Kapitel 9

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Schweißgebadet wachte ich auf. Die meisten Kissen waren zu Boden gefallen und die Bettlaken hatten sich um meine Beine geschlungen. Ich hatte nicht oft einen Albtraum. Hin und wieder mal ja, aber jedes mal schockten mich diese aufs Neue.

Da ich nicht wieder schlafen wollte, stand ich auf und zog mir meinen Morgenmantel an.

Vielleicht kann ich mir ja etwas aus der Küche stibitzen...

Ich schaute auf die Uhr. 2:13 Uhr. Da müssten die meisten Menschen eigentlich schon schlafen. Leise öffnete ich die Tür und schlich mich hinaus. Ich lehnte meinen Kopf an Owens Tür, um zu schauen, ob er noch schlief. Hm, alles ruhig. Ich wollte ihn nicht wecken. Warum auch? Ich konnte auch mal was allein tun und brauchte ihn nicht immer dabei.

Als ich um die Ecke schaute, sah ich dort einen Wachmann stehen und so verrückt wie ich war, hatte ich eine Idee. Ich spielte Geheimagent! In die Küche, was Zuessen klauen und so schnell wie möglich zurück, ohne gesehen zu werden. Ich musste kichern bei diesem Gedanken. Mein Bruder und ich hatten solche Spiele oft gespielt, als wir noch klein waren. Warum nicht jetzt auch?

Langsam drehte ich mich um und ging in die andere Richtung weiter. Ich kam zu der großen Treppe, die Anna, Alice und ich hochgegangen sind, nachdem die Prinzessin in den See gefallen war. Leicht gebückt, schlich ich mich hinunter und achtete auf jedes noch so kleine Geräusch. Zugegeben: Ich kam mir ein kleine wenig dumm vor. Angenommen jemand beobachtet mich gerade oder das Schloss würde Videoüberwacht werden. Wie peinlich. Die würden mich direkt in die Geschlossene einliefern. Aber was solls. Jeder hat doch irgendwo eine kindische Seite und für die sollte man sich nicht schämen.

Ich schaute mich nochmal zur Sicherheit um und ging dann den Flur, zu meiner Rechten am Ende der Treppe entlang. In Palästen, Schlössern und Burgen befinden sich die Küchen meist in den unteren Stockwerken. Nach kurzen Suchen, hatte ich die Küche gefunden. Zumindestens vermutete ich die Küche dort. Zwei große Schiebetüren befanden sich am Ende des Ganges. Nun überkam mich jedoch ein seltsames Gefühl. Als würde ich beobachtet werden. Unwillkürlich schaute ich mich um.

Nichts. Vielleicht doch Kameras?

Ich ging leise zu den Türen und schob sie auseinander. Verdammt, in der Küche war anscheinend doch noch jemand. Schnell duckte ich mich hinter der Arbeitsfläche.

Von meiner Position aus, schaute ich mich um. Die Küche war einfach riesig! Ich konnte jedoch nicht viel erkennen, da der komplette vordere Teil dunkel war. Nur der hintere Bereich wurde beleuchtet.

Ich drehte mich um und schaute vorsichtig über die Kante hinweg. Ich sah einen Mann mit einem gezwirbelten Schnauzbart. Oha! Das Klischee stimmt ja doch! Ich dachte, das wäre nur in Filmen so.

Doch was noch viel interessanter war, war die Schüssel mit den leckeren Erdbeeren auf der anderen Seite der Arbeitsfläche. Und schon hatte ich mein neues Ziel gefunden!

Ich krabbelte um die Ecke herum, griff vorsichtig nach der Schüssel und zog sie zu mir heran. Ha! Geschafft!

Nun schlich ich zur Tür und öffnete sie, als ich versehentlich mit meinen Fuß an dem Besen, welcher an der Wand lehnte, hängen blieb. Der Besen fiel auf dem Boden und riss den Eimer, indem er gesteckt hatte, mit sich.

Ich biss die Zähne zusammen und hörte den Koch auch schon schreien.

Lauf, Belle! Mach, dass du verschwindest!

Und das tat ich auch. Ich schlug die Tür hinter mir zu und rannte gegen eine Wand aus Muskeln.

"Na nu. Wenn haben wir denn da," sagte eine männliche Stimme. Sie kam mir bekannt vor, doch in meiner Eile konnte ich sie niemanden zuordnen.

"Schnell da rein," rief ich und zog die Person zu der nächstbesten Tür und schubste sie hinein. Bei dem ganzen Gedränge hätte ich fast die Erdbeeren fallen gelassen. Nun drückte ich sie an mich und ließ mich gegen die Tür sinken.

"Darf ich fragen, weshalb ich mich in meinem eigenen Haus verstecken muss?"

"Ich hab Erdbeeren aus der Küche geklau..." Moment mal. Meinen eigenen Haus? Oh nein, das konnte doch nicht... Ich traute mich gar nicht meine Augen zu öffnen.

Als ich es dann doch tat, lief ich tiefrot an. Ein Glück wurde der Raum nur von dem hereinscheinenden Vollmond erleuchtet und man konnte mein Gesicht nicht ganz erkennen.

"Ich kann sehen, dass du rot wirst," sagte Prinz Alexander und steckte die Hand aus, um über meine Wange zu streichen, wobei er den Kopf schief legte. Er war vor mir in die Hocke gegangen und ich konnte von hier aus seinen herben Geruch wahrnehmen.

"Entschuldigung," presste ich atemlos hervor.

"Wieso entschuldigst du dich? Du kannst doch nichts dafür, dass du so leicht errötest. Eine Eigenschaft die ich wohlbemerkt äußerst attraktiv finde."

Er kniff leicht die Augen zusammen, so als würde er etwas nicht genau erkennen oder etwas sehen, was ihn verwirrte. Das ist mir schon öfter bei ihm aufgefallen. Ich fragte mich nur, warum ich ihn nicht erkannt hatte. Weder im Hotel, als ich TV geschaut habe, noch am Abend auf dem Gang.

Ich verhielt mich wie ein Kleinkind. Zuerst krabbelte ich im Schloss umher und stahl eine Schüssel Erdbeeren, dann sprach ich den Prinzen nicht mit seinen Titel an und nun starrte ich ihn mit offenen Mund sowie mit weit aufgerissenen Augen an, als wäre er eine außerirdische Lebensform. Er müsste mich also für komplett durchgeknallt halten.

Doch er fing nur leise an zu lachen, nahm sich eine Erdbeere und schob sie sich in den Mund.

Er wischte sich den Saft aus den Mundwinkeln und schaute mir dabei tief in die Augen.

"Hm, die schmecken wirklich ausgezeichnet. Möchten Sie auch eine probieren, Miss Morgenstern?" fragte er, nahm sich erneut eine aus der Schüssel und schob sie mir in den immer noch offen stehenden Mund.

Mein Körper reagierte von allein und biss von der Beere ein Stück ab. Den Rest aß er selbst.

"Diese hat besonders gut geschmeckt," sagte er leise und seine Lippen umspielte ein leises Lächeln.

Ich schaute ihn immer noch schmachtend mit meinen Welpenblick an, als er mich auf seine Arme hob und aus dem Zimmer brachte. "Es ist schon spät. Ich möchte nicht, dass du dich hier nachts allein im Schloss rumtreibst. Wenn dann bin ich dabei. Hast du mich verstanden?" fragte er und ich nickte nur. "Nun bring ich dich erstmal wieder ins Bett. Und wehe ich erwische dich nochmal hier draußen."

Leider hatte ich keine Ahnung mehr, was mit dem Erdbeeren geschehen ist, denn während er mich trug, fielen mir auch schon die Augen zu.

My Beauty -Abgeschlossen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt