Nicht mehr alleine

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Ich atme auf und warme, tropische Luft strömt durch meine Lunge. Hitze. Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich fühle mich vertrocknet. Wie ein Fisch am Lande. Schwer keuchend liege ich auf dem jetzt sandigen Boden und grabe meine Fingern in den kornigen, hellorangen Sand. Schwerfällig beschließe ich aufzustehen, werde aber sofort wieder zurückgerissen. Verwirrt blicke ich auf meinen Untergrund. Es hat sich angefühlt als würde ich von einer unsichtbaren Macht wieder zurückgezogen werden! Bereit gegen den Wiederstand anzukämpfen wage ich einen zweiten Versuch. Problemlos stehe ich auf und stelle mir sofort die Frage ob ich bereits so am Ende bin, das ich halluziniere. Jetzt fühle ich mich leicht. So als würde ich jeden Moment abheben und in den rosernen Himmel schweben. Ich bilde mir das alles nicht ein! Eine andere Schwerkraft? Verwirrt blicke ich um mich herum. Ich befinde mich in einer Wüste. Einer ganz normalen Wüste. Eigentlich habe ich mir etwas anderes, etwas Aufregendes erwartet. Schließlich befinde ich mich in einer anderen Welt! Warum also soll es gleich Aussehen wie auf der Erde? Enttäuschung macht sich in mir breit und verdrängt andere Bedürfnisse, wie den Durst der mich schon seit Stunden quält. Aber ich habe nicht die Zeit um Nachzudenken, denn ich spüre bereits ein eigenartiges Kribbeln in meinen schlaffen Fingerspitzen. Wie lange habe ich Zeit bis ich, wie der Vogel, zu schwarzem Staub zerfalle?

Mühsam wandere ich einen Sandhügel hinauf und starre in die Ferne. Als ich die Spitze des Hügels erreiche sehe ich ein Dorf. Ein Dorf? Hoffnung. Wasser! Durst! Ich sprinte zu meiner Erlösung hin, aber schon nach wenigen Metern halte ich inne. Was wen dies nur eie Fata Morgana ist? Ein Trugbild um mich in die Irre zu locken? Villeicht gibt es hier keine Trugbilder? Meine Augen fallen zu und ich kann nichts dagegen machen. Diese Müdigkeit. Dann fällt es mir wieder ein: Ich kann mich hier ja nicht auf diese Weise fortbewegen! Mit letzer Kraft versuche ich mich nur auf den Wunsch, zu diesem Dorf zu gelangen zu konzentrieren. "Bitte!" flüstere ich. Wie lange bin ich schon alleine? Wie lange habe ich schon nicht mehr geredet? Meine Stimme hat durch das Stunden (Oder waren es Tage?) lange Schweigen einen seltsamen Klang. Doch es passiert nichts! Hoffnungslos lasse ich mich zu Boden fallen. Warum bin ich noch einmal hier? Der Wunsch nach Rache. Aber gegen wen? Gegen einen Engel. Was sind Engel? Ach ja! Sie haben meine Familie ermordet. Leise fange ich an vor mich hin zu kichern, denn die Hitze macht mich schon ganz wahnsinnig.

"Schlaf mein Kindlein, schlaf ein. Lass all die Sorgen, die meinen sein."

Ich höre von der Ferne einen lieblichen Klang eines Liedes. Bitte! Engel, nicht jetzt! Ich bin gerade körperlich, nicht in der lage zu kämpfen.

"Nein, mein Kindlein, nein. Ein Engel kann ich nicht sein. Allein mein Aussehen beweist dies schon, meine silberne Mähne erspart diese Disskusion. Diese Wüste, ist die mein, ich bin der Herrscher dieses trockenen Reichs."

Mein glasiger Blick erfasst ein Lebewesen welches liebevoll über mich gebeugt ist. Es ist kein Mensch und sieht garnicht Menschlich aus. Es hat eine Ähnlichkeit mit einem Pferd. Auf dem zweiten Blick ähnelt es jedoch einem Esel. Es hat silbernes Fell, eine Silberne Mähne und sanft leuchtende, goldenen Augen. Ich halte schützend eine Hand über mein Gesicht.

"Keine Angst, voller Ehrfurcht habe ich dich aus der Ferne gesehen. Schon solange war niemand mehr hier, in meinem Revier. Nun komm mit mir."

Es legt behutsam seinen schweren Kopf auf meine erhitzte Stirn und schließt die Augen. Während es dies tut summt es eine , mir fremde, Melodie. Ich fühle mich als würde mein Körper sich in Stücke auflösen und nurnoch meine Seele übrig bleiben.
"Wie komme ich zur Stadt der Engel?" frage ich das Pferdewesen. Es antwortet nicht. Mein Körper wird immer leichter und mein Durst löst sich auf. Das Tier murmelt Reime und wirft die Mähne in der Luft herum. "Schätzchen du bist bereits hier." Ungläubig reisse ich die Augen auf. Um mich herum ein Treiben wie auf einem Jahrmarkt oder dem Kirtag. Ich liege auf einem Platz vor einer antiken, gigantischen Kirche. Das Wesen sieht mich an. "Was habe ich gesagt, dir?" Mein Mund klappt auf auf und ich stottere unzusammenhängende Wörter. Dies dauert eine Zeit an bis ich herauswürge: "Warum hast du mir geholfen?" Es kichert in hohen Tönen und wirft vor belustigung seinen großen Kopf nach hinten. "Ich bin auf deiner Seite!" Mit diesen Worten verwandelt es sich. Seine vier Beine werden in gleisendes Licht gehüllt und wachsen zu zwei zusammen. Zehen, wie bei einem normalen Menschen entstehen und der Körper des Pferden zieht sich zusammen sodass der eines Menschen erscheint. Der Kopf knackst und seine Augen leuchten. Nach diesen faszinierenden Sekunden steht ein gewöhliches Mädchen vor mir. Sie ist wunderhübsch. Sie ist um die 17, doch ihre blauen Augen, die Iris umkreist von einem schmalen goldenen Strich, strahlen eine Weisheit aus, welche ich noch nie zuvor gesehen habe.

Sie streicht ihre hüftlangen silbernen Haare hinters Ohr. "Hallo." lächelt sie. "Was bist du?" flüstere ich voller Erstaunen. "Ich weiß es nicht." flüstert sie zurück. "Warum?"lautet meine Antwort. "In dieser Welt hat man sich nie die Zeit genommen Wesen Namen zu geben." Ihre Stimme ist wie ein Glockenspiel im Wind. "Warum?" murmle ich nocheinmal. Das Mädchen grinst von einem Ohr bis zum anderen. "Wie meinst du das? Namen sind nicht wichtig. Namen sind nur Bezeichnungen. Und Bezeichnungen verurteilen." Mein Herz pocht vor den Gefühlen welche ich gerade empfinde. Angst, Ehrfurcht, Neid, Hoffnung, Rachegelüste.
Ich nehme mir die Zeit und betrachte ihr Gesicht. Makellose Züge. Ihr Körper ist bestimmt genauso fehlerfrei, aber ich sehe ihn nicht. Er ist in einen dunkelgrauen Mantel gehüllt.

"Du suchst jemanden?" fragt sie mich. Zitternd nicke ich und lasse meinen Blick über die Umgebung schweifen. "Ich helfe dir." verkündet das Wesen und hebt feierlich die Hand zu einem Schwur. "Wiso?"
Doch das Mädchen schüttelt nur den Kopf. "Alles zur richtigen Zeit erfahren. Zu früh ist schlecht. Und zu spät ist noch schlimmer. Also, alles zur richtigen Zeit."

City of AngelsWhere stories live. Discover now