Familienbande

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Meine Mutter erhob sich. „Lass es jetzt gut sein,  Bella", sagte sie fest und machte einen Schritt auf ihre Schwester zu,  die sich jetzt in lässiger Manier gegen meine Kommode gelehnt hatte.  „Immer langsam mit den jungen Hippogreifen, Zissy... Schon gut." Sie warf  mir einen hinlänglichen Blick zu. „Schon gut... Ich erspar dir die  Details, Mädchen", sagte sie angesichts meiner verängstigten Miene. „Was  in meiner Hochzeitsnacht geschehen ist, ist auch unwichtig und nicht  von Belangen... Trotzdem erinnere ich mich noch gut an diese Tage nach der  Hochzeit, denn das war die Zeit, in der ich das erste Mal meinem Herrn  begegnen durfte." Ihre Augen bekamen wieder diesen fanatischen,  wahnsinnigen Glanz. „Er nahm mich auf, wie einen seiner treuen Freunde  aus der Schulzeit und schon bald war ich diejenige, deren Rat der Dunkle  Lord einforderte, nicht den von meinem nichtsnutzigen Ehemann oder dem  Angeber, der sich Zissys Ehemann nennt..."

„Es reicht, Bellatrix",  sagte meine Mutter entschieden. „Wir sind gekommen, um zu gucken ob  Isabella bereit für die Zeremonie ist und nicht, um ihr Lügengeschichten  aus deiner Jugend zu erzählen."

„Das sind keine  Lügen", fauchte Bellatrix ihre jüngere Schwester an. „Du weißt, dass es  die Wahrheit ist. Willst du dein kleines Mädchen vor der dunklen Seite  dieser Welt beschützen? Dann hast du dir die falsche Familie und  garantiert den falschen Ehemann ausgesucht, Narcissa!"

„Sei  still", schrie meine Mutter und packte ihre Schwester mit einer  schlanken, weißen Hand am Arm. Entgeistert starrte ich meine Mutter an.  Ich hatte sie noch nie derartig reden gehört oder sie gar so reagieren  sehen. Bellatrix grinste. „Diese kratzbürstige aufmüpfige Ausgabe von  dir gefällt mir deutlich besser, kleines Schwesterchen, als diese  willenlose nichtdenkende Version, die Lucius erschaffen hat." Meine  Mutter schlug ihrer Schwester mit voller Wucht gegen den Arm, doch ihre  schmale, schwache Faust erzielte nicht den gewünschten Effekt. Wieder  gackerte Bellatrix los, schrill und hoch und ich hätte ihr am liebsten  den Mund zugehalten.

Erneut wurde die Tür aufgerissen und  überrascht starrte ich den großen, schwarzhaarigen Mann, dessen Haar an  den Schläfen längst ergraut war, an, der dort in meinem Türrahmen  lehnte. Augenblicklich ließ meine Mutter von meiner Tante ab und strich  ihr helles Kleid glatt.

„Rodolphus", sagte sie ein wenig außer  Atem. „Was machst du denn hier?" Rodolphus Lestranges dunkle markante  Augenbrauen zogen sich zusammen. Flüchtig schweifte mich sein  unterkühlter Blick. „Komm Bellatrix", blaffte er ohne meine Mutter eines  Blickes zu würdigen oder gar auf ihre Frage einzugehen. „Die Zeremonie  beginnt in Kürze." Bellatrix warf ihrem Ehegatten einen arrogant  lasziven Blick zu, den er mürrisch zur Kenntnis nahm, sich aber  angesichts ihrer anmaßenden Miene keineswegs beeindrucken ließ.

Vermessen trat Bellatrix einen Schritt nach vorn. „Mir düngt, als wäre meine Anwesenheit anderorts erwünscht", sagte sie sarkastisch, warf ihr dickes, schwarzes Haar über  die Schulter und musterte ihren Mann selbstgefällig. Dann wandte sie  sich ihrer Schwester zu, die schweigend an meiner Seite stand und mir  jetzt eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. „Komm Zissy, das Mädchen  wird den Weg in die Eingangshalle schon alleine finden. Das ist  schließlich ihr großer Tag." Meine Mutter nickte langsam und ließ meine  Schulter los.

Rodolphus riss die Tür auf und schritt energisch  aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Bellatrix, die sich nicht einmal mehr  verabschiedete oder mich ansah, sondern nur davonrauschte, in ihrem  nachtschwarzen Umhang. Ihre lauten, selbstbewussten Schritte verhallten  auf dem Korridor und dann war es still.

Meine Mutter wandte sich  zum Gehen. Ein letztes Mal drehte sie sich zu mir herum. Ihre  himmelblauen Augen waren an diesem Tage fern wie die Abendsterne und in  ihren Tiefen lag – als riefen sie mir zu: Versteh! –eine Welt von  dunkelgrauem Schmerz. Ich schloss sie in die Arme. Es war wie ein  brennender Reflex. Zu lange unterdrückt. Und ich roch ihr Haar und  atmete ihr frisches Kleid. „Oh Mutter, wie konntest du das nur zulassen?  Wieso ließest du es geschehen?" Nur ein Windhauchflüstern, das sie  nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Ich wusste es in diesem  Moment nicht. Sie drückte mich an sich und ich spürte plötzlich ihre  heißen Tränen auf meinem Haar. Wie ein kleiner Trauerregen aus Schmerz  und Salz. Und in ihrem warmen Herzen -nicht kalt wie seins- waren mehr  als tausend ungeweinte Tränen und in jeder spiegelte sich mein Bild.

***

Langsam schloss ich meine Zimmertür hinter mir und betrat den großen dunklen Flur. Meine Kindheit ließ ich nun zurück und trat mit ihr in neue Schmerzenwelten. War das wirklich die richtige Entscheidung?

Zögernd  stieg ich die lange Wendeltreppe ins Erdgeschoss hinab. Das Kleid  raschelte leise und meine Hände zitterten, als sich meine Finger um das  Mahagoni-Geländer schlossen. Ich sah meinen Vater unten in der  Eingangshalle stehen- wartend. Er hatte mir den Rücken zugewandt und  betrachtete scheinbar in Gedanken versunken die riesige, dunkelbraune  Standuhr, deren goldener Sekundenzeiger sich kaum merklich immer weiter  der Zwölf näherte. Die Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt und  der lange Saum seines sündhaft teuren Festumhangs berührte beinahe den  Boden.

Staubiges Sonnenlicht brach durch die hohen Bogenfenster.  Es war früher Nachmittag und der Sonnenschein sah aus, wie gepudertes  Gold auf den grasigen Hügeln in der Ferne. Der Wind durchkämmte die  langen Gräser der Wiese.

Lautlos stieg ich die letzte Stufe  hinab. Langsam drehte er sich zu mir herum. Seine sturmgrauen Augen  strahlten mir das erste Mal, seit ich denken konnte, entgegen. Ich  blinzelte die Tränen davon.

„Der Himmel hat mir das schönste  Elfenwesen der Welt geschenkt", sagte er heiser. „Lass dich ansehen..."  Zaghaft ergriff er meine Hand. Ich zwang mich zu einem letzten Lächeln  vor dem Schafott. Ein letztes Lächeln für ihn. „Du bist wunderschön,  Isabella." Ich senkte demütig den Kopf. „Nicht doch, Vater, du machst  mich ganz verlegen." Sein dunkles Lachen erfüllte den Saal.

Der  dicke, süßliche Geruch der durch Magie versilberten Rosen beim  Eingangstor stieg in mir auf. Es war jene Rosenart, die einen träge  werden lässt. Nicht jene, die einen an Kindheit erinnerte, zwischen  weißen Rosenbüschen und Dornen im Beet, mit aufgeschlagenen Knien und  dem Lächeln der Jugend im Gesicht. Es waren Yaxley-Rosen. Je älter ich  wurde, desto durcheinander kam mir mein Leben vor. Als ich klein war,  sah alles so einfach aus. Es lag augenscheinlich alles vor mir  ausgebreitet, wie ein Spiel, bereit, gespielt zu werden. Ich dachte, ich  wüsste genau, wie alles aussehen würde. Aber dann passierten gewisse  Dinge...

„Bereit?"

Seine dunkle Stimme riss mich jähe aus meinen Gedanken.

Ich  schluckte und rückte ein letztes Mal die silberne Feder-Haarspange in  meinen mondhellen Locken zurecht. „Nein", sagte ich klanglos, aber trat  dennoch einen Schritt nach vorn, um seinen mir dargebotenen Arm zu  ergreifen. „Ich fürchte mich vor dem, was kommt, Vater."

Danke für eure bisherigen Kommentare und eure Unterstützung. Es freut mich ungemein, dass immer mehr Leser dazukommen :) Noch vier Kapitel dann ist die Story zu Ende... Dass es so schnell geht ist dann doch immer überraschend :D

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt