Prolog

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Das ist eine Geschichte für den Frieden :)


Könnt ihr mir verraten, was ihr von mir wollt? Warum seit ihr hier? Gibt es die Möglichkeit, dass ihr tatsächlich jedes demütigende Detail wissen wollt? Wollt ihr wissen, was ich alles mit meinen eigenen Augen sehen musste? Verdammte scheiße, dabei beneide ich euch doch, denn Unwissenheit muss so schön sein. 

Aber vielleicht habt ihr ja auch Recht und es ist endlich an der Zeit, dass ihr meine Geschichte hören sollt. Sie hört und versteht. Versteht, warum sich so etwas nie wieder wiederholen darf. 

Die ganze Sache fing damit an, dass der Strom ausfiel. Seit Tagen hatten es schon mehr oder minder schwere Störungen mit dem Handynetz gegeben. Wir alle hatten lautstark auf das billige E-plus-Netz geschimpft. Wie naiv wir doch gewesen sind. 

Stunden später schlug sich langsam das Gerücht durch, dass sämtliche mächtige Politiker das Land bereits vor Tagen überstürzt verlassen hatten. Es war zu der Zeit, als entschieden wurde, dass es nichts mehr zu retten gab. Dass das Schicksal dieses Planeten unumgänglich wäre. Ich wollte das nicht glauben und dennoch stiegen mir Tränen in die Augen.
Aber ja, die hatten uns tatsächlich in der Hölle alleine gelassen. Es war scheißegal gewesen, wo auf deinem Wahlzettel du ein Kreuzchen gemacht hattest.

Syrien sei nicht mehr da, schrien die Leute auf der Straße. Alles weg. Und die USA gleiche einer Wüste. Millionen von Menschen flüchteten Richtung Mexiko. Zusammen machten sie Trumps lächerliche Mauer einfach dem Erdboden gleich.  

Soldaten strichen nun vermehrt durch die Straße. Deutsche, Belgische, Französische und Kanadische. Aber das zählte nicht mehr, denn es gab so gut wie keine Länder mehr. Es war so, als wären die Grenzen nie da gewesen.
Es hieß auch nicht mehr Amerika gegen Russland oder Islam gegen Christentum oder Homos gegen Heten. Das alles hatte seine idiotische Bedeutung verloren. Niemand hielt zusammen, alle waren auf ihr eigenes Wohl fokussiert.
Ich habe Mütter gesehen, die ihre Babys in den Trümmer zurückließen. Die Schreie der Kinder, kriege ich nie wieder aus meinem Kopf.
Ich habe Albträume seit damals, schlimme Albträume. 

Es war das Jahr gewesen, an dem ich mich in der Uni einschreiben wollte. Ich hatte den Traum gehabt, Lehrerin zu werden. Die Pläne verfielen in Sekundenschnelle im Nichts. Ich hatte gar nichts mehr in den Händen. Aus meinem harterarbeitenden Abschlusszeugnis wurde Asche und Rauch.

Und es dauert nicht lange, da zogen bewaffnete Truppen umher. Die meisten meiner Nachbarn schlossen sich ihnen an. Sie versuchten grausam alles zu ergaunern, was sie kriegen konnten. Das Schlimmste aber waren die zahlreichen Vergewaltigungen. Manchmal waren die überwältigten Brüder und Väter im Raum und mussten zusehen.

Die starken Männer der Nation zerbrachen an dem Schicksal ihrer Frauen.

In dieser Zeit verließ ich mein zu Hause für immer. Ich zog umher, versteckte mich und schlief tagsüber, wanderte nachts. Ich war ständig auf der Suche. Ich weiß gar nicht mehr, was ich gesucht habe. Vielleicht war ich wirklich so naiv gewesen, dass wenn ich nur einen Ort zehn oder zwanzig Meilen weiter erreichen würde, dass dort der Frieden herrschen würde. So ein Scheiß. Frieden, das gab es vielleicht noch in Sibirien.

Asche und Staub legte sich innerhalb von Tagen auf alle Städte, von den meisten Gebäuden blieben nur riesige Trümmerstücke zurück.

Der Frieden war mein lang vermisster Freund auf dieser Reise und ich sehnte mich jede Nacht nach ihm. Manchmal weinte ich bitterlich, manchmal boxte ich aus Wut gegen Steine, bis mir die Knöchel bluteten und anschwollen. Fast jeden Tag brachte mich der Hunger fast um, noch schlimmer war der Durst. Dieser verdammte Durst, der sich in mein Gehirn fraß und meinem Körper dazu brachte, wie Feuer zu brennen.


Auf meinem Weg begegnete ich vielen grässlichen Leichen, denen große Teile Fleisch herausgeschnitten worden sind. Sie lagen einfach so auf der Straße. Ich bin nie so tief gesunken, Menschenfleisch zu essen.

Das ist der unbedeutende Teil meiner Geschichte. Der, in dem ich halbtot zwischen irgendwelchen Trümmern lag und auf Frieden wartete. 

Unsere Wege sollten sich erst noch kreuzen.

Eins solltet ihr niemals aus den Augen verlieren, während ihr mir zuhört. Ich erzähle die Geschichte von drei Schicksalen. Drei Schicksalen, von über sieben Milliarden. 

Der Weg, den wir gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt