„Dir ist kalt", stellte er das Offensichtliche fest und zögerte nicht auch nur eine Sekunde ehe er seinen Mantel auszog und ihn über meine schmalen Schultern hängte. Umgehend umhüllte mich seine mir mittlerweile vertraute Note. Ich blieb am Geländer stehen, starrte auf den Fluss und lauschte dem Läuten des Big Ben in der Ferne. Wenige Sekunden später trat Benedict neben mich, doch er blieb stumm.
„Wieso hast du nichts gesagt?", fragte ich irgendwann mutig, auch wenn meine Stimme dabei nicht viel mehr als ein Flüstern war.
„Was meinst du?"
„Du weißt ganz genau was ich meine, Ben."
Benedict seufzte, legte seine Unterarme auf dem abgeschossenen Geländer ab und folgte meinem starren Blick auf das trübe Wasser.
„Weil es nie eine Rolle gespielt hat", antwortete er monoton und ich konnte nicht deuten, was mir dieser Tonfall nun sagen sollte. Er klang irgendwie genervt. „Oder etwa doch?" Bei dieser kleinen Nachfrage spürte ich, wie er mich aus den Augenwinkeln musterte, doch ich wagte es nicht meinen Blick in seine Richtung zu wenden.
„Ich verstehe nur einfach nicht, wieso du nicht früher gesagt hast, dass du in festen Händen bist", gab ich kleinlaut zurück und merkte bereits, wie sich die ersten Tränen hochkämpfen wollte, die ich momentan aber noch zurückhalten konnte. Diese Verwirrung über die gesamte Situation schien also nur auf meiner Seite vorzuherrschen.
„Ich sah in dir die Chance auf eine wundervolle, neue Freundschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was ist für dich so schwer daran zu verstehen? Ich bin nicht auf der Suche nach einer neuen Freundin, Mel. Ich mag dich – sehr sogar – aber das ist alles rein freundschaftlich, okay?", knallte er klipp und klar die Fakten auf den Tisch und riss mir damit zu meinem großen Bedauern kein unbeachtliches Stück meines Herzens heraus. „Es tut mir leid, wenn das für dich anders gewirkt haben sollte. Es war nie meine Absicht dich zu verletzen", fuhr er fort, als ich auch weiterhin beharrlich schwieg, während eine einzelne, stille Träne über meine Wange rann, von der ich nicht einmal genau sagen konnte, wieso sie plötzlich da war. Schließlich war nie etwas zwischen uns passiert, abgesehen von diesem dämlichen Kuss, den ich wohl nie vergessen würde.
„Ich verstehe. Belassen wir es dabei", gab ich leise, jedoch wieder gefasst zurück, rieb mir ruppig die einzelne Träne von der Wange und ging dann einfach wieder zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
„Mel!", rief Benedict wohl etwas verwirrt, als er begriff, dass ich vorläufig nicht mehr stehenbleiben würde und holte zügig wieder zu mir auf.
„Bitte, Ben. Ist gut. Versprich mir einfach nur, dass ich... damit nun nichts kaputt gemacht habe. Ich will die Freundschaft zu dir nicht verlieren", bat ich den abgehetzten Mann neben mir eindringlich, während ich neben dem lauten Hallen meiner Schritte auf dem Kopfsteinpflaster ebenfalls seinen stark beschleunigten Atem vernahm.
„Das hast du nicht", sagte er sofort und schaute mich dabei unentwegt von der Seite her an – dennoch vermied ich es ihn zu beachten. „Es tut mir leid."
„Mir tut es auch leid."
Damit war die ganze Sache dann also vom Tisch. Ich hatte sein jüngstes Verhalten wohl in der Tat gänzlich falsch gedeutet, aber selbst wenn ich das nicht getan hätte, war Benedict immer noch ein vergebener Mann und ich würde niemals zwei sich liebende Menschen auseinanderbringen. Vor allem dann nicht, wenn ich mir nicht einmal im Klaren war, was es nun genau war, was ich für Benedict empfand – ob ich überhaupt etwas empfand. Nun war klar, dass ich das nie hundertprozentig herausfinden würde und das war auch besser so.
♥♡♥♡
Heute war Montag und ich saß bereits wieder an meinem Platz am Tresen im Büro. Es war gerade einmal wenige Stunden her, dass all das geschehen war. Das nervenaufreibende Wochenende mit Benedict. Das alles wirkte vollends surreal, aber es war tatsächlich passiert. Der Flug nach Hause und der heutige Morgen waren so verschwommen an mir vorbeigerauscht, dass ich mich gar nicht mehr richtig daran erinnern konnte. Nun saß ich hier, war mehr körperlich als geistig anwesend und nicht wirklich ansprechbar.
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Between The Lines // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]
Fanfiction🏆 Platin Award 2019 Gewinner 🏆 Melanie führt ein einfaches, ereignisloses Leben. Sie arbeitet in einem Reisebüro an einem kleinen regionalen Flughafen und beneidet die Leute, die die Welt erkunden. Ihr überschaubares Leben wird allerdings vollends...
10. Kapitel: Wieso hast du nichts gesagt?
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