73. »Schnapp sie dir endlich.«

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Mum, seine Schwester, schärfte mir immer ein, nichts zu Dad zu sagen.
Jetzt weiß ich auch, warum. Dad hätte ihn umgebracht, hätte er Harry getroffen, denn Harry war ein Abtrünniger. Er hatte die Darks verlassen und sich einer Gruppierung angeschlossen, die gegen die Darks arbeitete. Sie wollten das schwarze Amulett der Magier stehlen, um die Macht der Darks zu verringern.

Er wollte Mum, die einzige auf Seiten der Darks, die ihn noch traf, überreden, mich und Tiana bei den Abtrünnigen aufzuziehen, weil er fand, dass die Sichtweise der Darks uns vernichten würde.
Damals hatte ich natürlich keine Ahnung von dem Ganzen, ich wusste nur, dass von diesem Mann keine Gefahr ausging.

Als ein zweiter Mann hinzutrat und sich hinter Tiana stellte, um den Fluchtweg zu versperren, bekam ich dennoch Angst. Der andere Mann sagte zu Harry: 'Schnapp sie dir endlich. Wir haben nicht ewig Zeit!' Er packte Tiana an den Armen und begann, sie zum Auto zu zerren, das nicht weit entfernt stand. Ich werde nie ihre panischen Schreie vergessen.

Ich tat das Einzige, was mir in meiner Panik einfiel: Ich schrie. Meister Colin kam innerhalb weniger Sekunden herbeigerannt. Harry wollte nach mir greifen, aber Meister Colin zog sein Schwert und stellte sich schützend vor mich. 'Du wirst sie niemals hier herausholen', zischte er warnend. Harrys Kumpan hatte das Problem inzwischen bemerkt. Tiana schlug vom Rücksitz gegen die Scheibe und versuchte aus dem Auto zu entkommen, was ihr nicht gelang.

Es war abgeschlossen. Der andere Mann sah verzweifelt aus und zog plötzlich einen Revolver hervor, den er auf Meister Colin richtete. Ich schrie erschrocken und stolperte einige Schritte weg, aber Meister Colin lächelte bloß. 'Du weißt genau, wie nutzlos dieses kleine Ding ist', sagte er mit unheimlich ruhiger Stimme. Dann holte er aus und warf eine leuchtende Kugel auf ihn.

Im selben Moment fiel ein Schuss. Ich erwartete, dass Meister Colin fallen würde, da ich wusste, was passierte, wenn ein Mensch angeschossen wird. Aber er war kein Mensch, er war ein Drachenwandler, und gegen Handfeuerwaffen sind wir wegen irgendwelchen Eigenschaften unserer Schuppen immun. Mein Lehrmeister stürmte auf den Mann zu und schwenkte sein Schwert.

In seiner Not schoss der Mann weiter auf Meister Colin, aber ohne Erfolg. Und dann kam mein Lehrer vor ihm zum Stehen und versenkte sein Schwert in der Brust des Mannes.
Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich so nicht werden wollte. Harry neben mir verwandelte sich und floh in den Himmel hinauf. Ich glaube, ihm ist die Flucht gelungen, aber gesehen habe ich ihn niemals wieder.
Es wurde immer schwieriger, meine Meinung vor den anderen zu verstecken, je älter ich wurde. Irgendwann vertraute ich mich Tiana an.

Wir hatten seit Jahren nicht mehr davon geredet, und nun waren wir vierzehn und fünfzehn. Gemeinsam fassten wir den Entschluss, zu verschwinden, uns ein neues Leben aufzubauen, getrennt von diesem Wahnsinn, der uns seit unserer Kindheit umgeben hatte. Leider hatten wir nicht damit gerechnet, belauscht zu werden. Meine Mutter hatte alles mit angehört und stürmte daraufhin in das Zimmer.

'Das könnt ihr nicht tun!', rief sie entsetzt und versuchte uns zu überreden, dass wir mit zur Festung gehen sollten, wo wir andere Drachenwandler in unserem Alter treffen würden. Ich blieb eisern, auch Tiana ließ sich nicht beirren. In ihrer Verzweiflung schlug meine Mutter vor, uns den Weg zu Harrys Gruppe zu beschreiben, wo wir vor der Rache der Darks sicher wären.

Sie war zwar eine treue Anhängerin der Darks, aber ihr Kind war ihr wichtiger, denn wenn die anderen Wind von meinen Zweifeln bekommen hätten, wäre ich jetzt tot.
So kam es, dass wir einen Tag auswählten, an dem mein Vater und einige andere zu einem Botengang aufbrachen. In dieser Nacht hatte ich meine erste Vision.«

Alecyas Stimme brach ab. In dem Moment hätte ich sie gerne in den Arm genommen, denn sie wirkte so schutzlos und traurig. Es gab keine Zweifel an der Wahrheit ihrer Worte, die Art wie sie sie aussprach, war Beweis genug. Sie hatte in ihrem Leben mehr Schreckliches durchmachen müssen, als ich mir bisher hatte vorstellen können.

Den Tod als Kind vor Augen haben. Die Familie verlassen. All das waren Dinge, die für mich das Schlimmste überhaupt darstellten. Wie hatte sie all das bloß ausgehalten? Ich sank wieder zu Boden, diesmal ganz ruhig. »Was ist dann passiert?«, fragte ich leise.

Nummer zwei :)

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt