Kapitel 16

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Die Stimmung hatte ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. Nachdem Elly aufgebrochen war, um in der verlassene Stadt nach Verpflegung, Kleidung und anderen hilfreichen Dingen für die Reise zu suchen, verstarb Nayrah.

Letztendlich erlag sie ihren schwerwiegenden Verletzungen, die sie aus dem Zweikampf mit Morr'ag davon getragen hatte, um Elly zu retten. Simon war am Boden zerstört, Nayrahs Tod ging ihm sehr nah und auch Elly trauerte um das Tier.

"Es ist meine Schuld" sagte sie betrübt und schaute zu den beiden Männern vor ihr, die gerade dabei waren ein tiefes Loch in den Waldboden zu graben. Simon schüttelte rasch den Kopf und beteuerte ihre Unschuld, aber sie fühlte sich trotzdem für ihren Tod verantwortlich.

Als sie den Panther beerdigt hatten, machten sie sich alle zusammen auf den Weg Richtung Norden, um die Reise anzutreten. Während sie durch den dunklen Wald schritten wurde Elly sich immer unsicherer, ob es die richtige Entscheidung gewesen war den Anderen zu folgen. Sie hielt einen gewissen Abstand zu ihnen ein und ging relativ weit hinten.

Einige Äste knackten und die Blätter rauschten im Wind. Der Wald wirkte bedrohlich und Elly hatte das Gefühl, als würde jeden Moment ein wildes Tier zwischen den Sträuchern hervorspringen und sie angreifen.

Gelbe Augen beobachteten die Truppe und das durchdringende Jaulen von Wölfen erfüllte die Nacht. Ihr war mulmig zumute und sie zuckte bei jedem kleinsten Geräusch zusammen. Als eine Hand ihre Schulter berührte, erschreckte sie sich so sehr, dass sie beinah laut geschrien hätte. "Hey, ich bins nur" drang Aliyas Stimme an ihr Ohr. Erleichtert atmete Elly aus "Bitte tu das nie wieder, ich dachte du wärst weiter vorne bei den anderen."

Aliya schmunzelte. "Entschuldigung, ich konnte ja nicht wissen, dass du so schreckhaft bist."

"Schon gut, sag mal warum hast du mich vorhin vor Edan verteidigt?" Elly sah sie fragend an, während sie weiter gingen.

Die Rothaarige senkte leicht den Kopf. "Weil ich weiß wie es ist anders zu sein, ich kann gut nachvollziehen wie du dich fühlst." Sie schenkte ihr ein schwaches Lächeln und wich einem Baum aus. "Du hast es nicht verdient das jemand so mit dir umgeht, das hat niemand."

Die Rufe einer Eule waren zu hören und Elly bemerkte, dass sich der Abstand zum Rest der Gruppe immer weiter vergrößerte. Sie waren in der Finsternis kaum mehr zu erkennen.

Am liebsten hätte Elly ihnen zugerufen, dass sie warten sollten, doch damit hätte sie sich nur lächerlich gemacht. "Du solltest Edans Gemeinheiten nicht einfach so hinnehmen, sonst wird er nichtmehr damit aufhören."

Das rascheln der Blätter wurde lauter und Elly spürte, wie der eisige Wind ihren Nacken streifte. Sie bekam eine Gänsehaut und wurde das Gefühl nicht los, dass etwas oder Jemand in den Schatten auf die beiden lauerte. "Was soll ich deiner Meinung nach tun, seinen Hintern abfackeln?" witzelte Elly trotz dem beklemmenden Gefühl in ihrer Brust. Aliya kicherte und zwinkerte ihr zu "Wäre zumindest ein Anfang."

Bildete Elly sich das nur ein oder sank die Temperatur in der Umgebung immer weiter? Nein, Aliya schien es auch zu spüren, denn sie hielt ihre Arme fest an den Körper gedrückt und klapperte mit den Zähnen.

Von den Anderen war weit und breit nichts mehr zu sehen und sie konnte nur noch erahnen in welche Richtung die Truppe gegangen war. "Wartet auf uns" schrie Elly nun doch und beschleunigte ihre Schritte, Aliya folgte ihr.

Die Äste knackten verdächtig laut und sie konnte ihren eigenen Atem sehen, der sich wie Nebel vor ihrem Mund ausbreitete. "Was geht hier vor sich?" fragte Aliya ängstlich, doch Elly blieb keine Zeit zu antworten. Die Äste der Bäume vor ihnen fingen an sich zu bewegen, nicht vom Wind sondern selbstständig. Sie versperrten ihnen den Weg.

