Kapitel 1

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Erens Sicht:

Da stand ich also, auf einem der höchsten Gebäude meiner Heimatsstadt. Von hier oben sah sie um einiges schlimmer aus, als würde man sie vom Boden aus betrachten. Überall Blöcke, welche alle gleich aussahen.

Zahlreiche Fabriken mit hohen Schornsteinen, aus denen risiege Qualmwolken in den Himmel stiegen und die Luft verschmutzten, eine größer als die andere...

Ich habe mir schon immer eine Kindheit auf dem Dorf gewünscht. Baumhäuser bauen, durch Büsche und Sträucher kriechen, Feldwege und Verstecke finden die kein anderer kennt... Der Alltag eines richtigen Dorfkindes halt.

Ich trat näher an den Rand des Gebäudes heran und ließ mich dort nieder. Den blauen Himmel betrachtend, ließ ich meine Beine baumeln und wollte in dieser Position noch die letzten Minuten meines Lebens genießen.

Eine frische Brise durchfuhr mein Gesicht und Strich mir einige Haare weg. Nochmals warf ich einen Blick auf die Großstadt die unter mir lag. Unter mir erkannte ich Massen von Menschen.

Viele wollten gerade die Straße überqueren und warteten darauf, dass die Ampel auf grün schalten würde. Andere wiederum waren einfach nur einkaufen und der Großteil lief mit dem Blick auf das Handy gerichtet durch die Straßen. Ist ja nun nichts neues mehr.

Schlimm die Menschheit heutzutage... Wie sehr ich die Großstadt doch hasste. Nun, es war ja eh das letzte Mal, dass ich diese Stadt sehen müsste.

Hier ist es zwar sehr hoch, doch ich hatte keine Angst vor dem Fall. Der Tod würde ja schließlich nicht wehtun.

Ich ließ mir nochmal die verschiedensten Szenarien durch den Kopf gehen. Das liebevolle Gesicht meiner Mutter, bis hin zu den Erinnerungen, die mich kaputt gehen ließen und mich von innen auffraßen. Keiner weiß was ich durchmachen musste... keinen interessiert es!

Niemand weiß, wie viel Kraft und Überwindung es mich gekostet hat, jeden Tag auf's neue aufzustehen. Niemand weiß, wie es ist Angst vor dem neuen Tag zu haben... die Klinge zu vermissen und sich täglich in den Schlaf zu weinen.

Ich würde gerne wissen warum das alles passiert ist, warum gerade ich das alles durchmachen musste. Schließlich habe ich doch niemanden etwas getan. Wieso ausgerechnet ich?! Ich hasste mich ja sowieso, aber der Gedanke machte alles nur noch schlimmer.

Ich hasste mich... Ich hasste mich so sehr! Jeder Blick in den Spiegel war ein ein Schock, denn ich fing mit der Zeit an, mich vor mir selbst zu ekeln. Ständig hatte ich das Gefühl nicht genug zu sein,es einfach nicht wert zu sein... Ich redete nie mit jemanden, denn ich hatte das Gefühl, jeder würde mich hassen, die Welt würde ohne mich viel besser dran sein.

 Täglich kämpfte ich gegen solche Gedanken, doch heute habe ich es aufgegeben, mich geschlagen gegeben.  Heute ist der Tag, andem ich mich von alldem Leid erlösen würde. Zu gern hätte ich noch einmal Liebe erfahren. Ich wollte schon immer einmal wissen, wie es ist geliebt zu werden.

Aber darauf setze ich keine Hoffnungen mehr. Villeicht hätte eine einzige Person alles das gehabt, was ich brauchte. Jemand der mich versteht, mir zuhört und mich lieb hat. Aber soetwas gibt es ja nicht, zumindest nicht für meine Wenigkeit.
Ob ich wohl jemanden fehlen würde? Nun... Freunde hatte ich ja nicht und zu Schule ging ich die letzten Monate auch nicht mehr.
Ein Großteil meiner Familie ist schon verstorben und mein Vater ein Alkoholiker und folglich auch nicht mehr ganz sauber im Kopf.

Er hätte noch nicht einmal das Geld, um meine Beerdigung zu finanzieren, geschweige denn mir einen Grabstein zu kaufen. Warscheinlich würde man mich einfach verbrennen und meine Asche in irgendein Gewässer oder sonst wo hin schütten.

Niemand würde sich an mich erinnern oder die Blumen wechseln und die Kerzen auf meinem Grab neu anzünden. Wie jämmerlich ich doch bin.

Mit dem Gedanken stand ich auf und drehte mich um. Ich zögerte noch einen kurzen Moment, schloss dann abermals meine Augen und ließ mich rückwärts in die Tiefe fallen.

Ich hatte keine Angst vor dem Aufprall, denn wie gesagt, der Tod würde ja schließlich nicht wehtun. Man kann diesen Schmerz lange nicht mit dem Leid vergleichen, das ich im Laufe meines Lebens erfahren musste.

Nicht mehr lange und alles wäre vorbei, endlich würde ich von meinem Leid erlöst werden. Bei dem Gedanken breitete sich ein Gefühl von Freude in mir aus. Es fühlt sich gut an, einfach in die Tiefe zu stürtzen und zu wissen, dass alles gleich ein Ende nehmen würde.

Je näher ich dem Boden kam, desto lauter wurden die nervigen, schrillen Geräusche der Stadt. Villeicht würden einige Menschen mich gerade fallen sehen. Warscheinlich würden diese nicht wissen was sie tun sollten und wie angewurzelt stehen bleiben.

Logisch, mein Tod wird ja hier in der Innenstadt, in der es nur so von Menschenmassen wimmelt nicht unbemerkt bleiben.

Plötzlich sah ich mein ganzes Leben an mir vorbei ziehen, als würde es sich verabschieden wollen.

Die verschiedensten Erinnerungen kamen auf. Von meiner Geburt, bis zu meiner schrecklichen Schulzeit und letztlich meinem Absprung in die Tiefe. Ich spürte, dass der harte und kalte Boden nicht mehr weit weg war.
All das würde hier gleich sein Ende finden...

One Last TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt