" Sagt mir Pater, kommt man auch als Mörder in den Himmel?"
Schweigen von der anderen Seite der Beichtkammer, nur ein leises, regelmäßiges Atmen durchdrang die warmen Holzwand zwischen dem in einen Mantel gehüllten Mädchen und dem Pastor der hiesigen Kirche.
" Sagt mir mein Kind...", begann er die Stimme zu erheben, sie zitterte nicht, was das Mädchen auf der anderen Seite ein wenig erstaunte. Aber Pater müssten solche Gespräche bestimmt gewohnt sein, dachte sie leise bei sich und drückte ihr Ohr gegen das Holz um seinen Worten besser lauschen zu können.
" ... Was um alles in der Welt habt ihr getan, dass ihr solch eine Frage stellen müsst?"Wieder kehrte Stille ein. Eine Stille die Zeit und Raum in ihrer mit schwingenden Spannung zu verschlingen schien... Ein dumpfes Klopfen gegen die Trennwand durch brach sie jedoch nach einigen wenigen Sekunden. Der Kopf des Mädchens war dagegen gesunken und ruhte nun auf ihrer Schulter. Ihr trüber Block war nach unten gewandt und für einen kurzen Moment schien es, als wolle sie aufstehen und einfach wieder aus dieser kleinen Holzbox gehen. Hinaus in eine Welt, die ihr eh nichts mehr zu bieten hatte, zumindest in ihren Augen.
" Sprich, welch eine teuflische Hand verführte dich zu so einer abwägigen Fragen hier im Hause des Herren? Ich werde mir auch nicht erlauben ein Urteil über deine arme Seele zu fällen, dies alleine kann nur der Vater selbst", versuchte es der Pater ein zweites Mal. Seine Stimme war ruhig mit einem zu versichtigen Unterton, der ihr die Angst vor dem Worte nehmen sollte. Doch sein Plan ging nicht auf. Die andere Seite der Kammer blieb weiterhin stumm und in sich gekehrt.
" Tausende Tote. Und ich habe sie umgebracht. Ach was sage ich von tausenden, es müssen mehr gewesen sein! Alleine all die Kinder, die ich tötete, all ihre Lachen, die ich verstummte in einer Sekunde der Unachtsamkeit...", brach es aus ihr heraus und sie schloss für einen Moment ihre Augen...und sie sah. Sie sah ihr Land voller Licht und Freude, voller Gesang und Leben. Doch sie wusste das dieser Anblick ein Traum sein musste, denn es konnte nicht mehr sein wie einst. Es war nie wirklich so gewesen! Es war...
" Tausende?" Wiederholte er ihre Worte, etwas leiser, etwas nachdenklicher, etwas bedrückter. "Wie kam es dazu? Was hast du getan und vorallem mein Kind...warum hast du so eine unchristliche Tat begangen?" Fragen über Fragen die sich in ihrem Kopf breit machten und für jede hatte sie eine Antwort, eine Antwort die jedoch auf keine der Fragen wirklich Auskunft zugeben schien.Sie hatte Geschichten, sie hatte eine Geschichte! Und diese musste sie ihm erzählen, damit er auf ihre Frage antworten konnte, damit er verstand warum sie nun neben ihm in dieser Kabine stand. " Es begann alles, als ich nach London kam... nein es begann früher viel früher. Etwa... Naja so viel früher dann doch nicht. Oder?" Sie schwieg mit tausend Worten auf der Zunge, unfähig auch nur eines davon in einen sinnvollen Satz einzubinden. Tausend Bilder schossen ihr durch den Kopf, tausend Geschichten die sie ergänzen müsste, damit er, der der ihr gegenüber saß auch nur ansatzweise begreifen konnte worum es hier überhaupt ging.
" Lasst mich beginnen Pater an dem Tag, an dem ich meinen Titel bekam"
" Euren Titel? Wie lautet er?"
" Genau das will ich euch ja erzählen... es geschah vor einem Jahr, dass..."
