Kapitel 50

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"Und unter diesen neuen Umständen ist es uns eine Ehre, Valerie Winterhagen und Dancing Dynamite wieder in der Show aufzunehmen!" dieser Satz von Georgie spukte mir auch noch am nächsten Morgen im Kopf herum, als ich gerade unter der Dusche stand und Centuries vor mich hinsummte. Ich war wieder in der Show! Auch wenn ich das noch nicht wirklich realisiert hatte, rieselte beim Gedanken an zukünftige Trainingseinheiten mit Alison und Sam- die mir gestern mittag noch kreischend in die Arme gerannt waren, als sie mitbekommen hatte, dass ich bleiben durfte- pure Freude durch meinen Körper und einer spontanen Eingebung folgend schnappte ich mir mein Duschgel und hielt es mir- in Ermangelung eines Mikrofons- unter die Nase und trällerte lautstark die ersten Zeilen von Centuries mit, die gerade aus meinem Handy dudelten. "Some legends are told, some turn to dust or to gold, but you will remember me! Remember me for centuries." Hach, das Leben war einfach schön!

Als ich zwanzig Minuten später mit nassen Haaren und in ein flauschiges Handtuch gewickelt wieder in mein Zimmer kam, bekam ich einen mächtigen Schreck. London hatte sich unbemerkt in mein Zimmer geschlichen und fläzte nun auf meinem Himmelbett. "Super Gesangseinlage Prinzesschen! Dieter Bohlen wäre begeistert! Besonders, wenn du in diesem Outfit dort auftauchst!" sein neckender Blick wanderte von meinem hoch aufgetürmten Turban, in dem ich meine Haare eingeschlungen hatte bis zu meinem mit rosa Pünktchen übersäten Hello- Kitty Handtuch, dass ich mir um den Körper geschlungen hatte. Ich warf ihm nur einen strafenden Blick zu und huschte schnell zu meinem Schrank um dort nur eine alte Reithose vorzufinden, die ich wohl auf meiner überhasteten Abreise vor einer Woche hier vergessen hatte. "Mist! Ich habe mein ganzes Zeug daheim liegen gelassen!" murrte ich und wedelte mit der braun karierten Reithose vor Londons Gesicht herum. "Du kannst einen Pulli von mir ausleihen!" lachte er mit einem Augenzwinkern und hatte sich zwei Sekunden später auch schon auf den Weg in sein Wohnheim gemacht. "Beeil dich! Ich hab gleich eine Trainingsbesprechung!" rief ich ihm noch hinterher, bevor ich mich auf mein Bett sinken ließ. Ein breites Grinsen hatte sich auf mein Gesicht geschlichen. Es war einfach wieder schön hier zu sein!

"Valerie! Mensch des isch aber schee das ich dich mal wieder zu Gesicht bekomm..." Michi drückte mich fest an sich und ich atmete den unverkennbaren Geruch nach Stroh und Pferdehaaren ein, der so charakteristisch für den Pferdepfleger war. "Michi! Ich habe dich auch vermisst!" sagte ich leise und löste mich langsam aus seiner Umarmung. "Es tut mir leid, dass ich Danci noch nicht mitgenommen habe, aber meine Mutter wird sie mir morgen vorbeibringen!" ich kniff bei Michis breitem Grinsen die Augen fragend zusammen. "Aber Valerie, des muss sie doch gar nicht machn!" Die Falten in meiner Stirn wurden immer tiefer. Was meinte er? "Ich war doch gestern schon in München und habe Danci eingeladen. Außerdem hab' ich dir von deiner Mutter noch ein paar frische Klamotten mitgebracht, dann hasch' du ääh.. was anständiges anzuziehen." er blickte an Londons Hoodie herunter, der mir fast bis zu den Knien ging, und ein schelmisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Ich war sprachlos. "Du bist extra nach München gefahren, nur um Danci wieder hier herzu bringen?" fragte ich ungläubig und flitzte sogleich los in Richtung der Stallungen.

Ein dunkles Wiehern begrüßte mich im Stalltrakt P und ein fuchsfarbener Kopf blickte aus einer der Boxen, als wäre niemals etwas passiert. Mit schnellen Schritten durchquerte ich den Stall und öffnete die Box, um meine Fuchsstute in den Arm zu nehmen. Ihre klugen braunen Augen blickten mich wach an und ein kleines Schnauben hieß mich willkommen. "Oh meine Süße! Schön dass du wieder da bist!" Ich schlang meine Arme um ihren Hals und sah dabei bestimmt aus wie ein Äffchen an einem Baumstamm, als ein Räuspern Danci und mich herumfahren ließ. "Hallo Valerie! Ich habe gehört, dass du wieder in der Show aufgenommen wurdest!" begrüßte mich Herr Linder und musterte mich eingehend durch die Gläser seiner Nickelbrille. "Ach Hallo! Ja, ich wurde wieder in die Show aufgenommen..." bestätigte ich vorsichtig und kraulte Danci am Mähnenkamm. "Hör mir zu Valerie, es tut mir leid, dass ich angenommen hätte, dass du Olympio gedopt hast! Deshalb wollte ich mich bei dir entschuldigen und dir viel Erfolg in der weiteren Show wünschen!" Ich nichte steif. Was wollte er denn noch? Er wollte mir doch nicht etwa Olympio wieder geben? Ein Hoffnungsvoller Schauer durchfuhr mich und ein breites Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

"Nun ja, was unserer Sponsoring an dich angeht, müssen wir nochmal einiges klären. Leider muss ich dir mitteilen, dass Olympio zu einer Bereiterin von Isabella Windler gewechselt ist, nachdem du wegen Dopings aus der Show geschmissen wurdest. Sie ist für die Europameisterschaften im nächsten Sommer qualifiziert und dort könnte Olympio sein ganzes Potenzial ausschöpfen..." Hup! Der große, fünf achsige LKW namens Realität raste auf mich zu und zermahlmte jegliche Hoffnungen unter seinen großen Reifen. Mein Kopf rauschte, mein Atem stockte und mein Herz stolperte erschrocken vorwärts; aus meinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen.

"... Lucia hat sich ja nun schon mit Danciano zusammengerauft und deshalb kann ich dir gerade noch kein Ersatzpferd bereitstellen, aber ich werde dich sofort kontaktieren, wenn sich ein gutes Pferd findet." er lächelte mich fröhlich an. Anscheinend hatte er von meinem seelischen Zusammenbruch nichts mitbekommen. "Ist schon in Ordnung!" würgte ich hervor und stützte mich, nach Atem ringend, an der Boxenwand ab. "Ist alles in Ordnung? Du bist ja ganz blass um die Nase!" "Ja, alles in Ordnung, die letzten Tag waren nur etwas viel für mich!" antwortete ich tonlos und wankte einen Schritt nach vorne, wobei ich mich an dem Futtermittelhersteller vorbei schob und die Boxentür mit einem leisen Klacken schloss. "Vielen Dank für Ihre Entschuldigung!" distanziert und immer noch mit einem schmerzhaft klopfenden Herzen stolperte ich aus dem Stall und ließ den völlig verdutzten Herr Linder vor Dancis Box zurück. Seinen besorgten Blick konnte ich noch lange im Nacken spüren.

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