"Ich kann auch ganz gut ohne dich überleben. Ich brauche dich nicht."
"Sei doch einfach dankbar, dass ich hier bin. Weißt du eigentlich, wo du und deine Freunde ohne mich jetzt sein würdet?"
Ich sah ihn böse an. Jetzt war wirklich nicht der richtige Moment, um darüber zu diskutieren, was wir ohne ihn wären. Wir konnten jeden Moment ermordet werden.
"Denk, was du willst. Aber ich brauche dich nicht. Ich hab's schon einmal gesagt und ich sage es dir auch gerne nochmal. Wenn es darauf ankommt, werde ich dich nicht retten."
Theos Augen wurden groß und glasig, fast als wäre er durch meine Worte verletzt. Aber dann schüttelte er den Kopf, wie um dieses Gefühl abzuschütteln, und lachte bitterlich auf.
"Glaub mir, das beruht auf Gegenseitigkeit." Er wandte den Blick ab und wollte gerade weiterlaufen, als plötzlich ein lautes Donnern ertönte. Sie hatten die Eisentür gesprengt. Ich hatte mich so erschrocken, dass ich mich auf der letzten Treppenstufe duckte und mein Gleichgewicht verlor. Ich rutschte aus. Für eine kurze Zeit sah ich schon mein Leben an mir vorbeiziehen. Es würde fünf Sekunden dauern, um unten anzukommen und drei Schüsse reichten aus, um mich niederzustrecken. Aber ich schlitterte nicht weit, denn eine Hand schob sich in meine und rettete mich.
"Verdammte Scheiße, Liam. Du machst es mir schwer, dich nicht zu retten." Ich schluckte und sah in seine gelb leuchtenden Augen mit der Hoffnung, er konnte die Dankbarkeit in meinem Blick lesen. Ich brachte gerade nämlich kein Wort heraus. Er zog mich hoch, während Schüsse um uns fielen wie tödlicher Hagel.
"Lass uns von hier verschwinden. Das sind um die zu viele Jäger und wenn wir nicht schnell einen Ausgang finden, sterben wir."
Wir rannten los. "Das einzige, das mir einfällt, ist das Dach!", rief ich, während ich den Schüssen auswich.
"Okay, versuchen wir es." Obwohl wir die Fabrik nur wenige Sekunden nach Derek und Alec betreten hatten, waren die beiden nirgendwo zu entdecken. Ich hoffe, sie hatten einen guten Plan.
Wir liefen und liefen. Kurz später kamen wieder Treppen in Sicht, die zum zweiten Stock führten. Aber die Jäger waren zu nah, als dass es uns gelingen konnte, ohne verletzt zu werden.
"Das schaffen wir nicht, Theo!" Ich blickte in seine Augen, aber dort, wo ich Unsicherheit erwartet hatte, sah ich Kampfgeist. "Wir schaffen es. Renn einfach, Liam. Renn!"
Augenblicklich veränderte seine Motivation etwas in mir. Ich verdrängte die Angst und Adrenalin schoss durch mich und kroch in jede Faser meines Körpers. Wir konnten das schaffen.
Ich nickte ihm kurz zu und flitzte los. Drei Stufen auf einmal nehmend, versuchte ich den zweiten Stock zu erreichen, Theo dicht vor mir. Uns fehlte nicht mehr viel und wir hätten es beinahe geschafft. Aber die Jäger waren gut ausgebildet und viel zu schnell. Sie schossen wie wild um sich herum und eine Kugel streifte mich am Arm, als ich gerade oben ankam.
Ich wimmerte vor Schmerzen auf. In der Wunde war Eisenhut. Theo schrie meinen Namen. Ich wollte ihn beruhigen, ihm sagen, dass es mir gut ging, aber mein Arm schmerzte so sehr, dass es mir schwer fiel, zu reden.
"Hey, Liam. Wir haben es fast geschafft. Du hältst es durch." Theo packte den anderen Arm und legte es sich um die Schultern, seine andere Hand legte sich um meine Hüfte und er stützte mich in einen kleinen dunklen Raum mit einem Fenster und drei leeren Regalen, während ich mir auf die Lippe biss, um nicht laut zu schreien. Als er sich sicher war, dass ich alleine stehen konnte, verschloss er die Tür.
"Wir haben nicht viel Zeit. Es gibt keine Treppen zum Dach. Du musst den Schmerz ignorieren und durch das Fenster klettern, wenn du leben willst." Jetzt, wo wir kurz unter uns waren und Ruhe hatten, schien sich mein Hirn langsam zu erholen. Mir gelang es, den Schmerz soweit zurückzudrängen, dass ich mich wieder darauf konzentrieren konnte, zu überleben.
"Ich packe es wieder." Zumindest hoffte ich das. "Komm, hauen wir ab." Ich machte Anstalten, zum Fenster zu gehen, aber Theo bewegte sich nicht. Und dann realisierte ich, was er da eben gesagt hatte.
"Warte, was soll das heißen, dass ich aus dem Fenster klettern soll? Was ist mit dir?", fragte ich energisch. Er sollte jetzt bloß keine Dummheiten tun, oder ich würde ihm eine reinhauen.
"Ich bin der Köder", murmelte er und ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. Erinnerungen flammten in meinem Inneren auf.
"Red nicht so einen Blödsinn und komm mit. Du bist ganz sicher nicht der Köder. Nicht schon wieder." Ich packte ihn am Arm und zog ihn zum Fenster, damit wir gemeinsam die Fliege machen konnten, aber er rührte sich nicht vom Fleck. Er hatte seine Entscheidung gefällt.
"Wir wollten nicht füreinander sterben, weißt du noch, Theo? Jeder von uns will doch seinen eigenen Arsch retten. Du brauchst dich nicht für mich zu opfern."
"Ich opfere mich nicht. Wenn ich es mit den Geisterreitern aufnehmen konnte, sind diese Menschen ein Kinderspiel für mich", meinte er halb so überzeugend, wie es eigentlich klingen sollte. Er wusste genauso gut wie ich, dass er nicht den Hauch einer Chance hatte.
"Die Jäger sind darauf spezialisiert, Leute wie uns zu töten! Du wirst es nicht schaffen!"
Ich fletschte meine Zähne, als er immer noch nicht nachgab, und brüllte: "Theo, verdammt!"
Und dann passierte etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hätte. Theo zog mich zu sich, meine Brust gegen seine gepresst, und sah mich mit einem unwiderstehlichen Lächeln an. Er verschlug mir den Atem. "Ich habe gelogen. Ich würde immer für dich sterben."
Und dann küsste er mich. Ich war verwirrt und wusste nicht, wie mir geschah, aber was ich ganz genau wusste, war, dass es die letzte Gelegenheit sein würde, ihm so nah zu sein, denn er würde jetzt dort rausgehen und für mich sterben. Also erwiderte ich ihn. Ich küsste ihn, als wäre es unser erster, letzter, bester Kuss. Ich küsste ihn, als würde ich ihn zugleich lieben und hassen und ich küsste ihn verzweifelt und sauer, weil er sich dazu entschloss, mich zu verlassen. Meine Hand wanderte durch sein braunes Haar und ich versuchte mir einzuprägen, wie er sich anfühlte.
Es waren die nahen Schüsse, die uns für immer auseinanderrissen. Wir atmeten beide schwer und Theos Augen leuchteten wieder.
"Ich gehe da jetzt raus. Renn um dein Leben und lass es nicht umsonst gewesen sein, sonst bringe ich dich um."
"Ich lasse dich nicht alleine." Ich konnte es kaum glauben, dass ich wirklich in Erwägung gezogen hatte, ihn zurückzulassen. Ich trat wieder näher und sah ihm in die Augen. "Wir lassen uns nicht gegenseitig zurück. So läuft das nicht."
Theo sah mich nicht an, aber er schüttelte leise lachend den Kopf und ich hatte noch nie etwas Traurigeres gehört.
"Es tut mir wirklich leid, Liam. Aber ich muss das jetzt tun."
"Was mei-" Ich hatte keine Möglichkeit, meine Frage auszusprechen, denn plötzlich verpasste mir Theo einen Kinnhaken, der mich meterweit zurückwarf. Ich knallte gegen das Fenster und es zerbrach hinter mir. Ich konnte mich gerade noch mit meinem gesunden Arm am Fensterrahmen festhalten, bevor ich in die Tiefe fiel. Aber als ich realisierte, was Theo vorhatte, war es bereits zu spät. Die Tür fiel hinter ihm zu. Ich hörte Schüsse und das Jaulen eines Wolfes. Es traf mich bis ins Mark. Und dann wurde es still.
"Liam!", schrie mir plötzlich eine Stimme von oben zu. Ich legte den Kopf in den Nacken und versuchte zu erkennen, wer da meinen Namen rief, aber durch den Tränenschleier konnte ich nichts sehen.
"Gib mir deine Hand!" Es war Derek. Ich folgte seinem Befehl und streckte meine Hand nach oben.
Später bereute ich es. Ich hätte dort hängen bleiben sollen, bis mich die Kräfte verließen und ich loslassen und in den Tod stürzen musste. Denn ich hatte ihn zurückgelassen. Ich hatte ein Rudelmitglied sterben lassen und dafür verdiente ich selbst den Tod.
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i'm not gonna save you ➸ thiam
FanficLiam Dunbar x Theo Raeken "Ich hab's einmal gesagt und ich sage es dir auch gerne nochmal. Wenn es darauf ankommt, werde ich dich nicht retten." *** Eine Geschichte, in der Liam Dunbar und Theo Raeken tagsüber ihre Gefühle verstecken, um sie in der...
Prolog
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