Kapitel 2 - Die Ruhe vor dem Sturm

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Als Lydia nach dem Duschen, im Schlafanzug bekleidet, ins Esszimmer kam, saß ihre Mutter bereits beim Essen.

Es gab Spaghetti Bolognese, eines von Lydias Lieblingsgerichten. Eine große heiß dampfende Schüssel mit Nudeln drin und ein Topf mit der Soße standen auf dem Tisch.

"Was macht dein Fuß?" fragte Lydias Mutter sie beim Hinsetzen.

"Er tut noch immer sehr weh" sagte Lydia, das war nicht ganz die Wahrheit, er tat zwar noch weh aber nicht 'sehr'.

Doch irgendwie war Lydia nach ein wenig Mitleid zumute, außerdem hoffte sie so irgendwelcher Hausarbeit aus dem Weg gehen zu können.

"Du musst den Fuß hochlegen" sagte ihre Mutter und schob ihr einen Stuhl zurecht auf den sie ein Kissen legte.

"Warum ? Was ist der Sinn davon?" wollte Lydia wissen während Sie ihren Fuß auf das Kissen legte. Ihre Mutter war Krankenschwester und Lydia hatte schon einiges von ihr gelernt, z.B. wie man eine gute Bandage macht, doch bei den meisten Dingen fehlte Lydia das Hintergrundwissen.

"Damit die Schwellung abklingt muss das Blut aus dem Fuß fließen, und das tut es wenn du den Fuß hochlegst." erwiderte ihre Mutter.

Lydia fand die Stellung ziemlich unbequem, so halbrechts am Tisch sitzen zu müssen, das rechte Bein ausgestreckt auf dem Stuhl, doch nun musste sie ihre wehen-Fuß Geschichte durchziehen.

Lydia schaufelte sich gerade eine Zange Spaghetti auf den Teller als ihr Blick auf ein Schmucketui fiel das neben ihrem Teller lag.

Das Etui sah edel aus, ganz in blau mit einem goldenen Rand.

"Was ist das?" fragte sie ihre Mutter.

"Iss erstmal" sagte diese doch Lydia hatte das Etui bereits in ihrer Hand und öffnete es.

Darin befand sich ein goldener Anhänger an einer goldenen Kette. Der Anhänger sah aus wie ein plattgedrückter Tennisball und hatte an der Seite einen kleinen Verschluss. Der Ball ließ sich aufklappen.

Lydia öffnete ihn vorsichtig. Das Bild eines kahlköpfigen, bärtigen Mannes kam zum Vorschein der freundlich lächelte.

Einige Sekunden starrte Lydia auf das Bild, dann klappte sie wortlos den Anhänger zu und warf ihn achtlos ans Tischende.

Sie hörte ihre Mutter leise seufzen.

"Er kommt also nicht" sagte Lydia ziemlich emotionslos und fing an Bolognese Soße über die Spaghetti auf den Teller zu klatschen.

"Es tut ihm leid" sagte ihre Mutter mitfühlend, "aber er hat dir das geschickt damit du siehst das er trotzdem an dich denkt und zumindest ...irgendwie doch dabei sein will".

Lydia schnaubte verächtlich. Sie war maßlos enttäuscht doch das Gefühl kannte sie bereits zu gut um noch irgendetwas dabei zu empfinden.

"Es kam ihm kurzfristig etwas dazwischen, er konnte es nicht ändern" verteidigte Lydias Mutter ihren Mann.

Lydias Vater war LKW Fahrer und die ganze Woche auf Achse. Im Allgemeinen war er am Wochenende zuhause doch in den letzten Monaten hatte er weite Touren zu fahren und kam manchmal erst nach 3 Wochen zurück.

Vor einigen Jahren, als Lydia etwa 10 Jahre alt war und Schulferien hatte, durfte sie mitfahren. Sie fand es toll, nur sie und ihr Vater zusammen auf ‚Weltreise', auch wenn sie maximal nur bis Frankreich kamen.

Die engen Terminpläne ließen dann aber nicht viel Sightseeing oder andere spaßige Aktivitäten zu und so saß Lydia schon nach kurzer Zeit gelangweilt im LKW. Es war zwar schön mit ihrem Vater zusammen zu sein aber auf Dauer doch sehr eintönig.

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