Verändert auf einen Schlag

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Kurz nach meinem vierten Geburtstag wurde mir die Freiheit geraubt, denn seit meinem letzten Krankenhausbesuch bin ich in unserem Haus eingesperrt oder wie es meine Eltern zu pflegen sagen, beschützt vor der bösen, dunklen Welt. Ich durfte seit diesem schrecklichen Tag, der mein Leben auf einen Schlag veränderte, nicht mehr in unserem Garten spielen, in den Park gehen, Freunde einladen ... Bevor ich in den Kindergarten gehen durfte, wurde bei mir eine seltene Krankheit entdeckt, die noch nie erforscht wurde. Ich habe eine ganz andere Blutgruppe als die anderen Menschen. Ich habe die Blutgruppe P, was das zu bedeuten hat, weiß ich leider seit diesem Zeitpunkt nicht, denn ich weiß nur, dass ich in biologischer Hinsicht nicht normal bin. Ich darf nicht nach draußen, weil ich mich dort verletzen könnte. Meine Eltern haben die ganze erste Etage „unfallgesichert". Aber mit ihnen zu reden ist sinnlos, weil sie nie von ihrer Meinung abweichen. So darf ich auch nicht zur Schule gehen - mit 17 - und muss in unserem Haus mich jeden Tag neu beschäftigen. Mit dem Gedanken, dass ich vielleicht adoptiert bin, habe ich mich schon angefreundet, aber meine Eltern sagen, dass das nicht stimmt und wollen mir aber auch nicht die ganze Wahrheit erzählen. Ich bin 17 Jahre alt und habe ein Recht darauf, alles zu erfahren und mein Leben „normal" zu leben.

Lange Zeit hatte ich die frische Luft nicht mehr riechen dürfen oder die Vögel singen hören können. Ich hatte mich so gefreut heute vielleicht mit meinen Eltern in unseren Garten gehen zu können, aber als ich aufstand, sah ich auf meinem Nachttisch einen Zettel liegen, auf dem stand, dass ich heute Morgen alleine bin und später jemand kommt, der auf mich aufpasst. Ich hasse sie, war mein erster Gedanke. Was kann so wichtig sein, dass sie an diesem Tag weg fahren müssen? Es klingelte an der Tür, ich zog mir eine Strickjacke über und lief zur Haustür. Als ich sie öffnete stand ein fremder Junge vor mir.

„Oh, wow äh, ich bin zum Babysitten hier. Mein Name ist Layne Miller."

„Hi, ich glaube, Sie sind hier falsch, hier wohnen nur ich und meine Eltern."

„Mh, ich dachte aber das wäre die richtige Hausnummer. Könnte ich vielleicht deinen Namen haben? Bist du Julie Jackson?"

„Ja, aber..."

„Und ich bin mir sicher, dass hier die Ralunistreet 100 ist."

„Stimmt, das ist alles richtig... Oh nein, kann es sein, dass dich meine Eltern eingestellt haben? Willst du vielleicht erst mal rein kommen? Es ist sehr kühl draußen." Ich ging ein Stück zur Seite und hielt ihm die Tür auf. Er trat ein und bedankte sich mit einem kurzen Nicken.

„Schön habt ihr es hier!", sagte er und blickte sich um.

„Danke, wie sieht es denn bei euch aus?"

„Viel kleiner und nicht so ‚historisch' ", er lächelte mich an.

„Wann haben dich denn meine Eltern gefragt, ob du auf mich ‚aufpassen' willst?"

„Vor 3 Stunden, ich wollte unbedingt das fremde, schöne Mädchen treffen."

„Aha..." Meine Wangen färbten sich langsam rot.

„Hast du schon gefrühstückt? Ich habe tierischen Hunger." Ich wartete nicht auf eine Antwort und ging schon mal in die Küche. Layne folgte mir stumm und wir setzten uns an den gedeckten Tisch.

„Lecker, frische Brötchen. Darf ich?" Er hielt das Brötchen in der einen Hand und schaute mich fragend an. Ich nickte kurz und fing an zu essen. Nach einigen Minuten fragte er mich, wieso ich nicht in der Schule bin und er mich nie gesehen hätte.

„Weil mein Vater es mir nicht erlaubt", sagte ich wütend und biss ein paar Mal von meinem Marmeladenbrötchen ab. Er schaute kurz auf und sah meinen traurigen Blick. Im Normalfall war es mir egal, wie ich in den Augen eines anderen wirkte. Wie ich meine Eltern kannte würde dieser Junge sowieso nur einmal bei uns zu Besuch sein und dann nie wieder kommen, da sie nicht wollten, dass mich jemand mehr kennen lernte, dass jemand mir irgendwas ‚schlechtes' einreden könnte. Dennoch tat es mir leid, dass ich so hart reagiert hatte. Er hatte ja nur gefragt.

„Wie alt bist du eigentlich?", fragte ich ihn mit sehr viel Interesse. Ich musterte ihn. Er hatte braune Haare. Ein paar Strähnen fielen ihm lässig in die stahlblau leuchteten Augen. Er sah ganz süß aus, dachte ich.

„Ich bin 18", sagte er. Wow, ich dachte, er würde schon studieren oder so. Er sah viel älter aus.

„Und du gehst noch zur Schule?", fragte ich ihn weiter aus.

„Ja, aber neben bei gehe ich noch arbeiten um schon Mal ein bisschen Geld zu verdienen."

„Du gehst neben bei arbeiten? Wieso das?" Ich schaute ihm jetzt direkt in die Augen. Sie waren fesselnd. Ich dachte, ich schwebe, doch ich wurde schnell aus meiner Traumwelt gerissen, denn er fing an zu lachen. Warum tat er das? Jetzt musterte ich mich und suchte nach etwas Peinlichem an mir, doch es war nichts.

„Ist das dein Ernst? Bist du auch so ein Kind, dem von Anfang an alles in den Arsch geschoben wurde? Aber klar, ich meine, ist ja kein Wunder bei dem Haus!" Ehrlich gesagt hatte ich ihn als einen eher netteren Typen eingeschätzt. Aber ich hatte mich wohl mal getäuscht.

„Ich muss hoch, mich anziehen und so, ich glaube die Haustür findest du selber, oder?" Ich stand auf, drehte ihm den Rücken zu und ging schnurstracks nach oben in mein Zimmer. Ich schnappte mir ein paar Sachen und rannte ins Badezimmer. Dort stellte ich mich unter die kalte Dusche und ließ meine Wut raus. Ich konnte es nicht fassen. Wie konnten meine Eltern mir diesen Jungen auf den Hals hetzen? Woher kannten sie ihn? Sie ließen zu, dass er mich ein ‚verwöhntes Mädchen' nennt. Das konnte alles nicht wahr sein! Ich machte mich schnell fertig, lief wieder zurück in mein Zimmer und boxte meine Kissen kaputt. Ja klar, ein Kind, dem alles in den Arsch geschoben wird. Ich kann doch auch nichts dafür, dass ich so aufwaschen muss. Dass ich hier eingesperrt bin. Wenn der wüsste, womit ich zu kämpfen habe. Ich hörte ein Knacken. Er ist endlich verschwunden, dachte ich. Ich drehte mich um. Da saß er auf meinem Sofa und schaute mich an. Ich konnte es nicht verstehen. Hatte ich ihm nicht gesagt, dass er gehen soll? Dass er nicht mal anklopfen konnte oder sich bemerkbar macht. Nein! Eine Frechheit!

„Verschwinde! Was willst du noch hier? Du magst mich doch nicht und ich kann dich auch nicht leiden. Was willst du noch von mir? Bitte, geh doch einfach. Du weißt doch gar nicht, wie schlimm das alles für mich ist." Ich atmete sehr schnell und mein Herz raste. „Wie viel haben dir meine Eltern gegeben, dass du bei mir bleibst? Ich gebe dir das doppelte, wenn du jetzt gehst... Tu mir doch den Gefallen. Bitte." Meine Augen fixierten sich jetzt noch mehr auf sein Gesicht. Unter den feuchten Augen verschwamm alles, was ich betrachtete. Endlich antwortete er.

„ Deine Eltern bezahlen mich nicht und es tut mir leid, dass ich so was zu dir gesagt habe. Keiner kennt dich und ich wollte das geheimnisvolle Mädchen kennen lernen. Ich dachte, das heute wäre ein Date mit dir und deine Eltern hätten dir auch Bescheid gesagt." Wie konnte dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?

Wichtig: Allysson0206 hat mitgeschrieben!!!!! :)

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