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┊  ┊  ┊           ★ ISABELL

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Beladen mit einer Seitentasche voller Unikram und noch einmal zwei weiteren Stofftaschen, in denen ich sicher verstaut Bücher gebunkert hatte, schleppte ich mich Freitagsnachmittag durch eine volle Metro und trug die Bücher quer durch die Stadt.

Bis zum Big Ben war es zum Glück nicht mehr weit. Mich empfing eiskalte Luft. Der Winter war definitiv angebrochen und sofort wurden meine Hände rau. Ich hasste es, nach der Uni nicht direkt nach Hause fahren zu können.

In der Regel startete mein perfektes Wochenende mit einer Runde Skype mit meiner besten Freundin Amanda, die in Manchester ihre Ausbildung zur Zweiradmechanikerin machte. Danach eventuell ein, zwei Folgen von Doctor Who. Natürlich mit prima Untertitel.

Ich hatte sämtliche Staffeln im Angebot gekauft und konnte es kaum erwarten erneut mit diesem verrückten Doctor auf Verbrecherjagd zu gehen. Mit Chips, After Eight Schokolade und vielleicht – nein, mit nichts Gesundem. Cola gehörte dazu.

Noah hatte gestern beim Einkaufen behauptet, ich würde irgendwann noch fett werden. Nun, da war ich ihm etwas voraus. Ich war schon rund. Wenn ich nicht aufpasste, dann war ich bald nicht nur moppelig, sondern passte im Frühjahr in keine einzige Hose mehr.

„Wieso bist du immer vor mir hier!", entfuhr es mir gefrustet, als ich Sunny in ihrem Rollstuhl, umgeben von Touristen, endlich vor dem Big Ben erreichte. Viel zu düster geschminkt, in dunkler Kleidung sah sie mich zynisch an: „Ich bin eben wesentlich bemitleidenswerter als du. Einem Rollifahrer machen sie alle immer mit betretenen Gesichtern platz."

„Quatsch, du hast einfach nur weniger Ballast", meinte ich und hing eine der Taschen hinten an ihrem Rollstuhl fest, dann lächelte ich breit: „Also Sonnenschein, warst du die Woche ein braves Mädchen? Du warst schon lange nicht mehr beim Treffen."

„Ich bin sechzehn, also hör auf mich wie eine Dreijährige zu behandeln", empörte sich Sunny sofort und während sie neben mir her rollte, erzählte sie: „Ich habe Mathe geschrieben und musste wieder eine Runde heulen, weil ich nur Bahnhof verstanden habe. Mal ehrlich, wer braucht Exponentialfunktionen, trigonometrische und ganzrationale Funktionen?"

Ich kicherte, denn durch denselben Mist hatte ich mich als Schülerin auch immer gequält. „Du hättest Noah anschreiben können, ob er dir hilft. Er studiert den Scheiß immerhin."

Mein bester Freund fand nichts toller als Mathematik. Abgesehen von seiner krankhaften Schnitzeljagd, alles was mit Inklusion zu tun hatte, auszuprobieren. Gut, Fußball schluckte auch viel seiner Freizeit, aber mir wurde jedes Mal übel, wenn er von irgendwelchen Kurven, Grafiken, Hieroglyphen und was wusste ich nicht, schwärmte.

„Wenn Noah erklärt, dann kann ich mich nur schwer konzentrieren", meinte Sunny. „Er kriegt dann immer so ein widerliches Funkeln in den Augen." Sie fuchtelte mit einer Hand vor ihren Augen herum und ich seufzte: „Ja, ich weiß was du meinst, und das wirklich Verrückte, er hat das nur bei irgendwelchen Formeln oder beim Fußball."

„Aber er steht schon auf Mädchen?", wollte Sunny wissen. Ich zuckte mit den Schultern: „Nehme ich an. Mit mir spricht er nicht über Brüste und so. Aber vielleicht mit Mozzie."

Ich hatte beim Filme schauen und bei Serien noch nie vernommen, dass er hinsichtlich Blake Lively und anderen Damen mal fallen gelassen hätte: Nette Schickse. Da war immer nur die Begeisterung über Action und Intrigen gewesen.

Flüsternde Hände ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt