» IX.

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Die ganze Woche war eigentlich für den Arsch.
Junes mied mich im Unterricht, auch wenn er die meiste Zeit neben mir sass. Während des
Mittagessens verschanzte er sich in eine total andere Ecke der Cafeteria. Und mit dem Training wollte ich gar nicht erst anfangen.
Zu meiner Enttäuschung fand ich die CD mit einem netten Post-It während der Mittagspause in meinem Spind wieder. Ich frage mich zwar, wie Junes an meine Zahlenkombination gekommen war. Aber irgendwie musste beides auf demselben Weg geschehen sein.
Ich hatte den Post-It der CD in meine Jackentasche gesteckt. Es passierte im Verlauf der Woche noch oft, dass ich das gelbe Ding aus der Tasche zog und die Worte, welche eindeutig in Junes Handschrift geschrieben standen, durchlas:
You’re a liar. You’re a fake. Open up my chest and throw my heart away.”
Ich schmunzelte immer wieder, während ich die Worte so durchlas. So egal konnte ich Junes nicht sein. Sonst hätte er nicht den Text von Basement’s Pine leicht umgedichtet und die ganzen „I“ und „You“ miteinander ausgetauscht.

Ella und Lennox wurden langsam misstrauisch. Sie waren der Meinung, dass da was wirklich Schlimmes zwischen mir und ihm passiert war auf der Party. Lennox hatte mehrere Theorien. Meine liebste war die, in der wir kurz nach einander beide dasselbe Weib flachgelegt hatten. Ohne Kondom verstehe sich natürlich. Und jetzt würden wir uns beide hassen, weil einer von uns vielleicht Vater werden würde.
Wenn Lennox bloss wüsste…

Freitag vor dem Training traf ich mich mit Jula. Warum auch immer, sie war jedes Training, welches ich und Junes bestritten anwesend. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, mich mit Junes‘ Freundin zutreffen. Aber schliesslich hatte Jula auch mir Hilfe angeboten.
„Lass den Kopf nicht hängen, Flavien“, meinte Jula lächelnd, als wir zur Kabine schlenderten. Schultern zuckend verschwand ich in der Herrenumkleide, während Jula in der der Mädchen verschwand. Den Kopf nicht hängen zulassen war Schwerstarbeit. Besonders bei einem eingeschnappten Sturkopf wie Junes.
„Hey“, begrüsste ich Junes. Dieser war bereits in der Umkleide, gerade dabei sich umzuziehen. Er würdigte mich keines Blickes. Ich liess es ein Gespräch mit ihm zu beginnen, da dies alles wohl in einem elendigen Monolog geendet hätte.
Als auch ich umgezogen war lief ich hoch in die Halle.

Aber das Training lief dieses Mal ziemlich beschissen ab.
Rhys überredete uns zu einem Trainingsmatch. Die Sache war ja schon schön und gut, aber Junes benahm sich dabei wie das letzte Arsch. Pässe, welche in seine Richtung gingen, liess er auf den Boden fallen. Und sonst lief er passiv über das Feld, ignorierte Ball für Ball.
Nach einer Weile schien es auch Rhys zu bunt zu werden, sodass er abpfiff.
„Was ist denn bei euch los?“
Jula neben Rhys seufzte. Sie wusste genau was los war.
Junes zuckte mit den Schultern. Und ich starrte nur an die Decke.
„Echt jetzt, so können wir nicht trainieren!“, meinte Rhys. Energisch stemmte er die Hände in die Seiten, sah uns misstrauisch an. „Dann lass mich wieder mit den Mädchen trainieren!“, rief Junes aus.
Rhys sah den jungen Amerikaner verwirrt an. „Das ist nicht dein Ernst, Junes! Vor ein paar Wochen bettelst Du mich noch an, dass wir Flavien überzeugen sollten, dass er zu uns ins Team kommt und jetzt so etwas?“
„Leck mich doch!“, brüllte Junes. Er rannte zur Halle hinaus. Wütend.
„Ich geh schon“, meinte Jula und rannte ihm hinterher.
Ich hingegen schlenderte zur Tribüne. Dort liess ich mich auf die unterste Stufe fallen, stemmte den Kopf in die Hände, die Arme auf die Knie gestützt.
Nach einer Weile bemerkte ich, wie Rhys sich neben mich gesetzt hatte. „Was ist denn zwischen euch beiden los?“
„Haben uns halt gezofft“, murmelte ich. Mehr in meine Hände hinein als zu Rhys. „Schlimm zerstritten?“, fragte Rhys, worauf ich nickte. „Kann man wohl sagen.“
Ich seufzte. Langsam nahm ich meinen Kopf aus den Händen. „Und die ganze Scheisse wegen einem Mädchen.“
Rhys schmunzelte. „In eurem Alter ist so etwas doch normal, nicht?“
„Nicht in diesem Ausmass“, seufzte ich. Der Trainer sah mich etwas verwirrt an. „Sag nicht, er hat Dir das Mädchen ausgespannt, und Du hast Junes…“
„Mensch Rhys!“, rief ich aufspringend aus, „Ich hab niemanden am Wochenende niedergeschlagen, also können wir bitte die alten Sachen dalassen, wo sie hingehören? In der Vergangenheit?“
„Schon okay, Flavien“, seufzte Rhys. „Wenn was ist, kannst Du ruhig zu mir kommen. Wir können darüber sprechen.“
Ich nickte. Wenn ich mit jemandem über die Scheisse sprechen wollte, dann definitiv lieber mit Jula, als mit Rhys. Schliesslich wusste Jula durch was für einen Bockmist wir gerade gingen.
„Wir brechen das Training für heute wohl ab“, seufzte Rhys, worauf ich nickte. „Vielleicht besser so.“
„Ich drück euch die Daumen, dass ihr das wieder hinbiegt“, grinste Rhys zur Verabschiedung, ehe ich die Halle verliess.

take my hand and run away [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt