I.

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Sie wurden Lunatics genannt, die Wahnsinnigen. Meine Eltern haben mich von klein auf vor Ihnen gewarnt. Angeblich waren es wortwörtliche Monster in Menschengestalt. Es wurde viel über sie erzählt, sie waren berüchtigt und gefürchtet. Sie streunten durch die Wälder,entführten Wanderer die sich zu nah an ihr Revier wagten und folterten und ermordeten diese. Ihr kleines Dorf, welches sie direkt nach dem Krieg, nach Tag X, eingenommen hatten wurde mit den Habseligkeiten ihrer Opfer geschmückt, so erzählte man es sich seit Jahrzehnten. Und doch hat man nie eine Leiche gefunden. Allerdings tauchten die Vermissten auch nie wieder auf. Keiner wagte sich in die Wälder und aus diesem Grund stellte nie jemand Nachforschungen an. Alleine in meiner Stadt verschwand plötzlich eine ganze Schulklasse. Und das schlimme war, dass es einfach so hingenommen wurde. Natürlich gab es die ersten Wochen viele Gedenkminuten, Spendengalas für die Hinterbliebenen und das Versprechen endlich diesem Rätsel auf die Spur zu gehen. Und das wurde Jahr für Jahr versprochen, seitdem der Krieg sein Ende fand. Ohne Ergebnis, weil es niemals jemand in Erwägung zog etwas zu unternehmen. Die eigene Sicherheit stand an erster Stelle. Ich glaubte trotzdem nie so ganz daran, dass es einen Haufen Irrer in mitten der Wälder gibt. Allerdings wurden ich und meine zwei besten Freunde Kelly und Ryan eines besseren belehrt.

Wir wollten einfach nicht hören. Und wir waren wahnsinnig Leichtsinnig. Nach 22 Jahren wollten wir uns endlich über die Anweisungen unserer Eltern hinwegsetzen und auf eigene Faust die Wälder durchforsten. Irgendwo musste es doch eine Spur geben, wo die Schüler hin waren. Und wenn es einfach nur das ausgebrannte Wrack des Schulbusses war,dann wüssten wir, was aus den 13 Jungen und Mädchen geworden war. Wir planten den Trip einige Wochen und endlich war es so weit. Mit Ryans SUV fuhren wir zwei Stunden circa. Ausgestattet mit Navi,Handys und Verpflegung stapften wir über Wurzeln, durch kleine Bäche und fanden einen kleinen Campingplatz. Vor Ausbruch des Kriegs musses dort echt schön gewesen sein. Es gab einige verwahrloste Campingwagen, einen großen Platz mit Feuerstellen, die mal zum grillen gedient haben. Zum See war es auch nicht weit und einen Strand gab es auch. Natürlich hat sich die Natur in den 20 Jahren viel zurück geholt, der Weg zum Strand war komplett zu gewuchert, in den Campingwägen war alles voller Unkraut, welches sich durch die morschen Verkleidungen geschummelt hatte. Wir beschlossen kurz eine Pause einzulegen und zu überlegen wie es weiter gehen sollte, denn bis jetzt hatten wir nichts gefunden. Kein ausgebranntes Schulbuswrack, keine verirrten Schüler und, zum Glück, auch keine Leichen. Sie blieben weiterhin wie vom Erdboden verschlungen. Stattdessen wurden WIR gefunden und es ging alles furchtbar schnell. Wir wollten gerade weiter ziehen, auf einmal stand uns eine Gruppe gegenüber die direkt aus dem Wald gekommen sein musste. Sie hatten Waffen und befahlen uns mitzukommen. Ich wollte weg laufen, mich irgendwie in Sicherheit bringen aber ich kam nicht weit. Alles was ich noch mitbekam war ein dumpfer Schlag auf den Kopf und alles wurde schwarz um mich herum.

Und nun saß ich da, in einem winzig kleinen Raum der stockfinster war. Mein Kopf dröhnte immer noch und meine Handgelenke schmerzten. Sie hatten mich mit Kabelbindern an ein altes Heizungsrohr gefesselt. Von Ryan und Kelly fehlte jede Spur. Ich wusste nicht wie lange ich bewusstlos war. Ich wusste nur, dass die Lunatics, ich hatte keine Zweifel daran, dass sie es waren, verdammte Realität waren. Die Zeit wollte nicht vergehen, ich saß seit gefühlten Stunden auf dem eiskalten Steinboden und wartete. Worauf wusste ich allerdings selber nicht so genau aber sie würden mich schon nicht da drin verrecken lassen. Hoffte ich jedenfalls. Draußen hörte ich ständig Schritte die an meinem Raum vorbei gingen. Sie lachten und unterhielten sich als sei es das normalste der Welt, dass sie ein gefesseltes Mädchen zu Gast hatten. Die Stunden vergingen und keiner kam herein. Ich versuchte irgendwie klare Gedanken zu fassen. Was sollte ich nur tun? Den passenden Moment abwarten und fliehen? Die Gruppe die und über fallen hat war schwer bewaffnet, das würde wahrscheinlich nicht klappen. An ihre gute Seite appellieren? Hatten diese Leute überhaupt eine gute Seite? Ich hatte vorher noch nie gehört, dass irgendwer von den Lunatics laufen gelassen wurde. Vielleicht sollte ich mich einfach mit meinem Schicksal abfinden. Nur hatte ich immer noch keine Ahnung was mit mir passieren würde. Durch die Schlitze der verrammelten Fenster sah ich, dass es langsam dunkel wurde. Es war Sommer, also musste es schon ziemlich spät sein. Langsam merkte ich,dass ich hundemüde war. Den ganzen Tag unterwegs und nun diese äußerst unbequeme Lage. Und scheinbar ausweglos. Langsam gab ich mich mit dem Gedanken ab, in dem Raum elendig zu verrecken. Hoffentlich dauerte es nicht zu lange. Langsam driftete ich in einen unruhigen Schlaf ab.


Mit einem Tritt gegen meine Füße wurde ich unsanft geweckt.„Aufwachen!" Ich kniff die Augen zusammen um zu erkennen wer mich da herum kommandierte, es war mittlerweile nämlich noch dunkler und ich konnte absolut nichts sehen. Die Person die vor mir stand war männlich und hatte ein ziemlich tiefe, raue Stimme."Wir hätten dich fast vergessen, dabei haben wir etwas großes mit dir vor" Und schon wurde der Kabelbinder durchtrennt und ich unsanft an meinem Arm hochgezogen. Raus aus dem Raum und endlich wieder ins Helle. Allerdings schmerzte das grelle Kunstlicht in meinem Augen, die sich so schnell gar nicht an die Umstellung gewöhnen konnten. Es ging schnell einen langen Gang hinunter. Es schien, dass dieses Gebäude mal eine Schule war. Der Mann, der mich geweckt hatte ging vor und zog mich einfach hinter sich her. Seine Kleidung war nicht mehr die schönste, völlig ausgefranst und zerschlissen. Er hatte kahl rasierte Haare und sein rot gefärbter Irokesenschnitt hing ungestyled herunter. Es war ein wahnsinnig langer Flur und er hatte einen extrem schnellen Schritt drauf. Aber am Ende des Ganges kamen wir endlich ans Ziel. Er schmiss mich auf einen Stuhl und setzte sich mir gegenüber. Es war wohl mal das Zimmer des Direktors. Erst jetzt konnte ich erkennen, dass sein Gesicht wie ein Totenkopf geschminkt war.

„Wo sind meine Freunde? Wo bin ich hier und was wollt ihr von mir?"Unzählig viele Fragen schossen mir in den Kopf. Aber ich bekam keine Antwort, nur ein gleichgültiges Grinsen. Er lehnte sich zurück und beobachtete mich. „Was soll der Scheiß???"Es machte mich wütend. Extrem wütend sogar. Am liebsten hätte ich ihm eine runter gehauen aber er war einen Kopf größer als ich und wahrscheinlich auch viel,viel stärker. „Ich will nach Hause, verdammt nochmal."Undendlich brach er sein Schweigen. „So,so. Auch noch Ansprüche stellen. Außerdem stelle ich hier die Fragen." Seine fast schwarzen Augen ließen nicht von mir ab. „Dann stell deine scheiß Fragen und lass mich gehen!" Er lehnte sich wieder vor und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Nicht so frech, Kleines." Ohne noch ein Wort zu sagen widmete er sich dem Inhalt der heruntergekommenen Schublade und kramte gedankenverloren darin rum.„Ich sag diesen Nichtsnutzen ständig...wirklich STÄNDIG, dass die hier nicht herumschnüffeln sollen. Es ist wieder alles durcheinander", murmelte er genervt und schlug die Schublade mit einem lauten Knall zu. „DANCER!!!! Beweg deinen faulen Arsch hierher und such die scheiß Tasche!!!" rief er durch das geöffnete Fenster. Keine fünf Minuten später öffnete sich die Tür und ein Junge, vielleicht grade mal 15 Jahre, kam rein. „Zu Befehl, Balor."Er war völlig außer Atem. Ich schaute den vermeintlichen Anführer an. Balor also.... passte ganz gut zu ihm. Er lächelte mich an.„Entschuldige die kleine Unterbrechung. Wie wäre es so lange mit ein wenig Smalltalk?" Ich drehte den Kopf weg und schaute nach draußen, auf den großen Schulhof, der nach all den Jahren aber auch mehr als heruntergekommen war. „ich scheiß auf deinen Smalltalk!"Balor seufzte. „Wenn du so weiter machst, werde ich andere Maßnahmen aufziehen müssen. Aber wir können ja schon mal konkreter werden. Was habt ihr hier verloren?" Vom den vermissten Kindern wollte ich nichts sagen, wahrscheinlich wüsste er am besten wo sie waren. Ich stellte mich völlig unwissend. „Wir wollten einfach nur eine Runde wandern gehen" Mit einem erzwungenen Lächeln schaute ich ihn an und wusste direkt, dass er mir kein Wort glaubte. „Als ob. Die Gegend hier ist überall verschrien und die Geschichten die ihr euch über uns erzählt, haben so eine große Reichweite, dass wir sogar bestens im Bilde sind. Ihr habt Angst vor uns. Und ganz ehrlich, das hätte ich auch!" Er lachte laut auf. Aber direkt wurde er wieder ganz ernst, stand auf, kam zu mir und beugte sich herunter. „Du sagst jetzt lieber was ihr hier zu suchen hattet,ansonsten zeige ich dir was an den Gerüchten über uns dran ist!"


Hunting HumansWhere stories live. Discover now