Dreizehn

5.4K 165 5
                                    

Dhalia || 》21.12.17《 ||

Mehr als eine Woche war nun seit dem Vorfall vergangen.
Zum Glück wurde ich in den letzten Tagen weder verfolgt, noch belästigt und musste auch keine weiteren Alpträume über mich ergehen lassen.
Mittlerweile habe ich sogar eine neue Therapeutin, Mrs. Fray, die mir von Anfang an sympathisch war und mit der ich mich auch gerne unterhielt.
Mein privater Unterricht verläuft bisher auch ganz gut und wenn es so wie jetzt weiter gehen sollte, könnte es sein, dass ich bald eine öffentliche Schule besuchen darf, um mit dem diesjährigen Abijahrgang meinen Abschluss zu machen.

Ich hab sogar ein Mädchen in meinem Alter kennengelernt, die auf die Rigston High geht.
Die einzige öffentliche High School hier in Rigston, die zum Glück relativ zentral liegt.
Das Mädchen namens Riley ist im diesjährigen Abschlussjahrgang und hat vor circa einer Woche bei uns angefangen zu arbeiten. Trotz ihrer anfänglichen Schüchternheit, verstanden wir uns wirklich gut und waren nach wenigen Tagen auch schon kaum zu trennen.

Auch heute konnte ich es kaum erwarten wieder arbeiten zu gehen und war überglücklich, als es kurz vor drei war.
Im Café angekommen umarmten Riley und ich uns und knuddelten einander, weshalb unsere Kolleginnen lachend ihre Köpfe schüttelten.

"Jetzt ist das Duo komplett, nh?", sagte Jenni und umarmte mich ebenfalls zur Begrüßung.
Nachdem ich auch den Rest begrüßt hatte, verließen alle den Raum, sodass Riley und ich alleine waren.

"Ey Lia, hast du schon gehört, was in der letzten Nacht passiert ist?", sprach Riley nun etwas leiser und sah vollkommen ernst aus.
Verwirrt runzelte ich die Stirn.

"Hm, nein. Was war los?", antwortete ich ihr und verschloss meine Tasche in meinem Schließfach.

"Letzte Nacht gab es eine Schießerei im Park an der Slayton
Street. Man geht davon aus, dass Drogendealer unterwegs waren und deren Geschäft nicht so verlaufen ist, wie eigentlich geplant. Laut einigen Zeugen sollen es aber mehrere gewesen sein und es gab anscheinend eine heftige Diskussion.", erzählte sie mir aufgeregt.

"Oh Gott, gab es Verletzte? Und, woher weißt du das alles?", fragte ich nach und hob erstaunt meine Augenbrauen.

"Mein Dad ist ein Cop, deswegen weiß ich das. Und ja, es soll wohl Verletzte gegeben haben, da man dort Blut gefunden hat.
Momentan versucht man herauszufinden, wessen Blut das ist.", sagte Riley und schaute gegen Ende etwas besorgt.

Wir beide sprachen nicht mehr darüber und machten uns wieder an die Arbeit.
Um 19:00 Uhr begann meine Schicht an der Theke, weshalb ich mich dort hinstellte und die Bestellungen aufnahm.
Ich machte grade hochkonzentriert einen Kaffee und ließ mir etwas Zeit dabei, da es heute ohnehin nicht so voll war und wir in der letzten halben Stunde keine neuen Kunden bekommen haben.
Die Klingel an der Theke läutete plötzlich zwei Mal, weshalb ich mich erschreckte und dabei etwas Kaffee verschüttete.
Fluchend drehte ich mich um und nur beim Anblick seines Gesichts lief mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

"Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken, Dhalia", entschuldigte er sich und lächelte mir zu.

"Oh, ähm...ist nicht so schlimm. War ja nicht Ihre Schuld, Mr. Flester", antwortete ich ihm.

"Äh...was möchten Sie bestellen?", fragte ich daraufhin und hoffte darauf, dass er etwas zum mitnehmen bestellt und nicht zum hier essen bzw. trinken.

"Einen Latte Macchiato ohne Zucker und ein Stück Schokokuchen."

"Zum mitnehmen?", fragte ich und schrieb seine Bestellung auf mein kleines Notizblock.

"Nein.", aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass er all meine Bewegungen aufmerksam beobachtete.

"Okay, dann können Sie sich schon mal hinsetzen. Ihre Bestellung wird Ihnen gleich gebracht", ließ ich ihn wissen und mit einem Nicken nahm er an einem freien Tisch Platz.

Riley stand kurze Zeit später neben mir und tat so, als würde sie arbeiten.

"Hast du nicht Pause?", flüsterte ich unauffällig.

"Doch, aber der Typ an Tisch 5 starrt dich die ganze Zeit an. Er lässt dich wirklich keine einzige Sekunde aus den Augen.", sprach sie.
Meine Augen weiteten sich kurz und mein Körper spannte sich an.

"Oh Gott", konnte ich nur sagen und war wirklich geschockt.

Jenny kam dann ebenfalls rein und stellte sich an die Theke, weshalb auch sie einen verwirrten Blick meinerseits erntete.

"Ich übernehme dann mal, deine Schicht ist um.", sagte sie zwinkernd und drückte mir einen Zettel in die Hand.
Riley zeigte mir mit einer Handbewegung ihr einfach zu folgen, was ich dann auch tat.
Sie öffnete die Tür, die zum privaten Bereich führte und ließ mich den Raum betreten.

"Also, was ist los?", fragte ich sie und war immer noch verwirrt.

"Das gleiche könnte ich dich fragen. Wer ist dieser Typ?", fragte sie mich besorgt.

"Mein..äh..Ex-Therapeut", antwortete ich ihr ehrlich. Sie schien aber nicht mehr nur besorgt, sondern auch zu tiefst verstört.

"Hattest du was mit deinem Therapeuten??", fragte sie direkt und starrte mich geschockt an.

"Was? Nein!"

"Puhh, ich dachte schon! Aber das klärt trotzdem nicht die Frage, warum der dich mit seinen Blicken schon beinahe auszieht. Ich mein okay, er sieht nicht schlecht aus und so, aber es ist trotzdem komisch.", sie zuckte mit ihren Schultern.

"Keine Ahnung. Ich hab direkt bei der ersten Sitzung gemerkt, dass etwas nicht ganz in Ordnung mit dem ist und habe dann meinen Therapeuten gewechselt.", erklärte ich und war froh, dass sie keine näheren Fragen stellte.

"Hmm, dann müssen wir das eben herausfinden."

"Okay, du Sherlock. Wie sollen wir vorgehen?", lachte ich und fing mir einen bösen Blick von ihr ein.
Plötzlich grinste sie breit und rieb ihre Handflächen aneinander.
Ich hob eine Augenbraue und musste feststellen, dass sie eindeutig langsam den Verstand verliert.

"Du, meine Liebe, gehst ihm jetzt seine Bestellung bringen.", während sie sprach schubste sie mich zur Tür und legte eine Hand auf die Türklinke.

"Spinnst du? Dieser Typ ist gruselig!", versuchte ich sie umzustimmen, doch sie grinste nur.

"Er wird dich schon nicht entführen oder so, also hopp hopp.", sie gab mir das Tablett mit seinem Kaffee und einem Stück Kuchen und ich hatte nun auch keine andere Wahl, als es ihm zu bringen.

Langsam lief ich auf ihn zu, er bemerkte mich jedoch noch nicht. Konzentriert schaute er nämlich auf sein Handy und hatte die Stirn gerunzelt. Sein Gesicht hatte momentan angespannte Züge, sodass die Konturen seines Kiefers gut zu erkennen waren.

Ich blieb an seinen Tisch stehen und stellte das Tablett mit einem Lächeln ab. Dabei musste ich mich etwas vorbeugen und diese Gelegenheit nutzte er, um mir in meinen Ausschnitt zu schauen.
Als ich wieder gerade stand, lehnte er sich nach hinten und sah mir grinsend in die Augen.

"Dankeschön.", sagte er.

"Kein Problem.", antwortete ich und ging dann wieder zurück zur Theke. Mein Rücken schien unter seinem Blick zu brennen und das nicht auf einer angenehmen Art und Weise.

Um neun verabschiedeten Riley und ich uns von den anderen und verließen das Café.
Ich wartete mit ihr noch einige Minuten vor dem Café, als dann auch schon ihre Mutter kam.

"Sicher, dass wir dich nicht mitnehmen sollen?", fragte mich Riley, doch ich lehnte mit einem Kopfschütteln ab. Seufzend stieg sie ein und ich machte mich ebenfalls auf den Weg nach Hause.

AmnesiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt