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Nach wenigen Schritten sehe mich meinem Leben gegenüber. Meinem Leben, das in Form all meiner Habseligkeiten über den Bürgersteig verstreut liegt.

Vielleicht ist das alles ein Zeichen, mal wieder einen Neufanfang zu wagen? Ich setze mich auf die Stufen des Mietshauses, inmitten meines Krempels und denke über mein Leben nach. Und mit Leben mein ich diesmal weniger das Streugut vor mir, sondern meinen minder erfolgreichen Werdegang des letzten halben Jahres.

Ich packe meinen Rucksack, der unweit von mir liegt und werfe die paar Dinge rein, die mir am Wichtigsten erscheinen. Den Schlafsack, meinen iPod, einen warmen Pullover und eine Jacke, ein paar Unterhosen und um das Wichtigste nicht zu vergessen, meine Cigar-Box-Gitarre. Das wär's!

Die größere Reisetasche wird mit nicht minder wichtigem Inhalt befüllt, bestehend aus meiner CD-Sammlung, etwas Papierkram, meinen Lieblingsbüchern und diversen Klamotten.

Den Rucksack auf dem Rücken, die Reisetasche und die akustische Gitarre in der Hand, lasse ich den restlichen Trödel hinter mir und betrete Kerems Kioskladen, gleich neben meinem, nun ehemaligen, Wohnhaus.

„Hi Kerem. Kannst du diese Tasche und die Gitarre ein paar Tage für mich aufbewahren?"

„Na, Samuel? Ärger im Paradies? Was hast du angestellt?"

Kerems Kugelbauch hüpft, amüsiert über mein Leid, rauf und runter, während ihm sein Mund Konkurrenz macht, indem er sich von einem Ohr zum andern verzieht. Mein Amüsement, über meine missliche Lage, hält sich jedoch in Grenzen und ich bemühe mich, seinen geistreichen Kommentar zu ignorieren.

Aber da Kerem an sich kein übler Kerl ist, erklärt er sich bereit, auf meinen Kram aufzupassen.

„In einer Woche spätestens, hol ich die Tasche wieder ab. Versprochen!"


Zwei Straßen weiter liegt mein nächstes Ziel.

Der Idaplatz in meiner Geburtsstadt Zürich, verkörpert für mich ein Stück Heimat. Die Erinnerungen, die dieser Ort hervorruft, sind fast ausnahmslos gut. Hier habe ich Silvester vor ein paar Jahren mit meiner besten Freundin zu „Sweet Dreams" über den Kies getanzt, Geburtstagspartys bei Kälte, Kaffee mit Schnaps und Petanque gefeiert oder auch nur mit Freunden im „Calvados", einem der anliegenden Lokale, bis spät in die Nacht geplaudert.

Mit dem Bier, das ich bei Kerem gekauft habe, in der Hand, stehe ich auf dem Platz und lasse mir die heutigen Geschehnisse durch den Kopf gehen.

Die Wüste, in die mich Maja geschickt hat, ist ganz okay für mich, wie ich erstaunt feststelle. Unser Zusammenleben hat sich meinerseits eher auf den Versuch, es ihr Recht zu machen beschränkt, als dass es wirklich eine Partnerschaft gewesen wäre. Und trotzdem ist es immer bei einem bloßen Versuch geblieben, denn ich befürchte, ganz egal was ich getan hätte, ich hätte sie nie zufriedenstellen können.

Vielleicht war die Nähe zum Idaplatz mit Schuld daran, dass ich vor zwei Jahren bei Maja eingezogen bin. In Zürich eine günstige und gutgelegene Bleibe zu finden, grenzt an ein Wunder, das zu vollbringen mir noch nie gelungen ist.

Lautes Schreien reißt mich aus meinen Gedanken. Millisekunden später finde ich mich umgeworfen auf dem Boden wieder.

„Olav! Olav, komm her, hab ich gesagt! Du kannst nicht einfach fremde Menschen anspringen, egal wie sympathisch sie dir sind!"

Und dann kam Olav...  #IdeenzauberWhere stories live. Discover now