Kapitel 10

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Dieses Kapitel widme ich schneestern2001. Danke, dass du immer für mich da bist und von Anfang an meine Geschichten geliebt hast!

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Ich ließ meine Stute antraben und ritt auf den großen Platz. Herr Doktor Pelder hatte sich schon startbereit neben die Soundanlage gestellt und wartete auf mein Handzeichen. Erst kurz vor der Ecke hielt ich an und hob die Hand. Da war sie schon wieder. Meine Kür.

Zu den Klängen galoppierte Danci leichtfüßig an und so betraten wir das Viereck. Dann folgte auch schon die Grußaufstellung. Danci stand wie eine Statue. Als die Instrumentalversion von "Sail" von Awolnation aus den Boxen klang trabte ich meine Fuchsstute an und traverieste sofort nach rechts. Dann folgte der Mitteltrab, bei dem es sich anfühlte, auf Wolken zu schweben. Alles lief perfekt und als dann auch noch die fliegenden Wechsel wie am Schnürchen klappten, war ich im siebten Reiterhimmel. Als ich zur Grußaufstellung auf die Mittellinie abwendete, schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht und als dann endlich die letzten Takte von "Pompeii" von Bastille verklungen waren, ließ ich die Zügel lang und strich meiner Stute stolz über den kupferfarben glänzenden Hals. Mit einem Lächeln auf den Lippen ritt ich zu Herr Doktor Pelder und stellte mich innerlich schon auf große Lobeshymnen seitens meines neuen Trainers ein.

Doch nichts der Gleichen passierte. Ein simples "Gut." bewertete meinen Ritt. Erstaunt ritt ich zu den anderen zurück und wartete auf Pelder, der sich mit großen Schritten auf uns zubewegte. "Ihr wart heute heute schon alle richtig gut. Manche haben sich heute selbst übertroffen," er blickte anerkennend zu Elena, Samantha und Alison, "und manche werden einfach noch einen Schliff bekommen, damit sie am Wochenende ebenfalls glänzen können!" sein scharfer Blick lag auf mir. Ich verstand die Welt nicht mehr. Elena und Samantha waren viel schlechter geritten als ich und hatten viel weniger Erfahrungen auf internationalem Parkett als ich! Gerade wollte ich lautstark protestieren, als Dr. Pelders beinahe beiläufiges Kopfschütteln mich davon abhielt.

Was sollte das denn jetzt werden? Ich regte mich so auf, dass ich den Anfang von Pelders Ansprache verpasste. "... und dann sehen wir uns beim Abendessen wieder. Dort werdet ihr auch zum ersten Mal schon ein paar Schüler dieses Internats kennen lernen, die extra früher aus ihrem Wochenende zurückgekehrt sind, um euch kennen zu lernen. Natürlich werden Isabella, Christian und ich dann auch noch das Motto der Kür nächste Woche verkünden und auch, wo ihr dort auftreten dürft! Also, bis später!" er nickte uns nochmals zu, bevor er den Reitplatz verließ und meine Gruppe und mich alleine zurückließ. "Also, wir sehen uns nachher beim Abendessen!" sagte ich vorsichtig, lächelte nochmals schüchtern in die Runde und trieb meine Stute auf den Ausgang zu.

Direkt neben dem Reitplatz schlängelte sich ein sandiger Weg entlang, von dem ich annahm, das er die Galopprennbahn des Internats war. Im gemächlichen Schritt folgten Danci und ich diesem Weg und ritten an von Bäumen gesäumten Sandplätzen vorbei, bei denen sofort auf den ersten Blick erkenntlich war, dass es sich um Springplätze handelte. Viele bunte Hindernisse standen verteilt auf dem sandigen Boden, die von außen so unscheinbar klein aussahen, sich jedoch im Parcours selber als unüberwindbare Maurern entpuppten. Dieser Meinung war zumindest ich, ein weiterer Grund, warum ich so früh zum Dressursport gekommen war.

Schnell ritt ich weiter und so langsam wurde die Bäume dichter und dichter, bis sich schließlich vor Danci und mir ein Wald erstreckte. Dieser Ausblick sah so einladend aus, dass ich Danci angaloppierte und wir beide im gestreckten Galopp den Weg entlang jagten. Dancis Hufe schlugen im klaren Dreitakt auf dem sandigen Boden auf und sie hatte die Ohren gespannt nach vorne gerichtet. Immer schneller galoppierten wir durch den Wald, dass irgendwann die ganzen Konkurrentinnen, mein Ritt, Dr. Pelder und sein merkwürdiges Verhalten einfach vom Wind davongetragen wurden und nur noch mein mutiges Pferd und ich übrig blieben. Ich ließ die Zügel fallen und streckte beide Arme aus. Das Gefühl war unbeschreiblich. Es war wie Fliegen, nur viel schöner.

Mein Flug wurde jäh unterbrochen, als plötzlich aus dem Unterholz ein großer Rappe mitsamt Reiter auftauchte und sich Danci sozusagen vor die Hufe warf. Ich schnappte schnell die Zügel und gab ganze Paraden, um mein Pferd noch rechtzeitig anzuhalten. Durch die starke Wirkung der Kandare riss Danci erschrocken den Kopf nach oben und stieg.

"Sag mal spinnst du?!?" rief ich wütend und funkelte den unbekannten Reiter wütend an. Was erlaubte er sich denn hier, einfach auf meine Galoppstrecke zu reiten! "Das selbe könnte ich dir sagen, was traust du dich denn überhaupt in den Wald Prinzesschen?" fragte er verächtlich und blickte spötisch auf Danci herab. "Oh Entschuldigung, wenn ich den Feld- Wald- und Wiesenreiter gerade bei seiner Blümchensuche unterbrochen habe!" gab ich ironisch zurück und lächelte zuckersüß.

Der Fremde schien gar nicht beleidigt zu sein und lachte nur ein - zugegebenermaßen- sehr schönes Lachen und zeigte dabei zwei Reihen perfekter weißer Zähne. Valerie! Ruf dich zur Ordnung! Der Typ hätte beinahe einen Unfall verursacht! schimpfte ich mich innerlich. "Wie heißt du denn überhaupt?" fragte ich weiter und blickte so arrogant wie möglich zu ihm herüber. Verdammt, er sah aber auch echt unverschämt gut aus mit seinem tintenschwarzem Haar und den strahlend blauen Augen, bei denen jedes Mädchen tot umgefallen wäre. "Wie wäre es mit Mr. Gutaussehend oder ..." "...Kotzbrocken?" fiel ich ihm ins Wort und verdrehte die Augen von so viel Selbstbewusstsein.

"Geht auch! Und wie darf ich Sie nennen, eure königliche Majestät?" fragte er spöttisch zurück. "Ein simples, Eure königliche Majestät, die Kaiserin Dressage dürfte ausreichen!" hochnäsig blickte ich ihn an. Oh verdammt, normalerweise wäre ich schon längst rot angelaufen und hätte kein Wort herausgebracht.

Doch scheinbar war das hier in diesem verlassenen Wald etwas ganz anderes. "Oh mist! Ich glaube, ich muss zum Abendessen!" nach einem Blick auf meine Uhr, die mir mitteilte, dass ich nur noch eine halbe Stunde bis zum Abendessen hatte, drückte ich Danci die Fersen in die Flanken und ritt an dem Unbekannten und seinem wunderschönen Rapphengst vorbei. Ich wollte gerade angaloppieren, als ich ein letztes Mal seine Stimme vernahm. "Eure königliche Hoheit? Ich glaube, sie reiten gerade in die falsche Richtung. Zum Abendessen geht es da lang!" seine Stimme triefte vor Spott. Mist! Valerie, das war ja mal wieder ein Abgang, wie aus dem Bilderbuch! Zähneknirschend wendete ich Danci und ritt hocherhobenen Hauptes an Mr. Kotzbrocken vorbei, nur um im gestreckten Galopp zu den Stallungen zurück zu reiten.

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