Auf der Flucht

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Richmond, London

heute (2017)

Ich rannte. Ich spürte, dass ich nicht mehr lange konnte, meine Lungen das nicht mehr aushalten würden. Sie brannten wie Feuer in meiner Brust und ich glaubte fast, jeden Moment zu ersticken. Immer wieder wich ich Laternenpfosten und Müll aus, der auf dem Gehweg herumlag. Warum konnten sich die Leute bitte keinen Mülleimer suchen?

Als ich mich umdrehte sah ich, dass ich das Auto zwar abgehängt hatte, aber deswegen noch lange nicht in Sicherheit war. Ich rannte weiter vorbei an den endlosen Häusern und Gärten, bis ich eine offene Gartentür sah.

Kurzentschlossen schob ich mich daran vorbei, schloss die Tür hastig  und verkroch mich hinter der kleinen geziegelten Mauer, die den Garten von der Straße abtrennte und so ein perfektes Versteck hergab. Meinen Rucksack ließ ich leise neben mir auf das taufeuchte Gras gleiten. Entweder war das hier jetzt mein Todesurteil oder ich war verdammt clever.

Ich hörte, wie das Auto direkt vor dem Grundstück abbremste und jemand mit schweren Schritten ausstieg. „Wo ist sie?" Die Stimme klang nach einem Mann. Nach einem ziemlich genervten Mann. Verdammt, sie waren immer noch hinter mir her! Der Job musste aber auch frustrierend sein, wahrscheinlich hatten die Polizisten schon mehr lebenslustige Teenager verfolgt, als wirkliche Verbrecher. Mich einbezogen.

„Ich hab' sie laufen gesehen und dann... war sie plötzlich weg!"

„Wie konntest du sie nur verlieren?! Wenn ich mir nur einen Fehler in diesem Monat erlaube, kann ich die Beförderung vergessen!", rief der andere empört. Okay, es ging hier also nicht nur um mich persönlich. Für eine Beförderung würde ich aber auch so einiges anstellen.

Schweigen. Ich traute mich nicht einmal mehr zu atmen, so still war es in der kleinen Straße Richmonds auf einmal geworden. Und obwohl ich hinter der dicken Gartenmauer hockte, hatte ich das Gefühl, für jedermann zu sehen zu sein. Ein brennender Umriss in der pechschwarzen Dunkelheit. 

„Sie muss noch irgendwo hier sein, such' alles ab!" Verdammt. 

Ich versuchte meine Atmung zu verlangsamen und auch sonst keinen Laut von mir zu geben. Obwohl meine gekrümmte Position hinter der nicht gerade hohen Mauer gerade wirklich unangenehm wurde. 

Das Licht einer grellen Taschenlampe streifte über die Mauer und erleuchtete das dunkle Haus dahinter. Keine Ahnung, wer hier wohnte. Wahrscheinlich würden die Bewohner einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie mitbekämen, was in ihrem kleinen Vorgarten gerade ablief. Eine echte Verbrecherjagd auf seinem Grundstück hatte man schließlich auch nicht alle Tage.

Es musste schon zwei Uhr morgens sein, denn außer ein paar betrunkenen Jugendlichen hatte ich keine Leute mehr auf der Straße gesehen. Zum Glück für mich, denn ich war mir sicher, dass die Bewohner Richmonds für eine großzügige Belohnung nur zu gerne ausplaudern würden, wohin ich mich verkrochen hatte. Tja, hilfsbereit waren sie ja alle, die anständigen Vorort-Londoner.

Plötzlich näherten sich die schweren Schritte gefährlich nahe meinem Versteck. Oh, bitte nicht. Hätte ich nicht peinlich genau darauf geachtet, außer meiner flachen Atmung kein Geräusch zu erzeugen, wäre mir bestimmt ein Wimmern entflohen. Ich war mit den Nerven am Ende, endlose Stunden der Ungewissheit, die Jagd der Polizei, in der ich der unschuldige Fuchs war, den es zu erlegen galt. 

 Wieder glitt der Lichtkegel einer Taschenlampe über die Mauer, dann war er verschwunden ab. Ich atmete erleichtert aus und verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere. Nochmal davongekommen.

„Ich hab sie!"

Die Stimme des Polizisten mit der Beförderung brüllte mir ins Ohr, seine Hand packte mich grob am Arm und zog mich in eine stehenden Position. Ich war schnell genug, um mit einer Hand noch meinen Rucksack zu packen und mir einen Träger über die Schulter zu schwingen, da wurde ich auch schon brutal über die Gartenmauer gezogen und schrammte mir dabei ein Knie auf. Autsch. Die Polizei wurde aber auch immer dreister. 

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