Kapitel 1

13 1 0
                                    

»Verrätst du mir, was dich bedrückt?«

Colin lehnte sich in einem kläglichen Versuch, entspannt zu wirken, in seinem Sitz zurück und legte den Arm um mich. Seit wir den Fuß auf den Boden der Wartehalle von London Heathrow gesetzt hatten, war er unruhig und die Finger seiner anderen Hand trommelten auf der Lehne herum. Immer wieder warf er mir besorgte Blicke zu. Im grellen Licht der Wartehalle wirkte seine Haut noch blasser als sonst. »Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, sie hierher einzuladen«, antwortete er und ließ zu, dass ich meinen Kopf an seine Schulter legte.

In so einer Verfassung hatte ich ihn noch nie erlebt. Nicht einmal, als ich ihm meine Familie vorgestellt hatte – meine Cousine Chloe natürlich ausgenommen.

»Das sind deine Eltern. Was soll schon passieren?«

Er lachte auf und schüttelte den Kopf. »Du weißt, wie meine Mum sich angestellt hat.«

»Mach dir keine Sorgen. Ich werde sie von meinem unerschöpflichen Charme überzeugen«, versicherte ich ihm selbstbewusster, als ich mich fühlte, und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei war ich nicht sicher, ob ich meinen eigenen Worten Glauben schenken konnte. Bisher hatte ich nicht das Vergnügen gehabt, Colins Familie kennenlernen zu dürfen. Wir waren überrascht, dass seine Eltern unserer Einladung, über die Feiertage nach London zu kommen, sofort zugestimmt hatten. Seine Mutter hatte zuvor wochenlang den Kontakt mit ihm verweigert, nachdem er ihr gesagt hatte, dass er zu mir zog. Das bewies, dass sie noch nicht über die Trennung von Gwen hinweg war.

»Daran habe ich keine Zweifel. Du bist diejenige, um die ich mich ...«

»Pssst«, machte ich und legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen. »Es ist okay und völlig normal, dass du aufgeregt bist.«

»Schätzchen ...«

Kopfschüttelnd unterbrach ich ihn und zog seinen Schal zurecht. »Ganz egal, was uns erwartet, es ändert nichts an dem, was zwischen uns ist.«

»Du hast recht«, bestätigte Colin und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Trotzdem ist meine Familie nicht mal ansatzweise mit deiner zu vergleichen. Ich will nur, dass du weißt, dass es zu Komplikationen kommen könnte.«

»Komm schon, ich habe sowohl Nick als auch deine fürchterliche Ex überstanden und obendrein wurde ich von meiner besten Freundin verraten. Was könnte schlimmer sein als das?« Kaum waren die Worte raus, bereute ich sie schon. Ich vermisste Lucy, doch das, was sie getan hatte, konnte ich ihr nicht verzeihen. Mag sein, dass ich ein nachtragendes Biest war, aber die Tatsache, dass sie Colin und mich absichtlich voneinander ferngehalten hatte, machte es mir schwer, wieder Vertrauen zu ihr zu fassen. Zumindest nicht in nächster Zeit, da war ich mir sicher.

Er wandte schuldbewusst den Blick ab, da er wusste, wie sehr ich es hasste, darüber zu sprechen. »Hast du sie immer noch nicht angerufen?«

»Nein, warum sollte ich?«

Seufzend schaute er auf die Anzeigetafel, doch bis auf die Meldung, dass der Flug aus Dublin Verspätung hatte, gab es nichts Neues. »Du solltest ihr verzeihen. Es ist schließlich alles gut gegangen oder nicht?«

Lucy war in diesem Moment der letzte Mensch, über den ich nachdenken, geschweige denn reden wollte. Es war zu schmerzhaft. »Können wir bitte das Thema wechseln?«

»Aber ...«

Ich hob die Hand und tat so, als würde ich etwas über unseren Köpfen verstreuen. »Feenstaub. Erinnerst du dich?«

Der enttäuschte Ausdruck verschwand und das altbekannte Grinsen, das ich so sehr liebte, legte sich auf seine Lippen. »Na schön«, gab er nach. »Glaub mir, du bist immer noch genauso durchgeknallt, wie ich dich kennengelernt habe.«

Schmunzelnd betrachtete ich sein Gesicht. Seit wir uns auf Ibiza das erste Mal gesehen hatten, waren seine Haare länger geworden und fielen ihm ständig in die Augen. Ich strich sie zur Seite und fuhr mit den Fingern sanft über seine stoppelige Wange.

»Das musst ausgerechnet du sagen«, erwiderte ich und erntete ein Schulterzucken.

»Pirat«, erklärte er, woraufhin ich kicherte. Dass er weiterhin das alte Spiel zwischen uns spielte, gefiel mir und erinnerte mich an unsere erste Begegnung. Er gab mir keine Gelegenheit, zu antworten, und überwand den Abstand zwischen uns, um mich zu küssen, sodass sämtliche Gedanken weggewischt wurden. 


Wie es weitergeht, könnt ihr ab Ende Oktober in "Halt mich fest, Pirat" (erscheint bei neobooks) nachlesen ♥ 


Leseprobe zu "Halt mich fest, Pirat"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt