98. »Schon eine Weile her.«

1K 124 6
                                    

Ertappt schoss mir die Röte ins Gesicht. »Ach was!« Jason hatte das spöttische Lächeln erfolgreich verdrängt und schien wieder völlig ernst zu sein. Ernsthaft, wie machte er das bloß? Seine Stimmungsschwankungen waren ja schlimmer als meine! »Okay. Ich würde aber trotzdem den Daumen lockerer machen und ein bisschen...aufrechter stehen?«, schlug Jason vorsichtig vor.

Wirklich, ich versuchte seinen Anweisungen Folge zu leisten. Aber irgendwie... Irgendwann, nach dem vierten oder fünften Versuch, packte Jason meinen Arm und schob ihn in die richtige Position. »Das sieht schon viel besser aus«, seufzte er. Mir fiel auf, dass seine Hand immer noch auf meinem Arm lag. Nicht, dass mich das störte...aber es machte mich nervös.

Auf einmal schien mein Arm viel empfindlicher, spürte das leichte Gewicht von Jasons Hand mit jeder einzelnen Zelle. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, nahm er seine Hand wieder weg, aber ich sah seinen verunsicherten Blick. Wahrscheinlich lag das an meiner Unfähigkeit. Ich versuchte, mir die Position der Klinge irgendwie einzuprägen, auch wenn es aussichtslos war.

Matt war bereits an mir verzweifelt und Jason mit Sicherheit auch kurz davor. Ich ließ den Arm mit dem Schwert sinken und seufzte leise. Warum hatte ich nicht wenigstens ein klein wenig Talent, was Schwertkampf betraf? Das würde so viel erleichtern. Die Schwärze kam so unvermittelt, dass ich keine Zeit mehr hatte, mich zu verabschieden.

Ein letzter Blick auf Jasons Gesicht, der eine grüblerische Miene aufgesetzt hatte, dann war ich zurück am Waldrand bei Luke, Alecya und den andern. Zu meiner Verwunderung war es immer noch stockdunkel und im ersten Augenblick schien alles ganz normal.
Dann jedoch  wurde mir bewusst, dass Tymian neben mir kniete und mich wohl wachgerüttelt hatte.

Seine Augen, die er auf einen Punkt im Wald gerichtet hatte, strahlten Wachsamkeit aus und als ich seinem Blick folgte, sah auch ich den Grund: ein dunkler Schatten stand dort wenige Meter entfernt und hielt eine Waffe in den Händen. Neben mir setzte sich Alecya gerade auf und machte einen entsetzten Laut. »Darks?«

Mittlerweile waren alle wach, Attica erhob sich langsam. »Hat es dir nicht gereicht, dass wir deine schmutzigen Freunde platt gemacht haben?«, zischte sie in Richtung der Gestalt, die immer noch bewegungslos in ihrer Position verharrte. Dann erfüllte eine tiefe, gebieterische Stimme die Luft, als der Fremde zu sprechen begann.

Mir lief eine Gänsehaut über die ganze Haut. »Wahrscheinlich haltet ihr mich für einen Feind, aber es interessiert mich nicht, welchen Seiten ihr euch angeschlossen habt. Mein Interesse gilt einzig und allein eurem Geld. Unter anderen Umständen könnte man behaupten, ich wäre ein normaler Dieb, der hier sein Unwesen treibt.

Allerdings brauchen wir uns nichts vorzumachen. Ich weiß genau, dass Pistolen euch nichts anhaben können, weshalb ich auch zu anderen Waffen gegriffen habe«, begann der Fremde. Das war äußerst beunruhigend. Ein neuer Trick der Darks? »Du bist ein einziger gegen uns alle. Denkst du ernsthaft, du hättest eine Chance?«, grollte Attica.

Ein Lachen wogte zu uns hinüber, während der Fremde einen Schritt nach vorn machte. »Wer sagt, dass ich allein gekommen bin?« Ein weiterer Schritt und endlich fiel ein wenig Licht auf den Fremden. Es handelte sich um einen Mann, vielleicht 25 Jahre alt, dunkelblondes Haar und kräftige Statur. In seinen Händen hielt er etwas, das einem Schwert ähnelte und in seinen Augen schien ein Feuer zu flackern.

Ein weiterer Schauer überfuhr mich. Dann überraschte mich Alecya mal wieder. Sie sprang auf und lief dem Fremden entgegen, bis sie kurz vor ihm stand. »Fennus!«, rief sie. Moment mal. Alecya kannte diesen Typen? Gespannt auf seine Reaktion starrte ich auf die beiden. »Was tust du da?«, zischte Attica aufgebracht, doch keiner achtete auf sie.

Stattdessen konnten alle genau beobachten, wie der Fremde seine Waffe fallen ließ und sein Gegenüber fassungslos anstarrte, bevor er Worte fand. »Alecya«, murmelte er und rieb sich ungläubig übers Gesicht. »Schon eine Weile her.« Ihre Stimme zitterte leicht, als Alecya ihm antwortete. »Gott sei Dank geht es dir gut. Als du verschwunden bist, dachten wir...ach, egal, du bist hier!«

Sie lachte vorsichtig auf. »Was machst du hier?«, fragte Fennus mit seiner gebieterischen Stimme und warf einen verunsicherten Blick auf uns. Alecya schob sich nervös ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht und murmelte: »Lange Geschichte« gefolgt von einem beschämten »Es ist nicht das, wonach es aussieht.«

»Tut mir ja sehr leid, euch unterbrechen zu müssen«, ertönte Tymians Stimme, »Aber ich verlange eine Erklärung. Und wie es scheint, die anderen auch.« Da hatte er allerdings Recht. Was in aller Welt war da gerade passiert?

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt