Teil 27-"Was hast du erwartet?"

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(Wieder bei Marie)

Frustriert blickte ich auf meine Handgelenke, welche mit Handschellen geschmückt waren. Naja, ich hatte schon erwartet dass etwas auf mich zukam, weil ich auf Kou losgegangen bin, aber Handschellen? Das konnte nicht deren Ernst sein.
Wenigstens hatte Kou für kurze Zeit ein paar Kratz- und Bisspuren von mir erhalten, was mich schon etwas mit Zufriedenheit stimmte. Positiv an der Sache war, dass ich mich noch bewegen konnte, nur konnte ich meine Hände nicht benutzen.
Ich hatte es versucht, diese Handschellen irgendwie zu lösen, aber das Resultat war nur, das meine Handgelenke aufgerieben waren und darauf dass es blutete hatte ich nun wirklich keine Lust. Mit einem lautlosen seufzen legte ich mich in das Bett und sah auf die Tür, welche ich perfekt im Blick hatte.
Meine Gedanken schwirrten immer wieder zu meiner Familie und den Jungs. Wäre ich doch nicht so dumm gewesen und hätte den Raum verlassen, da wäre das nie passiert! ‚Es tut mir so leid, dass ich allen solche Sorgen bereite...' gestand ich gedanklich und unterdrückte die Tränen. Seit wann war ich bitte so sentimental? Früher konnte ich meine Gefühle doch so gut unterdrücken und jetzt? Jetzt konnte ich weder meine Eifersucht, noch meine Trauer mehr kontrollieren. Es war einfach verhext. Ich lag noch einige Zeit so da, ehe sich die Tür öffnete und Ruki und Azuza mit einem Tablett reinkamen.
Ohne mir die Mühe zu machen, freundlich zu klingen, fragte ich: „Oh, habt ihr etwa Angst das ich euch fertig mache, wenn ihr alleine seit?" Okay, zurzeit wäre ich zwar ein leichtes Ziel für sie, aber ganz ehrlich, sie hätten wohl auch nie damit gerechnet, dass ich sie mit einer Umarmung begrüßen würde. Ohne jedoch auf mein Kommentar einzugehen, legte Ruki das Tablett auf dem Nachttisch neben mir ab und so entdeckte ich auch, was sich auf diesem befand. Es handelte sich um ein einfaches Brötchen und ein Glas Wasser.
‚Okay, hier bin ich wirklich eine Gefangene...' bemerkte ich gedanklich und fragte mich gleichzeitig, wie ich von sowas satt werden sollte. „Erwartest du etwa ein drei Gänge Menü? Wenn du dich einfach benommen hättest, könntest du auch mit uns essen, doch da du es für nötig empfunden hast, auf Kou loszugehen, musst du dich damit zufrieden geben." Machte Ruki klar ohne mich anzusehen.
Zur Antwort gab ich ein leises zischen von mir, ehe ich entgegnete: „ Hör mir mal ganz genau zu Ruki, eigentlich habe ich rein gar nichts gegen euch, ich mag dich und deine Brüder auch, aber soll ich Freudensprünge machen, weil ihr mich entführt habt? Apropo...wollt ihr mir nicht vielleicht mal verraten...WIESO IHR DIESEN MIST MACHT?!"
Jetzt besah mich der Grauäugige an und schien mich mit Blicken im Moment erdolchen zu wollen, kurz bevor er sagte: „Das wirst du noch früh genug sehen, aber ich empfehle dir nicht so herumzuschreien." Kurz darauf war Ruki auch schon wieder weg, doch war Azuza immer noch da. Ehrlich gesagt war ich auf ihn noch am wenigsten wütend, vielleicht weil ich nicht Mal wusste, ob er überhaupt bei der Entführungsaktion beteiligt war.
Mit einem leichten Lächeln bot ich ihn an, sich neben mich zusetzen, was er zögerlich auch annahm. „Tut es sehr...weh...?" fragte er mich und zeigte auf meine wunden Handgelenke. Immer noch lächelnd erwiderte ich: „Naja, solange wie ich meine Hände nicht zu stark belaste tut es nicht weh. Es sieht also schlimmer aus als es ist und ehe du fragst, ich mag keine Schmerzen wie du und dir wehtun möchte ich auch nicht."
Leicht legte der kleinere den Kopf schief und stellte die nächste Frage: „Aber...Kou wolltest du...verletzen...? Da musst...du ihn...wirklich mögen..." „Du verstehst da was falsch Azuza. Es war nicht wirklich gut gemeint, als ich auf ihn los bin. Es war...naja, eher aus Wut und Trauer. Kou hatte mich angelogen und als er meinte, dass ich Laito vergessen kann, hatte es mir ganz einfach gereicht und den Rest kennst du ja selbst. Worauf ich hinaus will...es ist eventuell ein einmaliges Ereignis gewesen, doch bereue ich es nicht." Antwortete ich wahrheitsgemäß.
Azuza nickte mir leicht zu und schien über etwas nachzudenken, weshalb ich mich nach längeren Mühen aufrichtete und vorsichtig nach dem Wasserglas griff. Eine falsche Bewegung und ich könnte alles verschütten und nach Rukis Laune würde ich sagen, dass ich kein neues bekommen würde. Meine Hände zitterten leicht, als ich das Glas umfasste und vorsichtig zu meinen Lippen führte. Leider brannten die aufgeriebenen Stellen immer mehr, sodass ich befürchtete, gleich das Glas wieder fallen zu lassen.
Krampfhaft nahm ich ein paar Schlucke des kühlen Wassers und stellte es so schnell es ging wieder am Tablett ab, ehe ich zum Schimpfwörterlexikon mutierte. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, blickte ich langsam wieder zu Azuza, welcher mich mit großen Augen anstarrte. Okay, ich glaube manche Ausdrücke hatte auch er noch nicht gehört.
„Entschuldige dass du das mithören musstest Azuza. Auch ich habe meine Grenzen...Könntest du mich vielleicht etwas alleine lassen?" fragte ich den Schwarzhaarigen, welcher noch leicht verstört nickte und dann langsam den Raum verlies. ‚Na Bravo Marie, du hast gerade einen Vampir verstört. Was machst du als nächstes?" fragte ich mich sarkastisch und schnappt mir nun vorsichtig das Brötchen, welches etwas einfacher war zu essen, als aus dem Glas zu trinken. Hoffentlich würde Laito bald kommen um mich hier raus zu retten.
Lange würde ich es wohl nicht aushalten. Sobald auch das Brötchen komplett einen Weg in meinen Magen gefunden hatte, lehnte ich mich wieder zurück, ehe ich schnell einschlief. Zuerst war ich nur von Schwärze umgeben, ehe die Umgebung sich komplett veränderte und ich wieder auf dieser Wiese wie früher stand.
Leider hielt diese Kulisse nicht allzu lange, denn die Umgebung verschwamm und ich fand mich in einem engen Raum wieder, welchem meinen in der echten Welt schon Konkurrenz machte. Mir gegenüber stand Saranna, welche mich freundlich anlächelte, ehe sie meinte: „Da sind wir ja wirklich wieder in einer verzwickten Lage."
Zur Antwort nickte ich und entgegnete seufzend: „Das kannst du laut sagen. Glaubst du es war übertrieben, Kou gleich anzugreifen?" „Hm...naja, du warst wütend und konntest dich nicht beherrschen, also würde ich sagen, dass du dich einfach nicht im Griff hattest. Ich möchte aber mit dir über etwas anderes sprechen..." sagte mein Ebenbild und wurde zum Schluss ernst. „Es gibt einen Grund, wieso deine Gefühle zurzeit sich so überschlagen."
Nun sah ich Saranna direkt in die Augen und forderte sie stumm auf weiterzusprechen. Die Schwarzhaarige rang mit sich, ehe sie schließlich sagte: „Es ist so, dass deine Vampirseite immer mehr die Überhand gewinnt. Sollte Reiji nicht etwas dagegen machen, bist du wirklich bald ein Vampir."

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