Portadown, Teil 1

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In Portadown, einer Kleinstadt im County Armagh, hatte Anne Bekannte. Ihr erster Eindruck, als sie in der Provinzstadt ankam, - furchtbar! Am späten Nachmittag lief sie durch die Geschäftsstraßen und fand die Läden mit Stahlgittern und dicken Holzbrettern gesichert. Kein Mensch war auf der Straße. Die Stadt schien gähnend leer. Anne wusste natürlich, dass Bürgerkrieg herrschte, war aber dennoch von diesem Anblick schockiert. 

Ihre Bekannten in der Queen Street nahmen Anne sehr herzlich auf, servierten Tee und Abendbrot und gaben ihr gute Tipps, wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte. Einen Schlafplatz konnten sie Anne nicht bieten. Sie waren selber arm und das Häuschen, in dem sie wohnten, war winzig klein. So zog Anne in das einzige Hotel am Ort. Von dort aus ging sie auf Wohnungssuche, fand auch bald eine, die 200 britische Pfund kosten sollte und zog ein. Als Übergangsfinanzierung nahm sie ein Darlehen beim Sozialamt in Anspruch, bis sie einen Bügel-Service in ihrer Wohnung eingerichtet und zum Laufen gebracht hatte. Durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfe in Nordirland erfuhren die deutschen Behörden ihre Adresse und gaben diese an ihren Mann weiter. Es dauerte nicht lange, bis dieser vor ihrer Tür stand. Anne reagierte sofort und rief die Polizei. Ein Beamter kam zu Anne in die Wohnung und ein anderer verhandelte mit ihrem Mann. Am Ende wurde ein Kompromiss geschlossen. Ihr Mann durfte sie nur dann besuchen, wenn er ihre Kinder mitbrachte. Zwei Wochen später kam er erneut nach Portadown, mit Anne's Kindern im Schlepptau und vergewaltigte Anne vor den Augen ihrer Kinder. Erneut rief Anne die Polizei, berichtete, was vorgefallen war und daraufhin wurde Anne's Mann der Wohnung verwiesen. Die Kinder nahm er wieder mit nach Deutschland. Von ihrem älteren Sohn hatte sie erfahren, dass er selber in einer Pflegefamilie untergekommen war, während sein jüngerer Halbbruder zurück zu seinem gewalttätigen Vater musste. DAS hatte Anne keinesfalls gewollt! Vom Jugendamt in Deutschland bekam Anne lange keine Unterstützung. Dort war man der Ansicht, dass Anne ihre Familie grundlos verlassen hatte und erst mal nach Deutschland zurückkehren sollte. Anne weigerte sich entschieden.

Alle paar Monate tauchte Anne's Mann erneut in Portadown auf. Zu seinen Besuchen brachte er immer seinen jüngsten Sohn mit. Der Kontakt zu ihrem älteren Sohn, der die Nase gestrichen voll hatte von den Gewalt-Exzessen seines Stiefvaters und dem seine Mutter nichts mehr bieten konnte, brach ab.

Immer wieder wurde ihr Mann nach einigen Tagen von der Polizei aus Anne's Wohnung geholt und schließlich des Landes verwiesen. Er durfte in Großbritannien, zu dem Nordirland gehörte, nicht mehr einreisen. Damit Anne auch weiterhin regelmäßig ihren Sohn sehen konnte, wenn auch nur für ein paar Stunden, wurden die Besuche nach Dublin verlegt. So ging das einige Jahre lang. Nachdem aber ihr Mann bei seinem letzten Besuch gewütet hatte wie ein Berseker, hatte Anne die Nase gestrichen voll, fuhr vorzeitig zurück nach Portadown und reichte die Scheidung ein.

Anne hielt telefonisch Kontakt zu ihrem Sohn. Sie rief ihren Sohn immer dann an, wenn ihr Mann Schichtdienst hatte und erfuhr so auch, dass ihr 10-jähriger Sohn während der Abwesenheit seines Vaters ohne Betreuung war; auch während der Nachtschichten. Als Anne diesen Zustand dem Jugendamt mitteilte, reagierte man dort endlich. Ihr Sohn kam in eine Kindertagesstätte, wo er regelmäßige Mahlzeiten erhielt und Hausaufgabenbetreuung bekam. Aber die Psyche des Jungen hatte durch die erlebte Gewalt längst Schaden genommen, der kaum mehr zu therapieren war. Das Kind verschloss sich allem, vertraute niemandem mehr und wurde zum Außenseiter.

Von der Polizei erfuhr Anne später, dass häusliche Gewalt sich innerhalb der Familien "vererbt". Aus Opfer werden Täter.....

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