Momentaufnahme - Die Kunstfälscher

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Wir verließen das Haus. Direkt davor parkte der schöne Wagen meines Kumpels. Ich kenne mich mit Autos nicht aus, ich kann Dir nicht sagen was für einen Wagen er fährt. Es ist ein Cabrio, das weiß ich. Es ist ja auch egal, was wir fahren. Wir fahren, das ist wichtig! Wir steigen ein und fahren Richtung Innenstadt die graubedeckte Hauptstraße entlang. Ich sitze auf dem Beifahrersitz und lasse den Arm aus dem Auto hängen. Er baumelt von außen gegen die Tür. Ich lasse meine Muskeln entspannen und ihn vom Wind erfassen.

Es läuft laute, aber entspannte Musik. Er hat die Kippe im Mundwinkel liegen und seine Raiders-Cap thront, wie eine Krone, auf seinem Kopf. Er richtet sie sich, nachdem er in den nächsten Gang geschaltet hat und ich sehe das Tattoo auf seinem Handrücken. An seinem Arm glänzt die neue Uhr, die ihn noch selbstbewusster wirken lässt, als er es ohnehin schon ist. Man merkt, dass es uns gut geht. Wir stehen auf, fahren im Auto umher und tun so als würde es keine Arbeit geben. Das ist eine wahre Kunst, oder?

Doch unser Hobby ist unser eigentlicher Beruf. Wir kopieren. Ja, wir kopieren Kunstwerke und verkaufen diese auf Flohmärkten an naive alte Männer, die denken damit Geld machen zu können. Wir verkaufen sie, indem wir uns als unwissende Trottel, die die Werke vom Schrott oder aus Gebrauchtmöbelhäusern haben, ausgeben. Die Männer sind meist in den Sechzigern oder Siebzigern und kennen sich mit dem Zeug gut aus. Sie verbringen ihr Leben damit solche Kunstwerke zu analysieren. Trotzdem fallen sie auf unsere Imitate herein.

Oft fragen die alten Männer auf den Flohmärkten uns, ob wir irgendwo eine Signatur gefunden haben. "Nein", antworten wir ihnen, in dem Wissen, dass unsere Initialen im Bild zu finden sind. Sie sind so klein geschrieben und so gut versteckt, dass sie nur jemand finden kann, der weiß wo er suchen muss. Sie kaufen die Bilder auch ohne Signatur, denn die Stile von Degas und Co. sprechen für sich, genau wie der Kauf der Bilder für uns spricht.

Nebenbei studieren wir. Nebenbei, wie das klingt. Ja, es wird nebenbei am Laufen gehalten um den restlichen Tag zu füllen und dem Tatendrang entgegen zu wirken. Auch wir können nicht den ganzen Tag vor der Staffelei sitzen und Monet oder van Gogh nachahmen.

So fahren wir also die Straße entlang und machen durch die Musik auf uns aufmerksam. Die Leute gucken uns an. Wir genießen es. Wir lieben die Blicke. Wir lieben sie, auf unseren Bildern und auf uns. Wir sind Kunstfiguren.

No. 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt