Zeug am Anfang

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Er atmete tief ein, viel tiefer, als es einem normalen Menschen möglich sein sollte. Einen kurzen Augenblick herrschte angespannte Stille. Dann schrie er:

"AHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!"

An dieser Stelle unterbricht der Schriftsteller einmal kurz die Erzählstruktur, um Ihnen folgendes zu sagen: "Er schrie sehr lange. Mehr wollte ich damit auch gar nicht ausdrücken. Ich hoffe, das kommt an dieser Stelle angemessen rüber. Alles verstanden? Gut. Wenn Du dich immer noch überfordert fühlst, dann lies doch Twilight, Du Vollpfosten. Weiter mit der Geschichte."

"...HHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!!!"

Er hörte auf. Eine verzweifelte Sekunde kam es ihm in den Sinn, noch einmal das Gleiche zu tun, aber der Schwindel hielt ihn davon ab. Mit seiner männlichen Hand stützte er sich an einen Baum ab und versuchte die weißen Punkte vor seinen Augen zu vertreiben. Wie zum Teufel, oder was auch immer hier als das absolut Böse gelten sollte, ist er nur hier hinein geraten?

"Ha!" stieß sein Mund fast automatisch aus. Er wusste es und er hasste es. Einfach alles daran widerte ihn an, bis zum grauen, verschrumpelten Etwas, das er sein Herz nannte. Wenn es eine Maßeinheit geben würde, die beschreiben könnte, wie viel Hass er gerade verspürte, dann wäre der Anzeiger jetzt über die Skala gesprungen und wäre einem Unbeteiligten ins Auge gesprungen. Irgendwie eine befriedigende Vorstellung.

Ein langer, dürrer Mann, mit viel zu heller Haut trat auf ihn zu. Dabei lösten sich seine Finger aus den Ohren. Er erkannte sofort, was dieses Individuum darstellen sollte. Einen Trottel, der nur existierte, damit...

"Heil Dir, Doront, Held der Nationen, Retter der Unterdrückten, Bewahrer von Kloursch dem..." tönte dieser mit einer viel zu überschwänglichen klaren Stimme, geprägt von Hoffnung, bevor Doront ihn unterbrach.

"Ja, ja, halt einfach Deine verschissene Fresse und überspring diesen ganzen Mist. O.K?"

Doront richtete sich auf. Langes schwarzes Haar fiel über seine Schulter und klebte ihm im Gesicht. Mit einem Finger strich er es nach hinten. 'Toll.' dachte er. 'Das werde ich als Erstes abschneiden. Stört ja auch kein bisschen. Ausgerechnet schwarz. Was bin ich? Ein Typ aus 'ner Metal Band?'

Er blickte an sich herunter. Immerhin war er muskulös, das konnte nur Vorteile haben. Wie sein Vater immer sagte: "Besser Muskeln, als Masse." Da musste er seinem alten Herren Recht ge... WAS ZUR HÖLLE ( oder vergleichbarer Ort ). Das stimmt überhaupt nicht. So etwas hatte sein Vater niemals gesagt, ob es stimmen mag, oder nicht. 'Was geht denn bitte hier vor?' Das war doch nicht seine Vergangenheit, oder etwa doch?

Noch bevor er sich weiter darüber wundern konnte, räusperte sich "Mann" und machte so wieder auf sich aufmerksam. Doront stoppte ihn, noch bevor Worte aus seinem Mund prasseln konnten.

"Du bist ja immer noch da." donnerte er mit einer tiefen maskulinen Stimme, die einem älteren Mann gehören musste. Nicht zu alt. Gebieterisch, eher erfahren, so als hätte er schon viel von der Welt gesehen und erlebt. Deftig, aber es war definitiv nicht seine, dass wüsste er. Dennoch kam sie aus seinem Mund. Naja, nicht das Schlimmste, was einem passieren konnte. Wenn er jetzt noch richtig Glück hatte, dann sah er nicht mal zum Kotzen aus. Das würde aber noch ein wenig ein Mysterium bleiben, solange er keinen Spiegel auftreiben konnte.

'Kleine Schritte' redete er sich ein. 'Rom ist ja auch nicht an einem Tag erbaut worden.' Gott, wie er diesen Spruch hasste.

"Ich schwöre bei Gott." Doront zögerte einen Moment, dann sprach er weiter. "Oder Götter? Göttinnen?" Besser es sich nicht direkt schon am Anfang mit den Mächtigen verscherzen. Wer weiß, wie nützlich die noch sein würden. Man kann vielen tausend kleinen Pissern ans Bein pissen, aber niemals demjenigen, der auf alle Anderen kackt. "Wenn Du jetzt mit: Doront der Auserwählte kommst, dann schlag ich deine Hackfresse durch diese Ziegelwand."

In einem selbstmörderischen Anfall sprach der schlaksige Mann weiter, wählte seine Worte aber mit Bedacht. "Ähm, ja. Wie soll ich sagen? Ihr seid doch Doront, oder etwa nicht?"

Doront nickte. Natürlich war er es nicht, aber trotzdem war er es. Eine verwirrende Situation, um die er sich später Sorgen machen würde.

Der Elf, zumindest hatte er längere Ohren als es für Menschen üblich war, sprach weiter, wenn auch langsam, und starrte dabei voller Ehrfurcht auf die Ziegelsteinwand. "Aber dann seid Ihr doch der Auserwählte, von dem die Prophezei..."

Noch bevor er den Satz aussprechen konnte, packte Doront den Kopf des Mannes und rammte ihn mit so viel Kraft, wie er aufbringen konnte, gegen die harte Wand des Raumes in dem sie sich befanden. Ein dumpfes "Dunnnng" erklang, als der weiche Schädel auf unberührten Stein traf. Er leistete keinen Widerstand und platzte noch im gleichen Moment. Blut schleuderte in diverse Richtungen und benetzte alles, was in Reichweite stand.

Zumindest sollte das passieren, tat es aber nicht.

Der Elf verharrte immer noch mit dem gleichen dämlichen Gesichtsausdruck vor ihm und redete. "... Prophezeiung berichtet hat. Doront der Ciss. Der Ausgestoßene." Er linste über sein mit Verschnörkelungen übersätes Buch und wartete anscheinend auf eine Antwort.

"Das..." stammelte Doront und blickte auf seine Hand herab und betrachtete sie von allen Seiten. Er ballte sie zur Faust und spürte unmittelbar den Drang sie zu benutzen. "... ist absoluter Schwachsinn!"

"Also seid Ihr nicht derjenige, der uns alle retten wird?" piepste der Elf kleinlaut.

"Nein!"

"Aber Ihr seid doch Doront."

"Anscheinend."

"Dann seid Ihr auch der Auserwählte."

"Nein!"

Langsam verlor der dürre Mann die Fassung, traute sich aber trotzdem nicht lauter zu werden. "Entschuldigt mich, aber das macht keinen."

"Hör zu, Du Lackaffe." schnitt Doront ihm das Wort ab. "Es ist anscheinend komplizierter, als es aussieht. Nur weil ich derjenige bin, von dem deine Sagen, Mythen, oder was auch immer berichten."

"Vorhersagen."

"Heißt das noch lange nicht, dass ich auch derjenige bin. Verstanden?" beendete Doront den Satz.

Kaum ein Lebewesen, hätte es geschafft, so perfekt die Grätsche zwischen Verzweiflung und Verwirrung zu meistern, dennoch schaffte dieser dürre Typ es meisterlich. Es sah fast so aus, als hätte er keine Knochen mehr im Leib.

"Nein." hauchte der Elf. "Das verstehe ich absolut nicht."

"Gut." entgegnete Doront. "Ich nämlich auch nicht."

Hier startet jetzt epische Musik, die wir nicht haben und ein bombastisches Intro spielt ab, welches wir uns nicht leisten können. In fetzigen Lettern klatscht der Titel auf eine Landkarte, die wir uns noch nicht ausgedacht haben und der Zuschauer ist vollkommen mitgerissen von dem, was er gerade gesehen hat.

Dummerweise ist dies hier ein Buch und keine Serie. Es ist noch nicht einmal ein Hörbuch. Folgendermaßen muss sich der Leser auch noch anstrengen. Irgendwie tut es mir als Schriftsteller leid, dass Sie sich hier durchquälen müssen, aber auf der anderen Seite: Es zu schreiben war wesentlich mehr Arbeit, also fahr zur Hölle (oder an was auch immer Sie glauben)

Der "Auserwählte"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt