1. Auf nimmer Wiedersehen!

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Meine Taschen standen im Flur, säuberlich geordnet und aneinander gereiht.
"So wie es sich gehört!", würde meine Mutter sagen.
"Du willst doch kein Messi werden. Wie die, die sie immer im Fernsehen zeigen!", mein Vater.
Nur bei dem Gedanken daran, verdrehte ich die Augen.

Nichts war mir lieber, als von hier weg zu kommen. Am besten so schnell es geht.
Zu meinem Vorteil schoben mich meine Eltern zu meinem Bruder nach Berlin ab.
Sie meinten, es wäre besser für mich, um Erfahrungen zu sammeln, die harte Realität zu spüren, bla bla bla...

Sie sind einfach unglaublich spießig!
Luca ist mein älterer Bruder, der es vor zwei Jahren geschafft hatte, aus den Zwängen meiner Eltern zu entwischen und nach Berlin abzuhauen.
Der perfekte Ort für mich! Parties, Möglichkeiten zum Shoppen, einfach alles was ich brauchte um endlich zu leben.
Endlich raus aus dieser langweiligen Kleinstadt zu kommen, mit all diesen langweiligen Spießern.

Ich lag mit meinen "viel zu lauten" Kopfhörern auf meinem Bett.
"Die sind viel zu ungesund, für deine Ohren! Und dann diese Gossen Musik, mit diesen dreckigen Ausdrücken!", beschwerten sie sich andauernd.
Ha! Als ob mich ihre Meinung interessierte!?

Ich guckte auf die Poster an meiner Decke, als meine Mutter in mein Zimmer stürmte und wild umher fuchtelte. Sie schrie irgendwas, doch ich konnte sie natürlich nicht verstehen und noch weniger wollte ich sie verstehen.
Lachend nahm ich die Kopfhörer ab.

"Grace! Diese Musik ist nicht gut für dich!", protestierte sie.
"Ich höre sie aber, weil sie mir gefällt und nicht, weil sie dir gefallen soll!", erwiderte ich schmunzelnd.
"Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass wir in einer halben Stunde fahren wollen. Luca freut sich schon sehr auf deine Ankunft. Er hat extra ein Zimmer für dich frei geräumt.", erklärte sie begeistert.
"Gut, dann bin ich in einer halben Stunde wieder hier.", antwortete ich, warf mir meine Jacke über und stieg auf mein Fensterbrett.
"Nicht schon wieder durchs Fenster!", seufzte meine Mum und verließ mein Zimmer.

Ich sprang auf unser Garagen Dach, welches direkt unter meinem Fenster lag und dann auf unseren Vorhof. Ich setzte meinen Helm auf und schwang mich auf mein Motorrad.
Ich ließ den Motor aufheulen und raste los.
Einmal noch, wollte ich durch diese Spießer-Stadt fahren, mit all diesen Spießer-Leuten und ihren Spießer-Häusern.
Ich konnte es gar nicht abwarten nach Berlin zu kommen!

Nach 45 Minuten hielt ich wieder auf unserem Vorhof. Meine Eltern standen vor dem Auto und warteten ungeduldig.
Ich setzte meinen Helm ab und warf meine grau-blonden Haare nach hinten.
Meine Haare waren noch so eine Geschichte warum meine Eltern angepisst waren: "Ein anständiges Mädchen färbt sich nicht die Haare!"

Hatte je irgendwer gesagt, dass ich anständig wäre?
Genau so wie meine gepiercten Ohren, auch ein Problem für sie darstellten.

Ich klemmte mir meinen Helm unter den Arm und ging auf sie zu.
"Grace Amelia Sophie Brunk! Du weißt genau wie wir Pünktlichkeit schätzen!", schimpfte meine Mum.
"Wir warten seit geschlagenen 15 Minuten, bis du dir deiner Schuld bewusst?", wollte mein Dad wissen,"Wir kommen zu spät!"

Ich setzte mein Grinsen auf und verschwand im Haus um meine Taschen zu holen.
Zum letzten Mal betrat ich mein Zimmer, welches als Einziges im ganzen Haus, nicht spießig war.
Und das war auch gut so, immerhin muss man ja auch ein bisschen anders sein. Auch wenn ich für meine Eltern zu viel anders war. Ich schloss mein Zimmer zu und hüpfte die Treppe hinunter.

Meine Taschen warf ich ins Auto und mich auf die Rückbank. Mum und Dad schmückten den vorderen Teil des Autos.
Ich setzte meine Kopfhörer auf und schaltete die Welt aus. Wir fuhren vorbei an all diesen langweiligen Häusern, hinaus in einen neuen Anfang, wenn auch nur für mich.

Meine Mum hatte mich in irgendeine Privatschule gesteckt, weil ich dort ihrer Meinung nach besser aufgehoben war.
Dabei hoffte sie insgeheim, dass, weil sie dort mehr zahlten, ich nicht so schnell rausgeschmissen werde, wie auf meiner alten Schule. Aber das denkt auch nur sie.

Ich schaffe es immer meinen Willen durch zu setzten!
Nur wollten sie das einfach nicht verstehen...

Luca führte auch ein ganz anderes Leben als sie dachten.
Er lebte weder in einer schön aufgeräumten Wohnung, noch hatte er gut erzogene, gut verdienende Mitbewohner.
Seine Wohnung sah aus, wie so eine Wohnung eines 25 jährigen Studenten eben aussah! Und seine Mitbewohner hatten irgendwelche dreckigen Nebenjobs, um den Rest des Tages auf der Couch liegen zu können.

Aber man kann von meinen Eltern eben nicht erwarten, dass sie realistisch sind.

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