28. »Wir müssen schnell sein.«

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Luke und ich begrüßten uns lautlos. Connor war noch nicht aufgetaucht, aber er hatte ja noch ein paar Minuten.
Ich fröstelte und kuschelte mich in meine Jacke. Als Drache war mir bis jetzt nie kalt gewesen, das musste irgendwie mit der Verwandlung zu tun haben. Endlich näherten sich Schritte und Connor traf ein. Er und Luke tauschten berechnende Blicke, ehe Connor sich hinter mich stellte.

»Also, wo ist jetzt der Treffpunkt mit eurer Drachenfreundin?«, fragte er allgemein, aber ich spürte, dass er die Frage an mich richtete. »An der Hauptstraße«, antwortete ich geduldig und machte mit den Armen eine auffordernde Bewegung. »Gehen wir?«

***

»Und du bist sicher, dass uns hier niemand sieht?«, schrie Alecya gegen den Lärm der vorbeirasenden Autos an. Sie blickte skeptisch zum Himmel, der deutlich heller geworden war. »Wir müssen schnell sein«, antwortete ich nervös und prüfte unsere Deckung noch einmal mit Blicken. Der Schallschutzwall würde uns bis zu einer Höhe von etwa fünfzehn Metern Schutz bieten, dann mussten wir schnell genug aufsteigen, um als Flugzeug durchzugehen.

In diesem Moment kam es mir erleichternd vor, dass nur drei von uns sich dieser Gefahr aussetzen, als alle vier. »Fertig?«, fragte Connor angespannt, worauf Alecya und ich nickten. Ich beobachtete, wie Alecya sich in die graziöse blattgrüne Drachin verwandelte, die ich bisher nur zu gut kannte. Als Connor seine staubgrauen Schuppen, die im letzten Mondlicht silbern schimmerten, zum Vorschein brachte, sah sie ihn perplex an und betrachtete unverhohlen die Farbe, von der sie mir erzählt hatte, es gäbe sie nicht.

Ich verwandelte mich ebenfalls, während Luke leise murrend auf Connors Rücken stieg. Meinen Rucksack und seinen hängte er kurzerhand an die Nackenzacken von Connor. Es war erniedrigend für ihn, dass Connor nun Bescheid wusste wegen seiner Flugunfähigkeit, aber es musste nun mal sein. »Dann mal los«, meinte ich in Gedanken zu den drei, worauf Connor mich erschrocken aus seinen grauen Augen anstarrte. Richtig, er wusste ja noch gar nicht, wie das richtig funktionierte.

Abgesehen vom ersten mal, als er sich vor mir in einen Drachen verwandelt hatte, hatte er nicht mehr versucht in Gedanken zu sprechen. Ich wandte den Blick nach vorne und schlug mit den Flügeln. Connor und Alecya taten es mir nach, und nebeneinander schossen ein grauer, ein blauer und ein grüner Blitz in den Himmel. Übermütig drehte Connor eine Schraube. Es kam mir seltsam vor, ihn so zu sehen. Luke klammerte sich mit grünlichem Gesicht an seinen Rückenschuppen fest.

Das hätte ich ja fast vergessen - er war äußerst empfindlich bei so etwas. »Con, nimm bitte ein bisschen Rücksicht auf Luke«, ermahnte ich ihn. Als dieser in meinen Gedanken leise lachte, wusste ich, dass er es mit Absicht gemacht hatte. Lukes Augen glühten rubinrot, aber er sagte nichts und klammerte sich so fest, dass seine Finger sich weiß färbten.
Wir stiegen rasch höher. Die Hauptstraße weit unter uns schlängelte ihr dunkelgraues Band weit durch die Landschaft; sie wirkte klein und unwirklich.

Welshnam, meine Heimatstadt, war nur noch als dunkler Fleck am Horizont erkennbar. Wir wandten uns nach Süden, da wir ja keine Ahnung hatten, wo unsere Suche beginnen sollte, geschweige denn, woran wir die Festung erkennen konnten. Sicher würde nicht einfach eine alte Burg auftauchen, auf der in Großbuchstaben »DUNKLE DRACHEN« stand! Der stetige Rhythmus unserer Flügelschläge wirkte einschläfernd.

Ich prüfte kurz, ob alles noch da war: mein Rucksack hing neben Lukes Tasche auf Connors Rücken; Luke hatte seine Beine um Connors Schuppen geschlungen und hielt sich mit den Händen fest. Seine Augen blickten nach unten und suchten die Umgebung ab. Alecya hatte sich ihr Gepäck um den Hals gebunden und führte unseren kleinen Trupp an. Ihre Schuppen leuchteten wunderschön im Sonnenlicht und ich fragte mich, wie etwas so Unheimliches wie ein Drache so schön sein konnte.

Kurz bevor wir die Wolkendecke durchbrachen, sah ich noch ein letztes Mal zurück, aber Welshnam war von der endlosen Weite bereits verschluckt worden. Die Sonne war hoch emporgestiegen. Es musste etwa Mittag sein, aber auf meine Uhr konnte ich in diesem Zustand leider nicht schauen.

Manchmal zogen kleine Schwärme von Vögeln unter uns vorbei. Es war seltsam, sie aus diesem Blickwinkel zu beobachten. Unter uns schlängelten sich kleine Flüsse, ab und zu konnte man auch kleine Dörfer erkennen, aber größere Siedlungen sahen wir nie. Was auch daran lag, dass wir einen großen Bogen um Städte machten.

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt