#9 - Mörderlaune

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„Ruf ihn an."

Jana sah mich auffordernd an.

„Was?", sagte ich benommen.

„Ruf ihn an. Jetzt. Sofort", wiederholte sie und Caro neben ihr runzelte die Stirn, sagte aber nichts.

„Ich ruf ihn nicht an", gab ich zurück und verschränkte die Arme. „Wieso soll ich ihn anrufen?"

„Weil ich das will. Und weil du fragen musst, was das soll!"

Sie strich sich wütend eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ihre graublauen Augen funkelten. Sie war genauso wie ich ziemlich ...durch den Wind. Nur dass sie nicht den Schmerz fühlte, der sich durch mich hindurchbohrte wie ein scharfes Schwert.

„Ich ruf ihn nicht an", sagte ich noch einmal geduldig. Meine Stimme war ganz ruhig. „Jana, bei denen ist es jetzt-", ich sah auf meine Armbanduhr, „-ungefähr fünf Uhr morgens. Da werde ich ihn kaum erreichen."

Ich schluckte.

„Davon abgesehen will ich gar nicht mit ihm reden."

Jana öffnete den Mund, um zu protestieren, aber ich fuhr unbeirrt fort: „Irgendwann wird er sich eh wieder bei mir melden. Ich werde ihm nicht hinterherrennen. Und ich werde ihm nicht hinterherweinen. Ich werde mich nicht bei ihm melden, wenn dann muss er mich anrufen."

„Sehe ich auch so", pflichtete mir Leo bei. Er lehnte hinter mir am Sofa. „Er hat die Scheiße gebaut, und das sollte er jetzt auch wieder alleine gerade biegen, ohne dass du ihm überhaupt sagst ‚hey, ich bin megasauer und verletzt, du A...' Ihr wisst schon. Sam macht jetzt gar nichts."

„Doch, macht sie wohl", widersprach Caro.

Bitte was?

„Sie wird heute Abend mit mir Party machen", stellte sie klar und ich stöhnte auf.

„Vergiss es. Vergiss es, Carolina, niemals", gab ich zurück und schüttelte vehement den Kopf. „Vergiss es."

„Caro hat Recht", kam jetzt von Mom.

Mein Magen sackte nach unten. Na toll, meine eigene Mutter stellte sich gegen mich und hielt zu meiner besten Freundin. Der Tag wurde ja immer besser.

„Ich stelle mich überhaupt nicht gegen dich", widersprach Mom und sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun. „Ich finde Caros Vorschlag gut. Ich will nicht, dass du heute Abend weinend in deinem Bett liegst und dir ein One Direction-Video nach dem anderen anschaust und dich selber damit quälst!"

„Das würde ich gar nicht machen", murmelte ich.

Jeder hier in diesem Raum wusste, dass das gelogen war.

Sie sahen mich alle vier nur an. Caro zog eine Augenbraue hoch und ich räumte ein: „Okay okay, ich würde es machen. Aber das ist immer noch meine Sache."

„Nein, ist es nicht." Jana sah mich finster an. „Wir leiden alle mit dir und wir machen das alle gemeinsam mit dir durch. Du gehst heute Abend mit Caro weg, egal wohin, Hauptsache du lenkst dich ab. Oder lässt dich ablenken. Du. Bleibst. Nicht. Zuhause. Sitzen."

„Sind wir hier in einer Diktatur oder was", grummelte ich, aber mein Widerstand bröckelte. Ich hatte eh keine Chance gegen die vier.

Eigentlich war es schon eine gute Idee, mich abzulenken. Ich konnte an Harrys Statement eh nichts ändern, da würde in meinem Zimmer sitzen und um ihn weinen auch nichts nützen. Dann sollte ich mich lieber vergnügen  – oder versuchen mich zu vergnügen –  damit ich nicht in ein zu tiefes Loch fiel, falls das mit seinem Singledasein wirklich wahr war.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt