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Doch als Stegi schließlich noch sein Praktikum absolvierte, war es gänzlich vorbei mir unseren abendlichen Gesprächen. In der Woche war er durch die Laborarbeit angeblich so hundemüde, dass er Zuhause nur noch ins Bett fallen konnte und in seiner Mittagspause saß ich regelmäßig noch in den Vorlesungen. Am Wochenende hatten wir gerade noch Zeit für einzelne SMS oder Whatsapp Nachrichten, doch das war es auch schon, bevor unserer beiden Pflichten wieder nach uns riefen. Und ich gab mir dafür die Schuld, dass es soweit gekommen war!

Denn hätte ich mich damals mehr in meine Abiturnoten reingekniet, würde ich jetzt vielleicht in einer Uni sitzen, die näher an Stegis lag. Dann hätten wir wieder zusammen eine WG genommen und alles wäre in bester Ordnung gewesen! Oder wenn ich ab und zu die Uni sausen lassen würde, nur die ein, zwei Stunden in der Woche, um mal wieder ausgiebig mit ihm zu telefonieren! Aber nein, jetzt hielt mich mein Pflichtbewusstsein ja davon ab, mein Studium auch nur ein bisschen schleifen zu lassen! Ich hasste mich regelrecht dafür und diese Stimmung schlug wie ein Felsen auf mein Gemüt. Ohne Stegi war doch alles sinnlos... Man, ich musste ihn dringend wiedersehen! Sein Lachen hören, seinen Duft in mich aufnehmen, seine aufmunternde Umarmung spüren und mir selber wieder klar machen, dass das alles bald vorbei war. Die paar Semester nur noch, dann würde ich alles schmeißen und eine Wohnung in Jena suchen, die geringe Miete, einen humanen Arbeitsweg und die Nähe zu meinem Kumpel vereinen konnte. Bisher hatte ich mit solchen Wohnungssuchen immer Glück gehabt, wieso nicht auch dieses Mal? Ja, so würde ich das machen! An Weihnachten, so hatten wir es uns ausgemacht, wollten wir dringend die Feiertage zusammen verbringen! Vielleicht war es ja möglich, spontan irgendwo einen möglichst billigen Urlaub zu finden, der uns nicht völlig bankrott machte und trotzdem erholsam war für uns! Dafür ließ ich sogar ausnahmsweise das Fest mit meiner Familie ausfallen. Sie hatten sich deswegen bereits verständnisvoll gezeigt, aber ich wusste tief drinnen, dass sie dennoch traurig waren.

Aber die Sehnsucht wurde einfach nicht kleiner und einen Monat vor Heiligabend hatte ich schon die Schnauze voll. Nicht mit mir! Ich wollte jetzt auf der Stelle zu Stegi, oder ich würde zu heulen beginnen, ohne Zurückhaltung und jede Hemmung!

Unsere neue, aus Amerika stammende Mitbewohnerin Chrissy guckte ein wenig verdattert, als wir am Morgen zeitgleich das Haus verließen und heute in völlig unterschiedliche Richtungen aufbrachen. "Tim! Die Uni ist doch hier entlang!", rief sie mit ihrer akzentuierten, melodischen Stimme völlig irritiert, als hielt sie mich für einen Idioten, aber ich zeigte ihr bloß einen Daumen nach oben: "Dann ist ja gut! Ich mach heute mal frei!" Ja, schnurstracks zum Zugbahnhof, ein Ticket lösen, für ein paar Stunden im Zug fahren und mich dann als Überraschunsgeschenk vor die Firma setzen, in der Stegi jetzt seine praktischen Erfahrungen sammelte. Er würde sich sicherlich freuen, dachte ich mir und lächelte automatisch, als ich mir vorstellte, wie mein Kumpel mit den blonden, welligen Haaren und dem viel zu großen Laborkittel völlig gestresst nach draußen kam und wie seine Augen zu funkeln anfangen würden, wenn er mich dann dort sitzen sah. Wenn er "Timmiiii!" schreien würde und sich mir anschließend mit viel Anlauf und Schwung in die Arme warf, sodass wir vielleicht beide beinahe umkippen würden. Gott, ich würde den Kleinen nie wieder gehen lassen, nie wieder! Zwischen uns gehörte keine verdammte Zugreise, keine hunderte von Kilometern und kein dämliches Studium! Und auch sonst nichts, was uns davon abhielt, beieinander zu sein! Irgendjemand hatte damals dafür gesorgt, dass wir uns finden sollten, wie konnte er dann jetzt zulassen, dass uns das Leben wieder zerriss? Egal, es war schon genügend Schaden an unserer Freundschaft entstanden und hoffentlich half uns dieser Tag jetzt, die Wunden, Kerben und Spalte wieder zu verheilen.

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Ja, und nächstes Kapitel ist dann der "Prolog" endlich vorbei ;)

Und ich kann euch versprechen, dass es eine seeehr lange Geschichte wird! :D (hust jedenfalls länger als 30 Kapitel hust)

Garfield - Zwei Jungs, ein Kater und ein verworrenes Schicksal (#Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt