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Schnell zog ich den schwarzen Koffer unter meinem Bett hervor. Packen musste ich nicht, das hatte ich schon längst erledigt, was sich als großer Vorteil erwies, denn dadurch würde es um einiges leichter werden abzuhauen, bevor mein verhasster Stiefvater von einer seiner nächtlichen Sauftouren zurückkam. Ich ging noch einmal im Kopf durch, ob ich irgendetwas vergessen hatte, aber spontan fiel mir nichts ein. Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, welches mir verriet, dass es 01:07 war - mitten in der Nacht. Sicher war ich mir nicht, wieviel Zeit ich noch hatte, deswegen beeilte ich mich umso mehr.

Schnell streifte ich mir meine schwarzen Vans über, schnappte mir meinen geliebten Batman-Pulli und verließ mit meinem Handy in der einen und dem Koffer in der anderen Hand mein Zimmer. Ich überlegte kurz, ob ich nicht doch noch eine Notiz hinterlassen sollte, entschied mich schließlich aber doch dagegen. Andy, mein Stiefvater, würde doch sowieso erst in zwei, drei Tagen bemerken, dass ich nicht mehr da war. Jetzt musste ich mich allerdings beeilen, denn mein Zug fuhr in einer Viertelstunde. Mein Zug in ein neues, besseres Leben. Der Zug nach Köln. Der Zug, mit dem ich Hamburg verlassen würde.

Mit schnellen Schritten lief ich über die ziemlich menschenleeren Wege Hamburgs in Richtung Bahnhof. Der Mond schien golden am klaren Sternenhimmel und erhellte zusammen mit den Straßenlaternen die Straße. Nach gut zehn Minuten war ich am Bahnhof angekommen und suchte das Gleis 7. Dort wartete ich mit einem um die 40 Jahre alten Geschäftsmann auf den Zug. Zwei Minuten später kam er auch schon und ich stieg ein und suchte mir einen Platz. Nicht viele Leute fuhren mit diesem Zug, deswegen hatte ich sogar einen Vierer für mich alleine. Den Koffer packte ich in die Gepäckablage, meine Füße legte ich auf die gegenüberliegende Sitzbank und kramte meine Kopfhörer aus der Bauchtasche des Pullis. Ich steckte sie mir in die Ohren und wählte meine Linkin Park Playlist. Mit meiner Lieblingsband konnte ich perfekt entspannen.

Während der Fahrt ließ ich meinen Gedanken freien Lauf. Ich dachte über die letzten Jahre nach, während 'Final Masquerade' erklang. Wie ich dieses Lied liebte... Die letzten Jahre hatten mich so unglaublich geprägt. Als meine Mutter vor vier Jahren bei einem Autounfall gestorben ist. Wie mein Stiefvater zum Alkoholiker wurde. Nach und nach ertrank er seine Trauer im Alkohol. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich es ihm nicht mal verübeln. Täglich kam er besoffen zurück, aggressiv, vor allem gegen meinen großen Bruder. Zu dem Zeitpunkt war er seit einem Vierteljahr 18 und irgendwann hatte er einfach keinen Bock mehr. Er war genauso wenig mit dem Tod unserer Mutter klar gekommen wie ich, doch er versuchte, es sich nie amerken zu lassen. Doch an diesem einen Tag konnte er einfach nicht mehr. Ein gebrochener junger Mann. Und er kam noch nie gut mit unserem Stiefvater aus. Ich weiß noch, an diesem einen Tag, mal wieder hat Andy besoffen meinen Bruder Patrick angeschrien, ich hörte Teller klirren und wenig später, wie mein Bruder ausrastete. Palle, mein Spitzname für ihn, rastete nie aus. Nie. Ich habe ihn noch nie davor so wütend gesehen. So verletzt. Er kam in mein Zimmer gestürmt, ich war damals 14, wischte sich die Tränen aus den Augen, umarmte mich ewig und drückte mir danach einen Kuss auf die Stirn. Er nahm meine Hand und versprach mir, ich werde ihn wiedersehen. Er wusste nicht wann, aber dass es passieren würde. Und das gab mir Hoffnung. Doch seitdem habe ich nie wieder was von ihm gehört. Über die ganzen vier Jahre. Und der Batman-Pulli, den ich gerade trug, war mit einer Cap das einzige, was ich noch von ihm besaß, denn diese beiden Teile hatte er vergessen.

Kurz nachdem Palle abgehauen ist, sind wir in einer kleinere Wohnung umgezogen. Und drei Jahre lang war es noch okay. Nicht gut, aber okay. Ich musste kleinere Jobs machen, um genug Geld zu haben, denn mein Stiefvater versoff das meiste. Ich musste mich schon als 14-jährige selbst versorgen und das war nicht leicht. Doch schlimm wurde es vor einem Jahr. An dem Punkt, wo Andy langsam gewalttätig wurde. Er schlug mich, von Tag zu Tag härter. Es war nicht einfach, die ganzen blauen Flecken zu verstecken. Vor zwei Monaten wurde ich sogar ein paar mal ohnmächtig, so fest schlug er zu. Und seit heute war ich achtzehn - erwachsen. Endlich konnte ich abhauen. Endlich. Wie lange ich auf diesen Tag gewartet hatte. Wieviel Geld ich gespart hatte, um mir ein neues Leben aufbauen zu können. So viel Herzblut habe ich in diesen Plan gesteckt. Und endlich konnte ich ihn durchführen. Irgendwie verspürte ich Stolz. Ich saß jetzt wirklich im Zug nach Köln. Ich hatte mich für Köln entschieden, denn Köln ist eine riesige Stadt, da würde er mich niemals finden - falls er mich überhaupt suchen würde. Und irgendwie hat mich mein Herz zu dieser Stadt geführt.

Mit diesen Gedanken über mein Leben verging die doch etwas längere Fahrt ziemlich schnell. Ich merkte erst gar nicht, dass ich schon in Köln war, verließ zum Glück aber doch rechtzeitig den Zug. Ich lief aus dem Bahnhofsgebäude raus und öffnete Google Maps. Die Adresse meiner bereits gebuchten winzigen Ferienwohnung gab ich schnell ein und schon konnte ich mich auf den Weg machen, der laut Google nur 15 Minuten dauern würde. Mit meinem Koffer in Schlepptau und noch immer den Kopfhörern im Ohr wanderte ich quer durch Köln und wie vorausgesagt war ich nach 15 Minuten angekommen. Ich holte mir den Schlüssel ab und schloss die Wohnung auf. Die Tür knarrte und das Licht brauchte ein paar Sekunden, bis es aufleuchtete. Die Wohnung war ganz okay, nicht das beste, aber dafür war sie schön günstig gewesen. Ich ließ mich erschöpft auf das große Bett sinken, streifte schnell meine Schuhe ab und warf eins der fünf Kissen nach dem Lichtschalter, der glücklicherweise schon beim ersten Versuch ausging. Müde blinzelte ich in die Schwärze und wenige Sekunden später umfing mich der wohlige Schlaf.

Licht durchflutete das Zimmer und ich blinzelte der Sonne entgegen. Ich gähnte verschlafen und kämpfte mich aus meiner Decke. Ich tapste zu meinem Handy und stellte fest, dass es 11:24 war. Eigentlich die perfekte Uhrzeit. Ich suchte mir Klamotten aus, ein etwas oversized Vans-Shirt in weiß und eine schwarze Hose mit Löchern in den Knien, kombiniert mit schwarz-weißen Adidas Schuhen. Ich schminkte mich dezent, kämmte meine Haare und beschloss, einfach die Cap meines Bruders aufzuziehen. Ich schnappte mir meine Kopfhörer und mein Geld und machte mich auf den Weg, um einkaufen zu gehen, denn ich hatte unglaublich Hunger und nichts zu essen dabei. Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und wählte 'Numb' von Linkin Park. Dann machte ich mich auf den Weg zum Supermarkt. Dort angekommen griff ich nach einem Korb und überlegte, was ich brauchte. Als erstes stand ich vor dem Getränkeregal, sackte mir ein paar Flaschen Clubmate, ein paar Flaschen Wasser und zwei Liter Saft ein. Danach Süßkram, Chips, Brot, Butter, Milch, Müsli, Aufstrich und was man sonst noch so braucht. Ich machte mich auf den Weg zur Kasse, lies meinen Blick nach rechts über die Waren schweifen und eine Sekunde später knallte ich mit voller Wucht gegen jemanden. Ich krachte auf den gefliesten Boden und mein halber Einkauf entleerte sich aus meinem Korb. Nach einem kurzen Schockmoment schrie ich wütend "Können Sie denn nicht aufpassen?!" und rappelte mich hoch. Die Person, gegen die ich geknallt bin, war anscheinend ein junger Mann, der seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. "Oh, tut mir Leid, ich war voll in Gedanken versunken", antwortete er erschrocken und man konnte hören, dass es ihm wirklich Leid tat. Im gleichen Moment zog er seine Kapuze runter, weil er anscheinend gemerkt hatte, wie unhöflich das war. Als ich sein Gesicht war, erstarrte ich komplett. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nein. Als ob. Das konnte doch nicht sein! " Patrick?!", stieß ich entsetzt hervor.
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hey du :)
Danke dass du überhaupt bis hierhin gelesen hast :D ich entschuldige mich jetzt schonmal für Rechtschreib- & Grammatikfehler ^^ Über Feedback würde ich mich riesig freuen, da dies meine erste Geschichte überhaupt hier auf Wattpad ist und meine erste FanFiction die ich je geschrieben habe. Kritik ist natürlich sehr gern gesehen!! xd Ich versuche so oft wie möglich hochzuladen, weiß aber noch nicht in welchem Rythmus das schlussendlich sein wird :) So, genug gelabert :3

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