1 (Ana)

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                                                                    !!! *~ LESEPROBE ~* !!!



Teil Eins

ANOREXIA NERVOSA

Oder auch:

Ana

Die anorektische Frau lehnt das Essen ab und beschäftigt sich doch mehr damit als die meisten Gourmets.

- Alexa Franke: Wege aus dem goldenen Käfig – Anorexie verstehen und behandeln.



1(Ana)



Die Sonne strahlte auf mein Gesicht und ich spürte, wie mein Körper das Vitamin D aufnahm, wie meine Poren regelrecht die Strahlen einsogen. Sicher reflektieren meine Haare das Sonnenlicht, wie die meiner Mutter, wenn sie sich bewegte. Zum ersten Mal hatte ich dies letztes Wochenende am See bemerkt. Zufrieden lehnte ich mich zurück. Es hatte schon lange kein so herrliches Wetter mehr gegeben, ich liebte die Sonne und die Wärme. In meiner Hand hatte ich ein Glas Cola mit Eiswürfeln, die langsam in der Hitze schmolzen und die Cola kühl hielten. Ich hatte ein Buch auf dem Schoß und saß auf unserer Terrasse, auf einem Stuhl, und genoss das schöne Wetter. Jetzt, in den Ferien, hatte ich mehr Zeit zum Lesen. Meine Bücher waren in letzter Zeit viel zu kurz gekommen, wegen des Unterrichts und den Unternehmungen mit meinen Freundinnen. Neben mir saß mein Vater, er war Biologielehrer an einem Gymnasium und bereitete jetzt schon den Unterricht für das nächste Schuljahr vor. Nie machte er eine Pause, er musste immer Arbeiten! Egal wo er war, sein Tablet hatte er immer dabei und arbeitete. Ich krauste die Nase. Langsam ging mir das ziemlich auf die Nerven. Er war zu einem Smombie mutiert, wie die Jugendlichen mit ihren Handys. Sprach man sie an, antworteten sie erst drei Minuten später, nur das mein Vater sein Tablet statt seines Handys hatte. Okay, ich machte das auch manchmal, aber wer hat noch gleich behauptet, ich wäre perfekt? Außerdem war er durch seine ganze Arbeit ziemlich gestresst und wir, meine Schwester und ich, bekamen dies ab. Es gab Tage, da durften wir keinen Lärm machen, sonst wurde er sauer. Wir schwiegen beide, waren ganz in unsere Sachen vertieft und genossen das Schweigen, welches zwischen uns herrschte. Meine Mutter kam gut gelaunt mit ein paar Schälchen und einer Eisbox durch die Terrassentür. Aus war es mit der Stille. »Möchte jemand eine Portion Eis?«, fragte sie fröhlich. Ihre schwarzen Locken wippten, während sie auf uns zu tänzelte. Wie ich geahnt hatte, funkelten ihre Haare unter der Sonne. Mit einer Leichtigkeit, die an eine Fee erinnerte, stellte sie die Box auf dem Metalltisch ab und machte den Deckel auf. Sie füllte sich etwas cremiges Erdbeereis in eine Schüssel und aß es langsam.

»Später«, murmelte ich.

»Ein bisschen bitte«, sagte mein Vater, knapp fünf Minuten später. Er sah dabei lächelnd von seinem Tablet auf, bevor er sofort wieder seinen Blick senkte.
»Maya, du auch?«, fragte sie.
»Ich nehme mir gleich«, wiederholte ich Augen verdrehend, denn ich war gerade wunderbar in meinem Buch vertieft gewesen, und sie hatte mich aus der Geschichte gerissen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Mutter sich aufrichtete und den Kopf ins Haus steckte.

»Emilia! Willst du Eis?«

Ich hörte, wie oben im Haus eine Tür laut aufging und dann wieder zugeschlagen wurde. Fast zeitgleich polterte meine kleine Schwester die Treppe herunter und stürmte heraus.

PERFECTION- Die Geschichte eines LeidensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt