander in den Arm. "Leg deine Sachen einfach erstmal da rüber.", Juulia deutet auf die große Couch. "So, und du, mein Schatz, lässt uns jetzt alleine und machst irgendwelche... Männersachen oder sowas." Raul wird regelrecht von seiner Freundin raus geschmissen. Er lacht und hebt abwehrend die Hände: "Ist ja schon gut. Bin schon weg."

Kurze Zeit später trudelt auch noch Suzanna ein. Wieder einmal sitzen wir um die Kochinsel herum. "Ich hab da mal noch was vorbereitet..." Juulia öffnet den Kühlschrank und hält uns grinsend eine Flasche Sekt und für Suzanna eine Flasche Saft entgegen. Gut gelaunt stoßen wir an. "Auf uns!", spricht Laura einen kleinen Toast aus.

"Hätten wir Osmos Freundin... wie hieß sie noch gleich?...Tarja? Hätten wir sie vielleicht nicht auch einladen sollen? Ich meine, sie kennt uns ja noch gar nicht und später ist sie ja dann auch dabei.", überlegt Laura laut. "Sei bloß froh, dass die nicht da ist. Ich durfte sie gestern schon kennenlernen. Mir graut es schon vor heute Abend.", rutscht es mir ein bisschen ehrlicher als beabsichtigt raus. "Wieso denn das?", wundert sich Suzanna. Ich fasse ihnen also Tarjas gestrigen Auftritt zusammen, als ich am Ende angekommen bin, sind die Mädels auch voll auf meiner Seite. "Sowas hätte ich ja nie von Osmo erwartet. Das geht ja gar nicht! Und außerdem hallo? Denkt sie, du willst Samu gleich ein Kind unterschieben, oder was?", Suzanna ist richtig böse geworden während meiner Erzählung. "Genau das habe ich zu Samu auch gesagt! Aber er fand sie ja soooo nett, genau wie die anderen. Wenn ihr gehört hättet, wie die den Jungs Honig ums Maul geschmiert hat!", rege ich mich auf. "Also eins steht fest: heute Abend hat sie sich zu benehmen. Wir sind schließlich zu viert und lassen uns den Abend definitiv nicht verderben!" Laura hebt ihr Glas, um ihre Aussage zu unterstreichen. Wir stoßen noch einmal an und trinken.

"Wir sollten langsam anfangen uns fertig zu machen, oder?", mahnt Laura nach einem Blick auf die Uhr. Wir ziehen auf's Sofa um und beginnen uns zu schminken. Juulia hat scheinbar sämtliche Spiegel, die sie im Haus hat, schon im Vorfeld im Wohnzimmer aufgebaut. Wir haben richtig viel Spaß, tauschen die Kosmetika untereinander und helfen uns gegenseitig. Das Thema Tarja kommt zum Glück nicht mehr auf den Tisch.

"Jetzt bräuchte ich mal eure Hilfe.", Suzanna hält unsicher ihr Kleid hoch. "Mit dem Bauch ist das nicht so einfach." Juulia, Laura und ich sind schon komplett fertig. Gemeinsam helfen wir noch Suzanna. Das Kleid lässt sich dank der Schnürung am Rücken perfekt auf die nun größere Körpermitte anpassen. "Puh, im Laufe des Abends muss mir das sicher mal einer wieder lockerer machen. Spätestens wenn der Zwerg anfängt zu turnen oder nach dem Essen.", lacht sie und hält sich dabei den Bauch.

Gerade als wir fertig sind, klopft es an der Wohnzimmertür. "Seid ihr fertig? Die Jungs sind da.", Raul traut sich scheinbar gar nicht mehr rein, nachdem er vorhin rausgeschickt wurde. Wir werden mit dem Taxi zur Festhalle fahren und Samu, Riku und Sami wollten hier einen kurzen Zwischenstopp einlegen, um uns abzuholen. Juulia lacht: "Ihr könnt rein kommen." Die Tür öffnet sich und vor uns stehen vier Finnen im Anzug, der sie unglaublich gut kleidet. Ich kann meine Augen aber nicht von Samu lassen. Unter dem schwarzen Jackett trägt er die passende Weste und ein weißes Hemd. Er sieht wahnsinnig gut aus. Wenn wir jetzt keinen Termin hätten und alleine wären, könnte ich wahrscheinlich nicht an mir halten. "Wow, eine hübscher als die andere!", stellt Riku fest, bevor er seine Freundin auf den Mund küsst. Auch Samu zieht mich nah an sich und murmelt: "Aber du bist die Schönste von allen." In meinem Bauch macht sich ein Kribbeln breit und ich bin einfach nur glücklich, das Jahr mit ihm an meiner Seite ausklingen lassen zu können. Wir küssen uns liebevoll, bis wir von Raul zurück ins Hier und Jetzt geholt werden. Er klatscht in die Hände: "So Leute, auf geht's."

Vor der Tür warten zwei Taxis auf uns, mit denen wir zur Festhalle fahren. Während der ganzen Fahrt hält Samu meine Hand und wir lächeln uns immer wieder glücklich an. Ich freue mich auf den Abend.

Endlich angekommen gehen wir durch den Hintereingang direkt in die Garderobe. Heute müssen wir zwar nicht wegen der Fans aufpassen, da die Veranstaltung nur für geladene Gäste ist, aber bereits in der Eingangshalle hielten sich einige Journalisten auf. "Samu, ich bin etwas aufgeregt.", gestehe ich ihm. Er nimmt meine Hände in seine. "Brauchst du nicht. Du musst keine Fragen beantworten, wenn du nicht möchtest. Lass mich einfach reden. Über Privates spreche ich doch sowieso nicht. Deinen Namen habe ich im Interview schon genannt und mehr Infos wird es auch heute nicht geben, ok?" Er lächelt mich ermutigend an. "Außerdem siehst du toll aus. Das werden schöne Bilder von uns." "Danke.", flüstere ich schon fast. Er schafft es immer das Richtige zu sagen.

"Wo bleibt denn Osmo?", Mikko ist inzwischen dazugestoßen und sieht nervös auf seine Uhr. Das ist eigentlich gar nicht Osmos Art. Meist ist er sogar der erste, der bei Treffen da war. Wie auf Kommando stand er dann aber in der offenen Tür. "Hast du's dann doch mal geschafft?", herrscht Mikko ihn gleich ein, bevor er selbst auch nur irgendetwas sagen konnte. Wenn es etwas gab, bei dem Mikko kein Pardon kannte, dann war es Unpünktlichkeit. Als Tarja aber hinter Osmo den Raum betritt, hat er seine Wut gleich vergessen. Sie streckt ihm die Hand hin, um ihn gleich für ein Küsschen an sich zu ziehen: "Hi, ich bin Tarja." Zu ihm ist sie natürlich wieder besonders freundlich, genauso wie zu allen anderen. Bis auf Suzanna, die sie argwöhnisch wegen ihres Bauchs mustert, und mich hat sie alle zur Begrüßung umarmt.

Eins muss man ihr aber lassen. Sie sieht wahnsinnig gut aus. Ihre langen Haare hat sie im Nacken zu einem Dutt zusammengebunden und das Make Up hat mit Sicherheit ein Profi gemacht. Ihr langes schwarzes Kleid saß wie eine zweite Haut. Das haben natürlich auch die Jungs bemerkt. "So, wollen wir mal, was?", Sami fand zuerst seine Worte wieder. Er nimmt Suzanna an die Hand und läuft vorne weg in den Saal.

Wir gehen zu einem der runden Tische, der für uns reserviert ist und nehmen Platz. Mikko sitzt nicht mit bei uns. Er teilt sich einen Tisch mit Produzenten und anderen Managern. Ich sitze zwischen Samu und Riku. Was mir aber irgendwie nicht so richtig passt, ist, dass auf Samus anderer Seite Tarja sitzt und sofort ein Gespräch mit ihm anfängt. Sie tut mir etwas zu vertraut mit ihm, das werde ich wohl etwas im Auge behalten. Ich weiß noch nicht, was das soll.

Osmo wirkt neben ihr reichlich unentspannt und unsicher. So kenne ich ihn eigentlich überhaupt nicht. Er beteiligt sich auch grad an keinem Gespräch. So wirklich geheuer ist mir das mit den beiden nicht.

Wir sind noch nicht lange da, als der Organisator der Gala auf die Bühne tritt und alle Gäste begrüßt. So wird das Gespräch zwischen Tarja und Samu wenigstens für einen Augenblick unterbrochen. "Alles in Ordnung?", fragt er mich und drückt meine Hand. Ich nicke nur und lächle ihn an.

Der nächste Punkt des Abends ist auch schon das Drei-Gänge-Menü. Das Essen wird von einem Klavierspieler begleitet. Es ist alles so stilvoll und edel. Dank meinem Äußeren, was mir heute enorm viel Selbstbewusstsein verschafft, fühle ich mich aber nicht fehl am Platz. Solche Veranstaltungen bin ich ja nun noch gar nicht gewohnt.

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