➰ 15. KAPITEL ➰

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(Bitte hört traurige Musik bei dem Kapitel)

Wahrlich ist der Mensch der König aller Tiere,

denn seine Grausamkeit übertrifft die ihrige.

Wir leben vom Tode anderer.

Wir sind wandelnde Grabstätten!

(Leonardo da Vinci)

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Soetwas passiert, wenn man in der Vergangenheit wühlt und Geheimnisse aufdeckt, die eigentlich nie für die Öffentlichkeit gedacht waren. Doch das, ist so ziemlich mit das schwerste Verbrechen. Mord, Diebstahl und Vergewaltigung sind alles Taten: die sich hinten anstellen müssen.

Wenn Nero wirklich mein Bruder ist, dann sind wir drei Geschwister.

Und das ist einer zu viel. Jede Familie darf nur zwei Kinder haben, wenn doch noch eins dazu kommt, wird das eine ...

Ich muss schlucken und suche den Blick von Nero, der aber immer noch völlig entsetzt zu seiner Mutter starrt. Das ist Hochverrat. Es passieren schlimme Sachen sobald gegen die Zwei-Kinder-Politik verstoßen wird. Schlimmstenfalls kommt man nach Infierno.

Ich kann mir keineswegs Vorstellen, das meine Mutter freiwillig gegen das Gesetz verstoßen hat. Auch wenn Nero nur mein Halbbruder sein konnte, dennoch hatte sie damit drei Kinder. Ich will mir nicht ausmalen was passiert, wenn das hier, die falschen Leute erfahren. Mum ist tot, sie hat das Geheimnis mit ins Grab genommen. Ob Dad davon wusste? Poppy ist somit das dritte Kind, welches rechtens das ungenehmigte ist. Anscheinend haben Mum und die Hebamme heimlich eine Vereinbarung getroffen, die Urkunde gefälscht und Nero weggegeben.

„Wir wollten dich so sehr, Schätzchen", schnieft seine Mum, nein nicht seine Mum, die Frau die er Jahre lang als seine Mama bezeichnet hat.

„Der Arzt sagte uns, das Dieke nie Mutter werden könnte", mischt sich ihr Mann ein und tätschelt ihre Wange „Du kannst dir nicht vorstellen, wie verzweifelt wir waren. Das ist immer unser Traum gewesen. Eine Familie zu gründen!"

Ich versuche Neros Gestik und Mimik zu deuten, doch irgendwie schien er mir gerade wie ein verschlossenes Buch. Er steht regungslos vor uns und klammert sich an seine Schullehne.

„Ich kann ... Ich kann das nicht glauben", stammelt er und mit Tränen in den Augen schaut er Hilfe suchend zu mir „Kann ich mit zu dir kommen? Ich will hier nicht mehr sein"

Langsam nicke ich und strecke ihm entschlossen meine Hand hin, sodass er sie ergreifen kann. Was er auch tut. Nero wischt sich mit der freien Hand einmal kurz über die Augen und zieht mich dann aus dem Garten, durchs Haus und auf die Straßen.

Während wir gemeinsam zu mir nach Hause laufen, fängt Nero an zu weinen. Das habe ich noch nie gesehen, für mich ist er immer der fröhlichste Junge auf Erden gewesen.

Noch lange sehe ich mir das Bild an und sauge förmlich jedes Detail in mir auf. Dann schiebe ich die letzten Glasscherben von dem Rahmen und ziehe vorsichtig das Bild raus. Ich falte es einmal in der Mitte und stecke es nachfolgend in meine Innenjackentasche. Kurz schaue ich mich in dem Raum um und entdecke schließlich einen alten Besen, mit dem ich die Scherben und dem Rahmen in eine Ecke fege.

Danach suche ich wirklich in jeden Raum nach Ylvie ab und finde ein zweites Badezimmer, ein gruseligen Keller mit eingelegten Gurken, zwei Kinderzimmer und vor allem viele Spinnenweben. Lustlos ziehe ich die Gardinen eines Fensters im oberen Geschoss zur Seite und sehe nachdenklich in die Ferne. Wenn Ylvie nicht im Haus ist, dann ist sie sicherlich auf den Weg zu Harry zurück oder mindestens nicht mehr in meiner Nähe.

Prisoner | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt