6.- Wiedersehen

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Mein Hals kratzt, aber ich muss nicht husten. Das sind einfach nur die Sachen, die ich unbedingt sagen muss. Ich muss einfach nur mal richtig mit jemandem reden. Aber da ist niemand. Niemand der mir zu hört. Niemand ist hier.

So sitze ich eine Zeit lang auf dem Boden und füge mir mit meinem Verstand die schlimmsten Narben zu. Sie schneiden tiefer als es irgendeine Klinge kann. Sie werden immer bleiben, nicht verheilen. Manchmal wünsche ich mir, jemand könnte meine Gedanken lesen. Damit er weiß, was ich fühle und was ich denke. Damit er mich davor retten kann. Vor den Dämonen, die in mir leben. Denn niemand kann mich so sehr verletzen, wie ich selbst.

Ich stehe auf, stelle den Ständer wieder hin und Räume das kleine Chaos auf, dass ich ihm Flur hinterlassen habe. Dabei fällt mir auf, dass meine ganze Wohnung recht unordentlich ist und ich beginne alles aufzuräumen und zu putzen. Das mache ich meistens nach so einem Zusammenbruch. Da kann ich es nicht leiden, wenn es dreckig und unordentlich ist. Das macht mich wütend. Vieles macht mich wütend, wie ich feststelle.
Xenia und Dean sitzen jetzt bestimmt bei Aidan und lachen und erzählen sich Geschichten. Und ich putze mein Küchenfenster.

Nachdem ich der Meinung bin, dass alles wieder in Ordnung ist, gehe ich lange duschen. Meine Haut schrumpelt bereits an den Fingern. Aber ich genieße das heiße Wasser, dass meinen Rücken und mein Gesicht runter fließt. Meine Tränen weg wischt und ich endlich nicht mehr weinen muss. Danach esse ich was und lege mich in mein Bett. Zuerst kann ich mich nicht entscheiden, ob ich Musik hören oder einen Film sehen soll. Ich schaue dann Corpse Bride. Tim Burton ist nach so einem Tag immer das Richtige. Als der Film vorbei ist, schlafe ich nur schlecht ein. Von meinem Bett aus schaue ich raus in den Himmel, sehe keinen Stern. Ich hab heute überlebt. Aber wie viele davon werde ich noch schaffen?

So läuft das die nächsten zwei Tage. Ich traue mich nicht bei Aidan anzurufen, da ja vielleicht Xenia dabei sein könnte. Zu ihm fahren kann ich erst recht nicht. Es ist Mittwoch, die scheiß Mitte der Woche. Ich sitze auf meinem Balkon und denke darüber nach, was ich morgen anziehen könnte, als es an der Tür klingelt. Ich springe auf und laufe zur Tür, in der Hoffnung, dass es mein Amazonpaket ist. Doch als ich die Tür aufmache, steht mir nicht der Postbote, sondern Aidan gegenüber. Er lächelt leicht. "Hallo!", rufe ich und umarme ihn. Dabei wollte ich mich doch gar nicht so freuen, wenn er sich blicken lässt. Ich hatte mir gestern vorgenommen, ganz cool zu sein. So, als würde mir das nichts ausmachen, ihn zu sehen. Das klappt nicht.

Er lacht und umarmt mich ebenfalls. "Warum bist du hier?", frage ich. Es passiert so gut wie nie, dass mich jemand freiwillig überraschend besucht. "Du hast dich nicht mehr gemeldet. Da hab ich mir gedacht, komme ich mal so.", erklärt er und folgt mir in die Küche, wo ich ihm sofort ein Stück von meinem gekauften Schokokuchen auf einen Teller lege. Ich möchte fragen, was mit Dean und Xenia ist, verschlucke allerdings die Frage. Das ist jedoch nicht nötig, denn er beginnt von selbst von ihnen zu erzählen. "Dean hat gefragt, wie es dir geht und warum du noch nicht bei uns warst." Ich schlucke. Dean. Dann interessiert sich nur Dean für mich?! "Oh, he. Ja. Sag ihm schöne Grüße. Vielleicht sieht man sich ja noch mal.", sage ich und fasse mir ans Ohr. Mein Herz tut weh. "Eigentlich wollte ich dich abholen kommen. Wir wollen heute abend bei mir kochen. Und du sollst mitmachen."
Wie nett., geht es mir durch den Kopf. "Also gleich?", frage ich. Aidan nickt. "Okay, ich muss nur meine Handtasche packen. Iss einfach deinen Kuchen.", meine ich und verschwinde in meinem Schlafzimmer, um meinen Beutel zu packen. Ich werfe einen Blick in den Spiegel und mache meine Frisur neu. Wenn ich Xenia jetzt wiedersehen soll, dann will ich nicht aussehen wie der Penner vor dem McDonald's. Als ich wiederkomme hat Aidan gerade seinen Kuchen zu Ende gegessen. Ich greife ihn an der Hand und wir verlassen meine Wohnung. Auf dem Weg zu Aidan frage ich mich, ob ich nicht vielleicht doch besser zuhause geblieben wäre. Aber ich kann nicht nein sagen. Er ist mich extra abholen gekommen.

All I ever feel (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt