Der letzte Atemzug

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Aya pov.

Mit steifem Nacken blickte ich mich in den Schutthaufen um. Dorfbewohner suchten in den Trümmern ihre vermissten Angehörigen. Männer räumten die Steinbrocken beiseite und die Handelsleute klaubten vom Boden ihre verdreckte Ware auf und luden sie ächzend auf ihre Karren. Ich seufzte und erinnerte mich noch ganz genau wie es vorher aussah, als ich hier noch lebte. Ich fröstelte leicht und schaute hoch zum Himmel. Kleine weiße Flöckchen fielen herab und platzierten sich auf den Trümmern. Ein trostloses aber auch merkwürdigerweise schönes Bild. Ohne weiter nachzudenken packte ich mit an und half eine Gruppe keuchender Männer einen großen, brüchigen Gesteinsbrocken, der von der Fassade des Uhrwerks stammte, beiseite zu schieben. Als das getan war, fuhr ich damit fort, die unebene Straße des Platzes von Trümmern zu befreien. Keuchend hörte ich auf, als eine tiefe Stimme mir befahl mitzukommen. Ich drehte mich um und erblickte Chrome. Er nickte mir zu, wandte sich ab und bahnte sich zwischen dem Schutt einen Weg. Schwer atmend folgte ich ihm und klopfte im gehen den Dreck von meinem Umhang. Chrome betrat ein Wirtshaus, das zum Glück nicht von dem Angriff des roten Drachens beschädigt worden war. Ich sah mich kurz um. Die Erinnerung an das angetrunkene Gelächter, dass aus diesem Wirtshaus bis spät in die Nacht damals zu mir heraus drang, durchzuckte mich. Chrome hatte sich ganz hinten an einem Tisch niedergelassen, wo bereits Ray und die anderen saßen. Ich setzte mich erschöpft neben Owen, der gerade dabei war seinen fünften Krug Wein hinunter zu schlürfen. Seine rötlichen Pausbacken zitternden angestrengt beim trinken. Chrome sah kurz in die Runde. ,, Ich habe so eben einen Brief erhalten, dass wir einen neuen Auftrag zugestellt bekommen. " Ich verharrte in meiner Bewegung, als ich mir ebenfalls wie Owen einen Krug Wein beim alten Schankwirt bestellen wollte. ,, Der Auftrag, das wir die Banditen, die sich als Abtrünnige herausgestellt haben, erledigen sollen, wird einer anderen Flugstaffel zugeteilt. " ,, Aber wieso?!" Ich fuhr hoch und schlug mit meinen verdreckten Händen auf den Tisch, sodass die leeren Krüge vor Owen gefährlich wankten. Chrome sah mich mit einem finsteren Blick an. ,, Es steht dir nicht zu, einen Auftrag zu hinterfragen!" knurrte er gefährlich. Ich setzte mich wieder langsam und schaute leicht beschämt auf meine Hände, die ich in den Schoß sinken ließ. ,, Unsere Flugstaffel wird bei einem anderen Auftrag mehr benötigt," fuhr Chrome fort", Morgen werden wir aufbrechen. Wir wurden nach Largos geschickt, eine kleine Stadt in den Berglanden unseres Reiches. "Mit diesen Worten stand er auf und ging die hölzerne Treppe hinauf, hoch in den Gästezimmern des Wirtshauses. Bevor jemand ein Wort sagte, sprang ich auf und stürmte aus dem Wirtshaus. Da bin ich einmal wieder in meiner Heimat und muss gleich wieder abreisen! Frustriert stapfte ich die holprigen Straßen entlang. Ich wusste wo man mich jetzt gerne sehen würde und ging über die Brücke, die über den Flusslauf lag. Ich strich mit meinen rauen Handflächen Gedanken verloren über den Rand der Brücke und Erinnerungen durchfluteten mich. War es wirklich so lange her, seit ich von hier abgereist bin? Kopf schüttelnd überquerte ich die Brücke und lief raschen Schrittes den kleinen Pfad entlang, der zu dem kleinen, heruntergekommenen Haus führte. Die schmutzigen Fenster waren geschlossen und der Schornstein gab kein Zeichen von sich. Vielleicht ist sie nicht zu Hause? Es sah ziemlich duster im Innern aus. Flach atmend trat ich an die Tür und hob die Hand, bereit zu klopfen. Ich starrte die splitternde Holztür eine Weile an. Dann klopfte ich endlich zaghaft an der Tür. Ist die Tür kleiner geworden? Nichts regte sich im Innern. Der Funken Hoffnung verschwand in mir. Es kann sein das sie in den Trümmern begraben liegt oder vielleicht von dem angreifendem Drachen zerquetscht worden ist! Panik stieg in mir hoch und mein Kopf schwirrte. Ich blickte mich schnell um, dann ging ich um das Haus herum. Hinter dem Haus war hoch oben eine kleine Leiter angebracht, die ich einmal für Notfälle angebracht hatte. Sie führte direkt aus dem kaputten Loch im Dach bis zur Rinne des Daches, sodass ich, falls ich wieder einmal Streit mit meiner Mutter hatte,  unbemerkt abhauen konnte. Ich sprang etwas ungelenk hoch und berührte leicht mit den Fingern Spitzen die morsche Leiter. Ich versuchte es noch einmal und diesmal konnte ich die Leiter an der untersten Sprosse packen und herunter ziehen. Vorsichtig stieg ich auf sie hoch und die Leiter gab unter meinem Gewicht leicht nach. Schnell kletterte ich auf das Dach und ließ mich schwer atmend durch das klaffende Loch im Dach, in das windschiefe Haus fallen . Zögernd erhob ich mich und blickte mich um. Das milde Licht reichte gerade noch so aus, sodass ich erkennen konnte wo ich mich genau befand. Ich erblickte mein altes Bett neben mir stehen. Alles sah genauso aus wie ich es hinterlassen hatte. Das Bettzeug lag sorgfältig gefaltet auf mein Bett, der kleine Handspiegel mit dem kleinen Sprung im Glas, lag auf der staubigen Kommode neben dem Bett. In einer Ecke stand der kleine Schrank. Vorsichtig machte ich ihn auf und sah hinein. Meine alten Anziehsachen lagen staubig und mit Mottenzerfressenen Löchern darin. Ich hob den alten Rock auf, den ich immer gehasst hatte. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen. Ich legte ihn wieder zurück und drehte mich zur Tür. Ich öffnete sie und zog sie, mit letzten Blicken in mein altes Zimmer, leise quietschend zu. Ich ging die Holztreppe hinunter und übersprang wie damals die vorletzte Stufe mit der unebenen Fläche. Mit flachem Atem schaute ich mich um. Alles war still. Die Küche sah so aus, als ob man sie lange nicht mehr benutzt hat. Ich öffnete den Wandschrank, worin Massen von Apfelmost Gläsern standen. Ich schloss ihn wieder und setzte mich an den Tisch. Wo ist sie bloß? Die Sorge das ihr vielleicht wirklich etwas zugestoßen ist, stieg in mir auf. Ich stand auf und trat frustriert gegen den Tisch, der daraufhin begann zu wanken. Sofort versuchte ich ihn noch fest zu halten, doch zu spät. Es krachte und fiel mit der Seite zu Boden. Dabei rutschte das struppige Fell weg, das immer unter dem Tisch lag. Sofort fiel mir etwas ins Auge. Ein großer Schlitz kam unter dem verrutschtem Fell zum Vorschein. Neugierig schob ich das Fell ganz zur Seite und stellte überrascht fest, dass darunter eine Art Falltür versteckt lag. Zögernd fasste ich an den eisigen Griff und zog kräftig daran. Knarzend ging sie auf. Es ging dort in ein dunkles Loch. Kurz überlegend ob ich vielleicht doch so tun sollte, als hätte ich diese Falltür niemals gefunden, schaute ich mich um. Seufzend nahm ich doch meinen Mut zusammen und sprang mit den Füßen zuerst hinein. Ich fiel nicht tief, aber auf meinem Hintern. Ächzend rappelte ich mich auf. Ich klopfte mir den Dreck von der Hose und dem Umhang.,, Autsch..." Murmelte ich und kniff meine Augen zusammen. Es war stockfinster hier unten. Ich tastete mich an der feuchten Wand der scheinbar unterirdischen Höhle entlang. Kurz stolperte ich ungeschickt über einen Stein. Langsam gewöhnten sich endlich meine Augen an die Finsternis und ich konnte Umrisse erkennen. Ich war in einem Durchgang . Holzpflöcken hielten die Decke davon ab mir auf den Kopf zu stürzen. Ich konnte schließlich Umrisse eines größeren Ausgangs des Durchgangs erkennen und tastete mich vorwärts. Plötzlich erhellte sich meine Umgebung. Sie wurde von pulsierenden Kristallen erleuchtet. Das waren doch diese Kristalle die mir mein Vater einmal gezeigt hatte... Ich blickte mich um und meine Augen mussten sich wieder daran gewöhnen, das es jetzt heller war als zuvor. Ich war in einer Art Geheimversteck unter unserem Haus. Das war jetzt wirklich etwas zu skurril. Neugierig schaute ich mich dennoch um. Große Gesteinszapfen hingen von der Decke herab. Würden die herunterfallen wäre es aus mit mir... Es lagen große Holzkisten verstreut in der Höhle. Ich ging zu einer der Kisten und öffnete sie. Verwundert lagen dort unordentlich hinein gestopfte Kleiderbündel. In den nächsten Kisten waren außerdem noch verhüllte Gemälde, Netze, Bücher und anderen Krimskrams. Ich zog an dem Laken von einen der verhüllten Gemälde. Das Laken fiel ab. Das Gemälde zeigte eine Reihe Männern mit Rüstungen und hinter ihnen konnte man die großen Beine von Drachen erkennen, die bis zum Bildrand gingen. Ich entdeckte das die Rüstungen das Zeichen des Ordens vorwiesen. Das sind alles Drachenritter! Neben dem Gemälde und den anderen, lag ein Notizbuch. Ich nahm es in die Hände und öffnete es. Fein säuberliche Buchstaben standen auf dem erbleichten Papier. Ich blätterte eine Weile darin. Dann wieder zur ersten Seite. Ganz oben stand: Dieses Buch gehört Kurio Gaius. Das heißt also das alles hier meinem Vater gehörte? Ich klappte das Notizbuch zu und legte es zur Seite. Ich stöberte weiter in den Gemälden. Einige zeigten langweilige Landschaften, andere wiederum zeigten einen jungen Mann mit einem schwarzen Drachen an seiner Seite, oder wie die beiden am Himmel flogen. Sofort bemerkte ich die Ähnlichkeit von diesem jungen Mann mit meinem Vater. Kein Zweifel. Er war es selbst. Dann muss dieser Drache Kalaera sein, Shruikans Mutter. Ich strich über das Gemälde, ehe ich auch dieses zu den anderen legte. Ich ging zur nächsten Kiste und machte sie mit immer wachsender Neugierde auf. Auf dem Boden der Kiste lag eine einzelne kleine verzierte Schatulle. Ich hob sie auf und drehte sie. Derjenige der diese Schatulle geschnitzt hatte, hatte wohl viel Zeit und Geduld darin investiert. Die Verzierungen zeigten Vögel, Drachen, Hirsche und auch Satyre die auf ihren Panflöten spielten. Vorsichtig öffnete ich die Schatulle und schaute in das Innere. Auf einem Samt bedeckten Boden lag darin ein silbernes Medaillon. Ich hob es auf und drehte es immerzu. Das Medaillon war an einer silbernen Kette befestigt und hatte kleine Einkerbungen, die wie in sich gehende Ranken aussahen. Ein kleiner blauer Saphir war in der Mitte angebracht. Voller Ehrfurcht vor dem kostbaren Gegenstand strich mit dem Finger drüber. Dabei berührte ich aus versehen die kleinste Einkerbung und das Medaillon machte ein klickendes Geräusch. Die Oberseite sprang plötzlich auf. Überrascht erblickte ich im Innern des Medaillons ein Bild von einer Frau. Ich kniff meine Augen zusammen, doch es war zu wenig Licht. Ich ging zu einen der Kristalle und hielt das Medaillon dichter an den leuchtenden Kristall. Jetzt konnte ich die Frau genauer mustern. Zu meiner Überraschung war diese Frau kein Mensch. Man konnte ganz klar sehen, das ihre Ohren spitz zulaufend waren. Es war eine Elfe! Und sie hatte eine überirdische, schöne Erscheinung. Ihre Haut glänzte selbst durch das kleine Porträt silbern. Sie hatte große kristallblaue Augen und lange hellblonde Haare. Fragen überschlugen sich in meinem Kopf. Wieso hatte mein Vater ein Medaillon mit dem Porträt einer Elfe darin? Ich klappte das Medaillon schnell wieder zu. Für einen Moment schloss ich meine Augen um mich zu beruhigen. Ich legte das Medaillon zurück in die Schatulle, überlegte kurz, doch steckte dann die Schatulle doch in meine Tasche. Ich hatte das komische Gefühl das ich sie mitnehmen sollte. Die Neugier die restlichen Kisten zu durchwühlen, ist mir vergangen. Seufzend sah ich mich noch kurz um, entdeckte jedoch nichts interessantes. Ich bemerkte einen Tunnel, der mir wie ein Ausgang erschien. Voller sarkastischer Vorfreude das mich gleich wieder Finsternis erwartete, ging ich in den Tunnel. Ich tastete mich wieder an der feuchten Wand entlang. Mit zusammen gekniffen Augen konnte ich das Ende des Tunnels ausmachen, der kleine Lichtstrahlen in den finsteren Tunnel warf. Ich stapfte auf den Ausgang zu. Jedoch bemerkte ich das Bretter mir den Ausgang versperrten. Das Licht fiel durch kleinere Schlitze in den Holzbrettern. Mit voller Wucht trat ich gegen das untere Brett, das daraufhin nachgab und brach. Ich hockte mich hin und krabbelte auf alle vieren durch den freigewordenen Schlitz. Ich erhob mich keuchend und rieb meine feuchten Hände an meiner Hose trocken. Mit zusammen gekniffen Augen blickte ich mich um. Ich befand mich am Eingang einer der stillgelegten Minen Schächte. Früher hatten hier viele auf der Suche nach Gold und Silberadern Minen angelegt. Doch bald hatten sie aufgegeben da die erhofften Edelmetalle nicht zu aufzufinden waren. Der kalte Nordwind blies mir die Haare wirr ins Gesicht. Ich sah von einem Hügel herab auf das Dorf. Die Lichter des Dorfes gingen an. Die Sonne sengte sich am Horizont und das Nachtleben fing im Dorf an. Ich ging zurück, mit der Schatulle im Gepäck.

Aya -Tochter der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt