Teil 13

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Xayra

Man muß das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.
-Hermann Hesse

Betrogen und Belogen. Alles wegen meiner eigenen Dummheit.
Wie kann eine Rebellin, die schon ihr ganzes Leben lang gegen das Regime kämpft nicht bemerken, wenn der verdammte Prinz direkt vor ihr steht?!
Das scheint mir ja beinahe wie aus einem schlechten Buch...
Genervt tippe ich mit meinen Fingern auf den Tisch. Es macht mich noch wahnsinnig nichts tun zu können. Seitdem Drake in unserem Keller in einer Zelle sitzt, bin ich nur hier herumgesessen und habe Mitchel und seinem Bruder, Taylor, beim entschlüsseln zugeschaut.
Das geht jetzt schon ganze zwei Tage so.
Drake hat anscheinend nach mir gefragt, doch ich bin kein einziges Mal zu ihm gegangen.
Ich weiss nicht was ich täte, wenn ich jetzt zu ihm ginge. Ich bin wütend und enttäuscht, aber das merkwürdigste ist, dass ich immer noch irgendwie das Gefühl habe, ihm vertrauen zu können. Immerhin hat er mir nie wirklich einen Grund gegeben ihm nicht zu vertrauen, im Gegenteil hat er sogar ziemlich hart für meine Gunst gearbeitet und nie locker gelassen. Andererseits erklärt sich seine angebliche Faszination von mir und den Rebellen dadurch, dass er eben ein Spion des Königs ist. Wieso sollte er es auch nicht sein, schliesslich ist er sein Sohn. Alles spricht gegen ihn und dennoch werde ich dieses Gefühl nicht los... Wie wahrscheinlich ist es, dass sich ein Prinz gegen seine eigene Familie und unbeschwerte Zukunft stellt, um bei Rebellen mitzumachen?
Ich stöhne entnervt auf. Diese Gedanken machen mich noch irre.
„Wie weit seid ihr, Jungs?" frage ich die Acer-Brüder, im Versuch mich nicht mehr länger mit diesen verwirrenden Gedanken zu plagen.
„Naja könnte besser laufen." meint Mitchell während er in einem dicken Buch nach etwas sucht.
Wie erwartet bekomme ich von Taylor keine Antwort. Er redet nicht viel, aber scheint trotzdem alles zu beobachten. Er ist auch nicht gerade die angenehmste Gesellschaft. Anstand ist für ihn etwas Überbewertetes. Jedoch ist er, wie sein älterer Bruder, ein überaus begabter Entschlüssler. Er ist noch nicht solange dabei, hat aber immer gute Arbeit geleistet. Trotzdem vertraue ich ihm nicht.
Also wieso habe ich kein Vertrauen in Mitchells Bruder, aber dafür in einen Prinzen mit zu viel Selbstvertrauen?
Bevor ich mir erneut den Kopf darüber zerbrechen kann, stürmt Troy in den Raum.
„Ich wurde heute schon wieder  kontrolliert." sagt er genervt, als er sich seinen Umhang auszieht.
„Das ist nun schon der dritte Tag infolge." bemerke ich nachdenklich. Auch schon in den letzten zwei Tage, seitdem wir Drake gefangen genommen haben, hat Troy von übermässig vielen Kontrollen durch die königlichen Wachen geredet.
„Denkt ihr, es ist wegen ihm?" beteiligt sich Mitchell plötzlich an unserem Gespräch.
„Ja, wieso denn sonst?" Antworte ich gleichzeitig wie Troy.
„Er ist der Sohn vom König, wahrscheinlich ist die Suche nach ihm momentan die oberste Priorität im Königreich." fügt der blondhaarige Mann noch hinzu.
In dem Moment kommt mein Vater ins Zimmer. Er war bis eben noch bei Drake, um ihn zu verhören.
„Hat er endlich etwas gesagt?" will ich wissen, woraufhin er verneinend seinen Kopf schüttelt.
„Er gibt nur ein paar blöde Kommentare von sich und die meiste Zeit verlangt er nach dir."
Er will also immer noch mit mir sprechen...
Schwungvoll stehe ich auf und laufe in die Küche. Dort schnappe ich mir ein Tablett und lege ein Stück Brot, einen Apfel und ein Glass Wasser drauf.
„Was hast du vor Xayra?" fragt mich Troy vom Wohnzimmer aus.
„Ich bringe unserem Gefangenen sein Essen und wer weiss, vielleicht erzählt er ja mir etwas Nützliches." antworte ich und laufe mit dem Tablett die Treppe runter in den Keller, der offiziell gar nicht existiert.
Ich nähere mich entschlossen der Zelle und der Person, die sich dort befindet.
Drake sitzt ganz hinten im Kleinen Raum und hat dem Rücken an die Wand angelehnt. Seine Augen sind geschlossen und er sieht aus, als würde er schlafen.
Seine Kleidung ist mittlerweile ganz dreckig. Auch seine Haare fallen ihm komplett zerzaust ins Gesicht, was ihn nebenbei nicht unattraktiver macht.
Beim Nähren betrachten, fallen mir die ganzen Schrammen auf seiner Haut auf. Zudem hat er auch ein blaues Auge bekommen.
Ich knie nieder und schiebe das metallene Tablett unter den Gitterstäben hindurch in seine Zelle.
Durch das Geräusch auf mich aufmerksam geworden, öffnet Drake seine goldenen Augen. Als er mich erblickt, bildet sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen.
„Also hast du mich doch erhört, meine kühne Schönheit?"
Ich antworte nichts darauf, stattdessen frage ich ihn: „Was hast du alles verraten?"
Auf meine Frage hin, ändert sich seine Stimmung komplett. Der vorhin noch amüsierte und trotz seiner Lage unbekümmerte Mann, wirkt auf einmal wütend und enttäuscht.
„Denkst du wirklich, dass ich dich verraten würde, Sonnenschein?" fragt er bitter nach.
„Wieso solltest du es nicht tun? Du bist der verfluchte Prinz! Du bist der Sohn des Königs!" rufe ich aufgebracht.
„Na und? Ich bin ihm scheissegal! Er ist wahrscheinlich sogar froh, dass ich endlich weg bin." meint er emotionslos.
Wütend fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. Will er mich für dumm verkaufen?
„Im gesammten Salix-Viertle wimmelt es nur so von Wachen. Denkst du ich kaufe dir ab, dass sie nicht nach dir suchen?"
Plötzlich fängt er laut und ironisch an zu lachen. „Du glaubst wirklich, dass sich mein Vater um mich kümmert." stellt er immer noch lachend fest. „Es tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, meine Schöne, aber diese Wachen waren schon vor meiner Gefangennahme überall." sagt Drake halb amüsiert und halb ernst. „Und bevor du fragst; Nein, ich habe keine Ahnung, wieso sie hier sind. Wahrscheinlich hat mein Vater nun auch noch das letzte bisschen klaren Verstand verloren." fügt er noch schulterzuckend hinzu.
Ich mustere ich zweifelnd.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dem König so egal ist, wie er es mir weiss machen will. Aber irgendetwas sagt mir, dass er nicht lügt.
Wieso verdammt nochmals habe ich anscheinend das Bedürfnis ihm vertrauen zu können?!
„Komm schon, Sonnenschein, du musst mir glauben, dass ich dich niemals verraten würde." sag Drake und erhebt sich vom Boden.
In nur wenigen Schritten steht er direkt vor der Tür. Mit seinen Händen umfasst er jeweils eine der eisernen Stangen.
„Es war ernst gemeint, als ich sagte, dass ich den Rebellen beitreten will." meint er und sieht mir mit seinen schönen goldenen Augen direkt in meine blauen.
„Du würdest deinen eigenen Vater verraten?"
„Mit grossem Vergnügen."
Ich schweige einen Moment nachdenklich.
„Du kannst ihn nicht ausstehen." stelle ich fest.
„Das, meine Liebe, ist noch ziemlich untertrieben." sagt er und seine Stimme trief nur so vor lauter Hass.
Er ist immer sofort eiskalt wenn er vom König spricht. Seine Augen verlieren jegliches funkelt und seine Mimik wird steinhart. So etwas kann man nicht vortäuschen.
Er verabscheut Gregory Beaufort, den König von Aronia, regelrecht.
Aber ich bin nicht dumm genug, um nochmals den selben Fehler zu machen und ihn nicht noch weiter zu hinterfragen.
„Du magst vielleicht deine Vater gegenüber nicht loyal sein, aber er wird nicht für immer König bleiben."
Verwirrt mustert mich der goldäugige Mann hinter Gittern. „Was willst du mir damit sagen? Das es keine Unsterblichkeit gibt?" fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Wie sieht es mit deiner Loyalität für die Elite aus? Kämpfst du für sie oder würdest du den Rest des Adels und deinen Bruder, den Thronfolger, auch einfach so verraten?"
Er lacht leise auf und seine Augen funkeln wieder so lebendig, wie sie es sonst immer tun.
„Ich mag zwar der Prinz von Aronia sein, aber ich gehöre definitiv nicht zur Elite."
Skeptisch ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe, da seine Aussage keinen Sinn ergibt.
„Ich habe den grössten Teil meines Lebens beim normalen Volk verbracht. Ich habe zusammen mit Bauern, Arbeitern, Bettlern und allerlei anderen Bevölkerungsgruppen getanzt, gelacht, gekämpft, getrunken, gestritten, gefeiert und mich mit ihnen unterhalten. Du fragst, wem meine Loyalität gilt? Ich kämpfe lieber auf deiner Seite für diejenigen , die es selber nicht tun können, anstatt die zu verteidigen, die die Grausamkeit des Königs, zu ihrem eigenen Vorteil, einfach übersehen. Deshalb mein Sonnenschein, habe ich kein Interesse daran auf irgendein Bankett zu gehen, ich breche viel lieber mit einer schönen Frau in die Militärbasis von Fernil ein."
Als er fertig gesprochen hat, bildet sich wieder sein übliches Grinsen auf seinen Lippen.
Ich weiss, dass er nicht lügt.
Fragt mich nicht woher, aber irgendwie weiss ich es einfach.
Aus irgendeinem Grund hat er diese merkwürdige Wirkung auf mich. Er lässt mich anders denken, handeln und fühlen.
Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt.
Normalerweise würde ich ihm kein Wort glauben. Ich würde ihn mit Freude hier unten verrotten lassen und ich wäre wahrscheinlich nicht einmal hier her gekommen, um ihn zu sehen.
Aber bei ihm ist alles anders.... irgendwie.
„Sie werden dir niemals wirklich vertrauen." spreche ich die Tatsache aus, dass er für meinen Vater und alle anderen Anhänger dieser Rebellion für immer den Feind verkörpern wird. Dabei ist es egal, was er macht, er wird sie nie vom Gegenteil überzeugen können.
„Es reicht mir, wenn nur du mir vertraust." spricht er ehrlich.
Ich seufzte einmal laut auf und lasse mir meine nächsten Worte noch einmal gut durch den Kopf gehen.
„Ich werde mit ihnen sprechen, aber ich kann dir nichts garantieren." meine ich zögerlich.
Überrascht sieht Drake mir in die Augen.
Anscheinend hat er nicht damit gerechnet, dass ich mich tatsächlich für ihn einsetzten werde. Naja, ich bin selber überrascht, wieso ich das Risiko eingehe, ihn zu beschützen.
„Danke, dass du an mich glaubst, mein Sonnenschein."
Er streckt eine Hand durch die Gitterstäbe und legt sie sanft auf meine Wange. Sofort spüre ich ein angenehmes kribbeln auf meiner Haut. Erschrocken über das neuartige Gefühl, schüttle ich seine Hand schnell wieder ab.
Daraufhin glaube ich für einen Moment so etwas wie Enttäuschung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Bevor er aber etwas sagen kann, gehe ich einen Schritt auf ihn zu.
Nun ganz nahe bei ihm, blicke ich ihm bedrohlich in die Augen.
„Solltest du mein Vertrauen missbrauchen und mich verraten, Drake, dann schwöre ich bei allem was mir heilig ist, dass du dir wünschen wirst, mich niemals kennengelernt zu haben."
Als ich fertig gesprochen habe, trete ich wieder von der Zelle weg und mache mich langsam auf den Weg zurück ins Wohnzimmer.
„Ich werde dich nicht Verraten, Sonnenschein." ruft er mir fröhlich hinterher.
„Das will ich auch hoffen, denn sonst werde ich dein Leben zur Hölle machen." versprechen ich ihm und laufe die letzten Stufen der Treppe hoch.

XayraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt