Montag

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Vorweg: Das hier ist eine "Leseprobe" des ersten Kapitels, da diese Geschichte am 14.1.2016 (in überarbeiteter Form) als gedrucktes Buch und E-Book im Piper Verlag erschienen ist:-)

Montag

Glaubst du an wahre Liebe ? Hast du schon mal geliebt ? Bedingungslos, voller Hingabe und so richtig rosarot romantisch ? Tja, ich habe das getan. Beides. Und was ist passiert ? Der Junge, dem ich mein Herz geschenkt habe, hat es in den Dreck geschmissen und ist darauf herumgetrampelt, sodass es nie wieder ganz verheilen wird. Ich spüre die Wunden ­immer noch, nachts kurz vorm Einschlafen und nachmittags im Park, wenn ich verliebte Pärchen vor mir herlaufen sehe, vor allem aber hier und jetzt. Montagmorgen, erste Stunde, Mathe­matik. Mein absolutes Hassfach ! Neben mir sitzt Mara, meine beste Freundin, und kritzelt gedankenverloren auf dem Rand ihres Collegeblocks herum. Vorsichtig drehe ich meinen Kopf und linse nach schräg hinten, obwohl ich das eigentlich nicht sollte. Warum ? Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen : Leonard. Aber jeder nennt ihn » Leo «, was an sich supercool ist, hinzu kommt jedoch, dass er leider auch der Grund ist, warum man - sprich ich - sich auf keinen Fall zu ihm umdrehen sollte. Der Grund, warum mein Herz nicht mehr richtig schlägt und ich nicht mehr an die Liebe glaube.

Natürlich schaut er mich nicht an, und obwohl ich mich dafür hasse, wünsche ich mir so sehr, er würde es tun. Mich ein letztes Mal aus diesen unendlich warmen, goldbraunen Augen ansehen und sich dabei durch die dunkelblonden Haare fahren, wobei einige Strähnen in der Sonne beinahe kupferfarben hervorfunkeln würden, und dann denke ich an das kleine Grübchen, das er immer bekommt, wenn er lächelt.

Es wäre ja alles in Ordnung - na ja, nicht in Ordnung, aber immerhin erträglicher -, wenn er ein Exfreund wäre, wie er im Buche steht : ein oberflächliches, selbstgefälliges Arschloch, das nur mit den Mädchen spielt und dessen wahre Liebe einzig und allein seiner Playstation gilt. Aber so ist Leo nicht. Er ist lieb und nett, witzig und fürsorglich. Er gibt sich Mühe in der Schule, weil er später einmal Arzt werden will. Er passt nachmittags oft auf seine kleine Schwester Sophie auf und spielt in seiner Freizeit mit Freunden auf dem Bolzplatz in der Blumenstraße Fußball. Seine Lieblingsfarbe ist Dunkelblau - » wie meine Augen «, hat er mal gesagt. Ehrlichkeit ist ihm verdammt wichtig, und sein Lieblingsbuch ist » Frankenstein «. Ich kenne Tausende solcher Fakten, die ich jetzt herunterrattern könnte, aber was bringt mir das ? Außer noch mehr Herzschmerz ?

Jetzt, wo ich Leo so betrachte - den einladenden Schwung seiner vollen Lippen und die geraden, vor Konzentration zusammengezogenen Brauen -, ist es, als würde ich einen Fremden ansehen, dessen Gesicht mir aber auf sonderbare Weise vertrauter ist als mein eigenes.

Wir kennen uns schon seit der Grundschule. Ich erinnere mich noch genau an den kleinen Jungen, neben dem ich in der ersten Klasse gesessen habe, dessen Augen man kaum ­sehen konnte, weil sie immer hinter einem Vorhang aus zu langen fransigen Haaren versteckt waren, und dessen Schulranzen mit dem gelben Entenaufdruck viel zu groß war. Wir waren vom ersten Tag an beste Freunde. Zugegeben, ins­geheim habe ich, schon lange bevor wir letztes Jahr zusammengekommen sind, für ihn und sein Grübchengrinsen geschwärmt, aber es gab auch keine Anzeichen dafür, dass es für ihn mehr war als reine Freundschaft. Ich glaube, beim Übertritt aufs Gymnasium habe ich zum ersten Mal wirklich gemerkt, dass ich gerne » mehr « hätte. Da kam Mara zu uns in die Klasse, und ich habe kurz befürchtet, dass Leo sich nicht nur » rein freundschaftlich « für sie interessieren könnte. Hat er aber nicht, zum Glück, denn wir drei waren fortan wie Pech und Schwefel. Wir haben die letzten Jahre fast jede freie Minute zusammen verbracht. In der Schule, nachmittags, abends und sogar wenn Leo ein Fußballspiel mit seinen Kumpels hatte, haben Mara und ich keine Gelegenheit ausgelassen, ihn und seine Mannschaft anzufeuern. Letztes Jahr lag am Valentinstag dann plötzlich eine Rose von ihm auf meinem Tisch in der Schule und zwei ­Wochen später seine Lippen auf meinen. Es war perfekt. Zu gut, um wirklich wahr zu sein.

Der Leo PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt