2. Kapitel

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Am nächsten Morgen versuchte ich nicht zu euphorisch aus dem Bett zu springen, allerdings misslang es mir kläglich. Meine Gedanken wurden von einem einzigen Wort, oder vielmehr Menschen, beherrscht: Tate. Ich konnte es nach wie vor nicht glauben, dass dieser Mann mir tatsächlich so dermaßen unter die Haut und in den Kopf gefahren war. Es war bloß eine Begegnung gewesen und ein ziemlich guter Kuss. Ein verdammt guter Kuss sogar.

Bei dem Gedanken daran lächelte ich versonnen und berührte mit den Fingerspitzen meine Lippen. Wenn ich daran dachte, konnte ich ihn noch immer spüren. Seine weichen Lippen, seine Zungenspitze an der meinen.

„Zu gut", murmelte ich und stellte mich unter die heiße Dusche.

Als ich fertig war, machte ich mir jede menge Gedanken darüber welche Klamotten ich anziehen sollte, bis ich letztlich mit einem Fluchen einfach das Nächstbeste griff und überzog. Es würde ja doch nichts helfen oder daran ändern dass ich vollkommen fertig mit den Nerven war.

Was wenn er nicht auftauchte? Was wenn er beschlossen hatte dass ich seltsam oder verrückt war? Was wenn er ...

Nein. Nein! Derartige Gedankengänge würden mir nicht helfen und mich bloß zu irgendetwas Dummen verleiten.

Statt also weiter vor mich herzugrübeln, ging ich in die Küche und schnappte mir einen Apfel welchen ich auf dem Weg zum Café essen wollte.

„Keinen Hunger?", fragte meine Mum.

„Nein", brummte ich und verschwand mit dem verwirrten Blick meiner Mutter im Rücken nach Draußen in die noch kühle Morgenluft.

Dort atmete ich einige Male sehr tief und noch viel tiefer ein und aus. Resigniert betrachtete ich wie weiße Wölkchen aus meinem Mund aufstiegen und irgendwo im Nichts verschwanden. Hoffentlich hatte Tate nicht das Gleiche getan. Zu sehr wollte ich ihn wiedersehen, seine Stimme hören, ihn berühren.

„Komm schon Kendra, hör auf zu träumen", redete ich mir selbst zu und versuchte es einfach auf mich zukommen zu lassen.

Sehr langsam setzte ich mich in Bewegung. So sehr ich ihn auch sehen wollte, desto mehr fürchtete ich mich auch davor als Einzige dazustehen. Alleine und versetzt. Kein schöner Gedanke und ein noch unschöneres Gefühl. Herausfinden ob Tate gekommen war, würde ich jedenfalls. Schließlich konnte ich nicht auf meine morgendliche Dosis Kaffee verzichten. Als ich beim Laden ankam, holte ich kurz Luft und zog dann die Tür auf um hineinzugehen. Wie jeden Morgen, schlug mir der Geruch von frisch gebrühten Kaffee entgegen, gemischt mit den Stimmen der Menschen, da bereits reger Betrieb herrschte. Suchend ließ ich meinen Blick umherschweifen, während ich mich in die lange Schlange einreihte. Doch entweder war ich über Nacht erblindet, oder er war nicht da. Resigniert gab ich schließlich auf und spielte mit dem Reißverschluss meiner Geldbörse herum, welche ich hervorgeholt hatte. Kurz bevor ich dran war hob ich meinen Blick wieder. Der Mann vor mir bestellte irgendetwas auf das ich nicht achtete, dann schickte ich meinen üblichen Wunsch als nächste hinterher, bezahlte und stellte mich ein Stück nach rechts, um auf mein Gebräu zu warten.

„Kendra?", höre ich mit einemmal direkt neben mir. Diese Stimme, ich hätte sie unter tausenden erkannt.

„Tate", erwiderte ich und konnte nicht verhindern, dass einwenig der Erleichterung welche ich verspürte, in diesem einen Wort mitschwang.

„Ich freu mich dass du gekommen bist", sagte er so leise dass nur wir beide es hören konnten und legte dabei eine Hand auf meinen Arm.

„Ich mich auch", gab ich genauso ruhig zurück.

„Setzten wir uns?", fragte er.

„Gerne", antwortete ich gerade so noch, da mir fast die Luft wegblieb.

Tiefes VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt