Kapitel 34 - You're an asshole, Leo Hollingworth!

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Leo saß auf seinem Bett und als ich das Schluchzen hörte und wusste, dass er weinte, zerriss es mir beinahe das Herz. Ich hätte auf der Stelle mit ihm heulen können, so sehr schmerzte mich sein Anblick. Ich kannte ihn so nicht, hätte nicht gedacht, ihn jemals so zu sehen. Selbst in unserem gemeinsamen Sommer zeigte er selten, was er wirklich fühlte. Leo war für mich immer der unnahbare Eisklotz gewesen, den ich nur manchmal, ganz selten, geknackt hatte. Doch trotz des ganzen Ärgers den er hatte, oder vielmehr noch immer noch hat, hatte er niemals geweint obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte. Ich zum Beispiel hatte die letzten Wochen einiges mitmachen müssen und war andauernd heulend zusammen gebrochen, Leo war nicht so. Leo zeigte keine Gefühle. Er saß zusammen gesunken da, das Gesicht in den Händen vergraben. Und dies war der Moment, in dem ich alle Vorsätze und Sicherheitsmaßnahmen über Bord schmiss. Ich ging, so schnell es mir eben möglich war, zu ihm. Wenn es mit meinem verdammten Bein möglich gewesen wäre, wäre ich vor ihm hin gekniet, da das aber leider ein Ding der Unmöglichkeit war, setzte ich mich neben ihn. Sobald er gemerkt hatte, dass ich neben ihm saß, wischte er sich energisch die Tränen weg. Ich wartete ein paar Sekunden und war einfach nicht fähig dazu in meinem Kopf irgendwelche Sätze zu bilden, die Sinn ergaben. Leo änderte seine Haltung nicht und ich hatte schon Angst, dass er mich gleich weg schicken würde.

„Ehrlich Roxy, es tut mir leid. Alles, was ich getan oder nicht getan habe.", es erschreckte mich, wie normal sich seine Stimme anhörte. Wenn ich geheult hatte hörte ich mich schrecklich an. Lediglich seine heisere Stimme verriet ihn. Ich saß schweigend neben ihm, unfähig mich zu bewegen oder etwas zu erwidern.

„Ich liebe dich mehr als alles andere, und ich war bescheuert genug dich aufzugeben, nur weil es vielleicht etwas schwierig war oder weil ich nicht damit klar kam, dass du so weit weg warst."

Ich schluckte und sah auf meine Hände. Die Tränen brannten hinter meinen Augen. Ich war in letzter Zeit wirklich eine Heulsuse geworden, doch ich schätze so ist das nun einmal, wenn das Leben und die Träume den Bach runter gehen...

„Und jetzt komme ich noch viel weniger damit klar, dass ich dich verloren habe weil ich so dämlich war! Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen soll Roxy, ich habe es versucht, aber ich kann es nicht. Ich kann nicht ohne dich leben!"

Inzwischen hatte ich meinen Gefühlen nachgegeben und ließ den Tränen einfach freien Lauf. Es war sowieso unvermeidbar gewesen. Wenn ich eines wusste, dann dass es mir ganz genauso ging. Ich konnte nicht ohne ihn leben! Ich liebte ihn und ich würde ihn immer lieben, ganz egal was kommen würde, das Risiko war es wert! Wenn er mich wieder verletzten würde, würde ich fallen. Ich würde so tief fallen, dass ich niemals wieder auf meine Beine kommen würde. Ich hatte keine Ahnung was am Boden des Falls auf mich wartete, doch es war nichts Lebenswertes! Doch vielleicht würde ich es niemals erfahren. Ich würde das Risiko eingehen und wir würden es zusammen schaffen. Noch bevor Leo irgendwie weiterreden oder reagieren konnte legte ich meine Hände an sein Gesicht und zwang ihn mich anzusehen. Sein Blick war verwirrt. Wahrscheinlich fragte er sich, was das sollte, wieso ich ihm nicht wieder eine Ohrfeige verpasste oder ihn anschrie.

„Du bist ein Arschloch, Leo Hollingworth!", sagte ich mit leiser aber fester Stimme. „Aber jeder macht mal Fehler!"

Mit diesen Worten drückte ich meine Lippen gegen seine und sofort fühlte ich, dass mein Herz sich wieder zusammen setzte. Das fehlende Puzzleteil war gefunden worden und fügte sich mit den anderen zusammen. Ich war wieder ganz. Doch gleichzeitig wusste ich auch, dass es noch Einiges zu klären gab. Doch plötzlich fühlte ich mich viel stärker. Ich fand die Kraft, die ich für das klärende Gespräch mit Leo Hollingworth brauchte nur durch ihn selbst. Der Kuss war unschuldig und doch so liebevoll gewesen. Als ich mich von ihm löste kribbelten meine Lippen und ich spürte, dass ich mehr davon wollte. Doch ich musste mich zusammen reißen. Es gab noch so viel zu klären.

***

Ich langweilte mich zu Tode. Es war ein sonniger Herbsttag den ich eigentlich auf dem Rücken eines Pferdes genossen hätte, doch leider war das nicht möglich. Ich tigerte schon den ganzen Vormittag im Stall herum und sah Josh und Luke bei der Arbeit zu. Schließlich hatte ich Danielle eine Reitstunde gegeben und sie anschließend darüber ausgefragt, was da zwischen ihr und Josh lief.

„Was soll da laufen? Gar nichts natürlich!", sagte sie während sie meinem Blick auswich und knallrot anlief.

„Na klar!", rief ich grinsend aus und gesellte mich neben Top Gun, der interessiert meine Krücken betrachtete.

„Ich weiß nicht wie du auf diese bescheuerte Idee kommst, Roxy!", Danielle blickte angestrengt die Steigbügel an.

„Komm schon Danielle, wieso erzählst du mir nichts?"

Sie holte tief Luft und öffnete ihren Mund, dann schloss sie ihn wieder ohne etwas gesagt zu haben.

„Na schön...!", es waren einige Sekunden verstrichen ehe sie mich endlich ansah. „Wir hatten schon vor Wochen ein Date, ich meine, Josh ist doch echt nett, oder?"

„Klar, er ist super!", antwortete ich ihr ehrlich.

„Ja, nicht wahr?", plötzlich strahlte sie. „Das Date war großartig, Josh hat sich so viel Mühe gegeben und ich hatte wirklich so viel Spaß an diesem Abend. Doch dann war die Sache mit Embassy und der ganze Stress... irgendwie kamen wir dann nicht mehr dazu uns weiter zu treffen."

Gespannt sah ich meine Freundin an und wartete darauf, dass sie fortfuhr.

„Als du dann den Unfall hattest und wir im Krankenhaus stundenlang gewartet haben war er für mich da. Weißt du Roxy, wenn er bei mir ist fühlt sich alles nicht mehr so schlimm an. Es ist nicht mehr aussichtslos... Ach... was rede ich da nur? Ich kann es nicht beschreiben!", Danielle lachte leise und schüttelte ihren Kopf.

„Ich weiß genau, was du meinst.", erwiderte ich und lächelte verträumt.

„Ich wollte es dir so gerne erzählen, wirklich! Aber die Sache mit Leo und dass du so traurig warst... ich wollte nicht, dass es dir noch schlechter geht!", beschämt senkte sie ihren Blick.

„Oh Danielle! Ich hätte mich doch für euch gefreut!", sagte ich und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Ehrlich! Du bist meine Freundin und Josh ist mein Freund, ich finde es wunderbar, dass ihr beiden euch so gerne habt!"

„Danke Roxy!", sie lächelte mich aufrichtig an ehe sie mich in eine feste Umarmung schloss, sodass ich überdeutlich sämtliche geprellte Rippen und Wirbel spürte.

„Ich hatte heute Morgen ein Gespräch mit deinem Bruder.", begann ich schließlich leise. Sofort löste Danielle sich von mir und sah mich mit großen Augen an.

„Ein Gespräch über euch?"

„Ja."

„Ja, und?"

„Ich habe keine Ahnung!"

„Oh. Wie aufschlussreich!", Danielle verdrehte ihre Augen. Ich würde ihr jetzt ganz sicher nicht genau erzählen, was Leo gesagt hatte. Das war privat und ging noch nicht einmal Danielle etwas an.

„Ich denke, es gibt noch eine Chance. Dazu muss ich aber zuerst über einiges mit ihm reden."

„Wirklich?", Danielle strahlte plötzlich. Ich nickte nur knapp.

„Und was gibt es da noch zu bereden?"

„So einiges, Danielle, glaub mir!", sagte ich seufzend und stütze mich auf die nervigen Krücken um endlich zu Embassy zu humpeln, sodass sie an diesem Tag auch noch die nötige Pflege und Aufmerksamkeit bekam.



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