Princess

Kapitel 42

Zuckende Scheinwerfer.

Euphorisch klatschendes Publikum.

Grelles Blitzlichtgewitter.

Dutzende Kameras.

Der Abreiteplatz der Messehalle in Leipzig ähnelte eher einem roten Teppich, als einem drei Sterne Turnier. Der hektische Trubel, der absolutes Gift für meine Danci gewesen wäre, ließ Olympio wirklich aufblühen. Mit gespitzten Ohren und gebogenem Hengsthals zog er seine Bahnen durch den hellen Sand. Während er die Kulisse also wirklich genoss, machte sie mich absolut nervös. Immer wieder schielte ich zu den unzähligen Kameras hinüber, die sich wie Aasgeier am Absperrzaun der Halle ausgestellt hatten, jederzeit bereit jede noch so kleine Schwäche, jeden noch so kleinen Fehler aufzunehmen und für immer zu speichern. "Valerie! Du bist gleich dran! Lass dir noch deine Kopfhörer abnehmen!" knisterte Georgies Stimme durch die Kopfhörer- ähnlichen Stecker in meinen Ohren, die mit einem Walkie- Talki ähnlichen Gerätes, dass an meinem Gürtel klemmte. Seufzend lenkte ich Olympio in Richtung Ausgang, an dem mein Trainer mit einem beruhigenden Nicken meine Kopfhörer mitsamt dazugehörigen Gerät an sich nahm und ein Steward nochmals die Verschnallung der Kandare überprüfte.

Er hatte gerade seine Inspektion beendet, als ein sensationssüchtiger Reporter herbeigeeilt kam und mir ein Mikro unter die Nase hielt. "Und Valerie, können Sie uns kurz beschreiben, wie man sich vor so einem großen Halbfinale fühlt?" quakte er und schenkte der Kamera, die vor ihm platziert war, ein Lächeln, dass sogar jedes Zahnpastamodel neidisch gemacht hätte. "Sie ist gerade zu keinem Interview bereit, Sie können sie gerne nach der Prüfung nochmals befragen!" antwortete London für mich mit reservierter Stimme und erdolchte den Reporter beinahe mit seinem kalten Blick, als dieser sofort anfing ihn über unsere Beziehung auszufragen. Ich selbst drückte Olympio die Sporen in den Bauch und ritt durch den ruhigen und nur mit gedämpften Licht ausgestatteten Tunnel, der mich und mein Pferd in die, vor Spannung brodelnde Showhalle bringen würde. Doch jetzt konnte ich nur den gedämpften Hufschlag hören, gefolgt von dem aufgeregten Schlagen meines Herzens.

Bum- Bum.

Das Tor öffnete sich und tosender Applaus schwappte herein. Nun gab es kein Zurück.

Bum- Bum.

Mein Herz schlug nun im Gleichtakt zu Olympios Hufschlag. Und während der Sprecher euphorisch meinen Namen trällerte, klopfte ich ein letztes Mal den Hals meines Hengstes.

Bum- Bum.

Das metallische Klingeln der Glocke ertönte. Auf Gedeih und Verderb.

Ich hob die Hand und die Filmmusik von "How to train your dragon" ertönte. Olympio galoppierte an und alle Anspannung fiel von mir ab. Nun gab es nur noch mich und Olympio. Uns beide, und der Tanz zu der Musik. Ein Tanz, der viele Neider mit mir auf das Parkett führen wird. Ist es das alles wert? Doch als ich Olympios schwungvolle Bewegungen unter mir spürte, seinen Hufschlag auf dem weichen Sand hörte, der im Gleichtakt zu meinem Herzen schlug, wusste ich: Nun gab es kein zurück mehr. Keine Schuld. Keine Angst. Keinen Hass. Es gab nur noch die tiefe Verbundenheit zu meinem Hengst und das weiß umrandete Viereck.

"Das waren Valerie Winterhagen und Silbermeyer's Olmpio! Mein sehr verehrtes Publikum, das war doch wirklich ein Feuerwerk an Emotionen, dass diese beiden abgefeuert haben! Da wird es schwer für die nachkommenden Paare, noch einen Blumentopf zu holen, oder was sagen sie dazu?" zustimmende Pfiffe und ein aufbrausender Applaus begleiteten mich auf dem Weg aus der Leipziger Showhalle. Ein Überglückliches Lächeln war mir ins Gesicht geschrieben und ich umarmte dankbar und vollkommen überwältigt von diesem Ritt Olympios Hals. Der Hengst hatte wirklich alles gegeben und so waren wir durch das Viereck geschwebt- nun gut, Olympios Hufe hatten immer wieder den Boden berührt, aber es hatte sich so angefühlt, als könnten wir wirklich fliegen. Vielleicht war uns das ja auch heute gelungen. Eine Freudenträne tropfte auf den kastanienbraunen Hals. Olympio war mein Pferd. Er war mein "once in a lifetime horse" von dem alle immer so schwärmend sprachen, dass ich aber noch nicht kennen gelernt hatte. Bis ein bockiger kastanienbrauner Hengst sich in mein Herz geschlichen hatte.

"Wow! Valerie! Ich hätte echt nicht gedacht, dass Olympio und du, dass ihr so reinhaut!" lachte Alison, als sie mir im Tunnel entgegen kam. Ihre zierliche Stute Dakari trabte mit gespitzten Ohren unter ihr und machte eher den Anschein, als wolle sie zurück in ihre Box und dort weiter am Heu knabbern. "Danke Alison! Und dir viel Erfolg! Rock das Ding!" ich zwinkerte ihr aufmunternd zu und traf schließlich wieder in der Abreitehalle ein, an dessen Rand ein Fernseher gerade Slow- Motion Bewegungen meines Rittes zeigte. Olympio war wirklich unter mir getanzt! Anders konnte ich mir diese tollen Aufnahmen nicht vorstellen. "Du warst fantastisch!" Londons türkis blaue Augen leuchteten stolz, als er näher kam und seine Lippen auf meine drückte. Alles verschwamm um mich herum, und ich sage euch, wäre ich nicht auf Olympio gesessen, dann hätten meine Knie wahrlich ein paar Krücken gebraucht, so wackelig fühlten sich meine Füße nach diesem Kuss.

Vielleicht lag es an dem tollen Ritt, vielleicht an der Tatsache, dass ich endlich mit dem Typen meiner Träume zusammen war oder vielleicht sogar alles zusammen. Jetzt konnte es nicht mehr besser werden.

"Den Sieg in der heutigen Kür mit 80, 92 % nimmt heute Valerie Winterhagen mit nach Hause! Herzlichen Glückwunsch!" mit wirklichen Freudentränen in den Augen ließ ich Olympio antraben, um die riesen große goldene Schleife in Empfang zu nehmen. "Das war wirklich ein hervorragender Ritt!" lobte mich auch der Chefrichter, bevor er die Schleife an Olympios Backenstück befestigte. "Wirklich ein harmonisches Paar! Wir freuen uns, dass du es bis ins Finale geschafft hast!" lächelte auch eine ältere freundlich lächelnde Frau, die wahrscheinlich die Sponsorin der heutigen Kür gewesen war. "Danke!" lächelte ich, bevor die Musik in der Arena laut aufgedreht wurde und ich an der Spitze vor Alison, Sam und der viertplatzierten Alice meine Ehrenrunde drehte. Na dann! Auf ins Finale!