Ohne darüber nachzudenken, griff Elly nach Aliyas Hand und rannte mit ihr zur rechten Seite, um den Ästen auszuweichen aber auch hier wurde Ihnen der Weg versperrt. Ellys Herz raste als sich die Bäume von ihren Plätzen lösten und auf sie zukamen, um sie in die Enge zu treiben.

Aliya drückte ihren Rücken gegen Ellys und keuchte auf, als sich weißer Nebel um sie herum ausbreitete. Plötzlich gab der Boden unter der Rothaarigen nach. Sie schrie und wurde von einigen Wurzeln in die Tiefe gezogen.

Riesige Ranken schossen aus der Erde und legten sich wie Würgeschlangen um ihre Gelenke. Elly drehte sich zu ihr und wollte sie befreien, doch Aliya wurde mit unerbittlicher Stärke festgehalten und weiter nach unten gezogen. Ihre grünen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, Tränen blitzten in ihnen und Todesangst stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Elly handelte instinktiv. Sie bündelte ihre Feuermagie und schleuderte den Zauber auf die riesigen Ranken, die Aliya umklammerten. Die Rothaarige steckte bereits bis zum Bauch in der Erde doch der Angriff schien erfolgreich gewesen zu sein, denn die Pflanze, sowie ihre Wurzeln zogen sich zurück und gaben sie frei.

Rasch half Elly ihr aus dem Loch zu klettern. "Danke" sagte sie und ließ ihren Blick durch den Nebel schweifen. Der Wald schien wütend zu sein. Die Bäume kamen immer näher und streckten ihre knorrigen Finger von jeder Seite nach ihnen aus.

Irgendetwas regte sich in Elly. Unbändige Wut schoss durch ihren Körper und entfachte ein Feuer in ihr, dass selbst ihre Angreifer kurzzeitig zurückweichen ließ. Elly glühte förmlich. Die Hitze breitete sich von ihrem Körper aus und hüllte sie in eine Art Feuerbarriere, die immer größer wurde und selbst Aliya umfing. "Wahnsinn" rief sie, als die Äste an der Flammenwand abprallten und Feuer fingen.

Die Bäume gaben seltsame Laute von sich, als die Flammen ihre Baumstämme erreichten und sich in das Holz fraßen. Die Barriere war mittlerweile so groß wie ein Haus und wuchs immer weiter, bis sie schließlich mit einem lauten Knall explodierte. Durch die Druckwelle wurden die Bäume in der Nähe aus der Erde gerissen und einige Meter weit geschleudert, ehe sie laut krachend zu Boden fielen. Danach herrschte vollkommene Stille.

Elly sank erschöpft auf die Knie, kein einziger Baum hatte ihrem Angriff standhalten können. "Alles in Ordnung?" fragte Aliya besorgt und kniete sich zu ihr. Als Elly den erschreckten Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht sehen konnte, wusste sie was geschehen war. "D..deine Wange" sagte Aliya stotternd und strich mit den Fingern über die neuen Schuppen unter ihrer ersten.

Stimmen waren in der Dunkelheit zu hören und wenige Sekunden später standen Simon und die anderen in ihrer Nähe. Sie sahen sich fassungslos in der verwüsteten Umgebung um, ehe sie zu den Beiden blickten. "Sie ist ein Monster" schrie Edan und zeigte auf Elly, der ihre rot funkelnden Augen bemerkt haben musste. "Verletz ihn, er soll aufhören so über dich zu reden" riet der dunkle Teil in ihr und Ellys Körper bebte. Sie hatte ihre Wut immernoch nicht unter Kontrolle. "Er hat es verdient, lass ihn leiden." Elly kämpfte mit sich selbst, doch schließlich grinste sie und gab nach.

Edans Knochen knackten und innerhalb eines Herzschlags krümmte er sich vor Schmerzen. Die Gruppe wich einen Schritt zurück, während Aliya an ihrer Schulter rüttelte. "Es reicht, hör auf damit!" fuhr sie Elly an, doch sie reagierte nicht.

"Töte ihn" drängte die Stimme in ihrem Kopf und erst diese beiden Wörter ließen sie zur Vernunft kommen. Edan, der mittlerweile auf dem Boden lag, kroch einige Schritte nach hinten soweit wie möglich weg von ihr. Eine Windbrise streichelte sanft Ellys Wange, ehe sie Silas Worte wahrnahm, die nur für sie bestimmt waren. "Die Dunkelheit in dir wächst, das gefällt mir mein Engel. Lass sie in dein Herz..."

Gefährtin des Schwarzdrachen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt